Details

Mit:
Datum: 29. April 2007
Location: Batschkapp
Gwinnerstraße 5
60388 Frankfurt
Website: Offizielle Homepage des Veranstaltungsorts
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Dieses Land bekommt die Rapper, die es verdient.

Review von Philipp Gässlein

Ausgerechnet das deutsche Label, das sich mit Abstand am härtesten gibt, schickt sein bestes Pferd auf Tour und lässt es Bravo supporten, bekanntermaßen der Gangster-Guide schlechthin. Der Fakt verdeutlich bestens die zwiegespaltenen Gefühle vieler Konzertbesucher, wie das heimliche Lauschen auf der Herrentoilette der Frankfurter Batschkapp offenbarte: Interessanterweise haben die meisten Jungs, die sich traditionell in Baggy, Bandana und Basecap gekleidet haben, ziemlich Muffensausen von anderen auf die Fresse zu kriegen, die sich ganz genau so anziehen.

Ähnlich geht es wohl dem Künstler selbst, wenn er an seine nächste Begegnung mit Azad denkt - den er nichts desto weniger erneut mehrfach disste. Ob das womöglich mit der Ironie gemeint ist, die AggroBerlin so oft zur Selbstverteidigung zitiert? Sidos Antwort darauf wäre wohl: "Halt's Maul, zahl Eintritt".

Die Batschkapp ist - für einen Konzertsaal sehr effizient - stufenweise geschnitten, was eine ordentliche Sicht auf die Bühne erlaubt, ohne sich an die Front zu all den kurzgeschorenen,
grimmig blickenden Bösewichtern im weiß-roten Aggrodreiteiler wagen zu müssen. Das brachte zwei Vorteile: Erstens war der Weg zur Theke kurz und weitgehend unbelagert von Diplomats-Kopien - ein Umstand, den meine bezaubernde Begleitung und ich durch einen umso häufigeren Gang zur selbigen auch honorierten.

Zweitens entgingen wir so den leeren Jägermeister-Gläsern, die ihren Weg aus den Händen der Rapper nach ziemlich jedem performten Stück in den Fotograben oder wahlweise auch in die vorderen Reihen fanden. Die provokante Schlussfolgerung aus dem Umstand, dass Marihuanakonsum auf der Bühne in schöner Regelmäßigkeit Auftrittsverbote nach sich zieht. Man möchte meinen, dieser Staat bekommt die Rapper, die er verdient.

Trotzdem muss man dem Maskenmann und seinen Supportern Alpa Gun, B-Tight und Massiv zugestehen, dass sie für ihre Fans großartiges Entertainment boten. Den Punchingball des Abends gab ein
junger Fan an, dessen Lohn für einen anscheinend gewonnenen Wettbewerb darin bestand, von der Crew auf der Bühne an einen Stuhl gebunden und geknebelt zu werden - natürlich stilecht mit B-Tight-Klebeband aus dem Aggroshop. Da saß er dann, der arme Tropf, wurde hin und wieder verarscht und durfte in der tropischen Hitze überflüssige Pfunde verlieren.

Bis zu seinem großen Auftritt, bei dem er den Refrain des Smash-Hits "Mein Block" hätte rezitieren sollen. Er versagte kläglich und wurde konsequenterweise mit Sprechchören von der Bühne gebuht. Mitleid wäre hier wohl fehl am Platz gewesen. Was auf ihn zukommen würde, wusste er ebenso gut wie das Mädchen, das sich auf B-Tights Frage meldete, welche Bitch sich denn für die geilste des Abends halte. Danach wurde sie wie ein Stück Fleisch beim Metzger begutachtet und befühlt. Man möchte meinen, auch jedes Publikum bekommt die Rapper, die es verdient.

Musikalisch hielt sich die Überraschung in Grenzen. Alpa Gun präsentierte sich selbstsicher, B-Tight präsentierte ein paar vielversprechende Tracks seines neuen Albums, Sido spielte
größtenteils Tracks seiner zwei Soloalben. Das wie erwartet junge Publikum konnte sich schon als eingeschworene Fangemeinde fühlen, wenn es Stücke wie "Westberlin" kannte, gerade mal vier Jahre alt.

Und während in endlosen Sprechchören die Aufführung des "Arschficksongs" skandiert wurde, während ich am liebsten Royal TS-Klassiker wie "Das Mic Und Ich" oder "Passgenauauf" gehört hätte, wuchs in mir langsam aber sicher der Verdacht, dass ich entweder zu alt für diese Art von Veranstaltung bin, oder den Berlinern einfach schon doppelt so lange zuhöre wie der Rest des Publikums. Eigentlich weiß ich das schon lange, nur wehre ich mich noch gegen die Erkenntnis. Man möchte fast meinen, auch ich habe den Rapper bekommen, den ich verdiene.

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Artistinfo

LAUT.DE-PORTRÄT Sido

"S wie der Stress, den du kriegst wenn ich am Mic bin. I wie 'Du Idiot!' Mich zu battlen wär' Leichtsinn. D wie die Drogen, die ich mir täglich gebe.