7. Mai 2010
"Ich werde kein Popstar mehr"
Interview geführt von Michael SchuhNach dem Tod von Gitarrist Robert Burås trennt sich im Jahr 2007 Norwegens bekannteste Rockband Madrugada. Mit neuen Kollegen zieht sich Sänger Sivert Høyem im Folgejahr in die Berge zurück, um sein Soloalbum "Moon Landing" aufzunehmen.In Norwegen bereits im Herbst 2009 erschienen, wird "Moon Landing" zu einem großen kommerziellen Erfolg in Høyems Heimat. Obwohl der Sänger mit dem Tod seines Vaters einen weiteren Schicksalsschlag erleiden musste, klingt die Platte deutlich optimistischer, als man dies von dem Madrugada-Bariton erwarten durfte.
Sivert, wie fühlten sich die Aufnahmen als Solokünstler an?
Am Anfang war es natürlich schwierig wegen all der Erinnerungen an meine alte Band, die ich nach dem Tod unseres Gitarristen Robert verlassen hatte. Es war schwer vorstellbar, noch einmal diesen ganzen Prozess zu durchlaufen. Aber dann fühlte es sich bald wie mein allererstes Soloalbum an. Die Musik half mir auch über einige schwere Momente in meinem Leben hinweg. Es war ein sehr positiver Prozess, völlig ohne bandinterne Probleme.
Da habe ich jetzt rausgehört, dass es ungewohnt für dich ist, ein Album ohne Bandprobleme aufzunehmen.
Naja, in Madrugada gab es eben viele meinungsstarke Typen mit eigenen Vorstellungen. Wenn du dann noch bedenkst, dass wir uns alle seit der Kindheit kennen und richtig eng miteinander befreundet sind, ist naheliegend, dass in so einem Kontext nicht nur professionelle Entscheidungen getroffen werden. Aufnahmen mit Madrugada waren immer intensiv und anstrengend. Das floss alles ins musikalische Ergebnis mit ein. Diese Spannung konnte man hören.
Songs wie "Moon Landing" und der verstärkte Einsatz von Akustikgitarren lassen dein Album jedenfalls positiv klingen.
Ja, ich bin froh, dass es anders als Madrugada klingt. Ich finde, es hat eine Art Westcoast-Feeling, das es bei Madrugada nicht gab.
Ein Kollege meinte, der Song "Moon Landing" wäre ohne die Keyboardflächen noch besser. Ich denke, er ist genau richtig so wie er ist, sonst ginge Atmosphäre verloren. Wie entstand die Nummer?
Eigentlich nicht anders als die übrigen Tracks. Mein Gitarrist Cato, der Drummer und ich arbeiteten eng zusammen und dieser Song war schon als Demo eine Pop/Rock-Nummer. Wir haben dann versucht, den Song leicht und ein bisschen spacy klingen zu lassen, arbeiteten an den Gitarreneffekten und fügten dann ganz natürlich den Synthie hinzu. Ich denke auch, er ist sehr wichtig, sonst wäre es ein eher gewöhnlicher Rocksong.
"Ob ich Neu! kenne? Ich liebe sie!"
Ein herausragender Song ist "Shadows", der mich an die Krautrock-Heroen Neu! erinnert. Kennst du sie?Ob ich sie kenne? Ich liebe Neu! "Shadows" klang am Anfang wie eine schamanische Doors-Nummer. Als wir etwa bei der Hälfte des Songs angelangt waren, kamen wir auf diesen speziellen Krautrock-Beat, der so ziemlich auf allen Neu!-Platten drauf ist (lacht). Gegen Ende wird es dann progressiver, da kommt dann der Amon Düül-Einfluss heraus, wenn du so willst.
Die Platte entstand in den norwegischen Bergen. Wie sehr beeinflusst der Aufnahmeort ein Album? Gab es Unterschiede zu früheren Aufnahmen in Städten wie Berlin?
Geschrieben hatte ich die Stücke eigentlich schon vorher, in unserem Holzhaus in den Bergen entstand dann das Gesamtfeeling der Platte mit allen Arrangements usw. Diesen Teil des Aufnahmeprozesses beeinflusst der Ort natürlich schon. Ich fand es sehr reizvoll in ungestörter Umgebung zu arbeiten, wo sich sehr schnell die einzelnen Charaktere innerhalb der Band heraus kristallisieren, einfach weil es auch keine Ablenkungen gibt. Ich habe mich in Großstädten früher immer sehr vom aufregenden Leben treiben lassen.
Kurz nach dem Tod des Gitarristen Robert starb dein Vater. Hast du in dieser Phase mal das Gefühl gehabt, dich aus dem ganzen Musikbusiness zurück zu ziehen?
Nein, im Gegenteil. Ich war sehr froh, dass ich mich in dieser Phase mit den Songs beschäftigen konnte. Sonst hätte es viel länger gedauert, bis ich wieder zurück gekommen wäre. Ich mag die Vorstellung, dass meine Musik verschiedene Lebensphasen von mir repräsentiert.
Inwieweit haben diese Schicksalsschläge dein Songwriting beeinflust?
Manche Songs sind dunkler und vorbelasteter, manche schafften es auch nicht aufs Album. Ich persönlich höre in Songs wie "Lost At Sea" oder "The Light That Falls Upon The Trees" eine gewisse Leere heraus, die etwas damit zu tun haben könnte. Insgesamt waren Madrugada aber weitaus düsterer als diese Platte. Es war beabsichtigt, dieses Mal positiver zu klingen.
"Im Internet scrolle ich nie zu den Kommentaren runter"
Dein Gitarrist Cato hatte mal die coole 60s Garage Rock-Band Cato Salsa Experience. Von der habe ich aber schon ewig nix mehr gehört ...Oh, Cato kenne ich schon seit den 90ern. Wir hatten damals dieselbe Stammkneipe in Oslo, in der Frode, der Madrugada-Bassist, Barkeeper war. Da hingen eigentlich nur Typen rum, die sonst nirgendwo hin konnten. Dort wurden dann auch Madrugada und eben die Cato Salsa Experience gegründet.
Deren EP von 1998 ist mit Sicherheit die beste Platte, die je aus Norwegen kam. Fantastisch. Als Cato dann für Robert zu uns stieß für die letzte Madrugada-Tour, lernten wir uns noch besser kennen und merkten, dass wir viele musikalische Ideen teilen. Also fragte ich ihn, ob er auch in meiner Soloband spielen wollte.
Obwohl du schon Soloalben veröffentlicht hast, ist "Moon Landing" nach dem Aus von Madrugada doch sowas wie ein kompletter Neustart. In deiner Heimat Norwegen hat man dir dafür schon Platin um den Hals gehängt. Bist du glücklich, dass die Platte so erfolgreich geworden ist?
Auf jeden Fall. Das Feedback von den Leuten, sei es auf die Platte oder auf Konzerten, ist fantastisch. Die ersten Signale aus dem Ausland sind auch recht vielversprechend. Aber ich mache mir da nix vor, ich bin jetzt 34 Jahre alt und werde sicher kein Popstar mehr. Ich bin glücklich, dass viele Menschen, die meine frühere Band mochten, mich auf meinem Soloweg weiter begleiten.
Lass uns mal spekulieren: Wäre dein Album in Norwegen nicht gut angekommen, wärst du sehr enttäuscht gewesen?
Ich schätze schon. Wahrscheinlich hätte ich dann auch schneller ein neues Album aufnehmen können, denn jetzt bin ich aufgrund des Erfolgs ziemlich lange auf Tournee. Aber klar: Wenn du ein Album aufnimmst, steckst du viel Herzblut in eine Sache und willst das Beste aus dir herausholen. Wenn du dafür Anerkennung erntest, ist das schön. Umgekehrt schmerzt es, wenn Leute schlechte Dinge darüber sagen.
Verstehe. Aber ist es nicht gefährlich, die Qualität eines Albums mit den Verkaufszahlen gleichzusetzen?
Ich setze das nicht mit Albumverkäufen gleich. Ich spreche auch von den Reaktionen der Leute und des Publikums. Als Musiker merkst du das auf Konzerten sehr schnell, wie die neuen Songs aufgenommen werden. Es gab Zeiten, da habe ich sehr viele Platten verkauft und als ich auf Tour ging, merkte ich, dass sich manche die Platte aus den falschen Gründen besorgt hatten.
Was ich sagen will: Es ging ihnen nicht in erster Linie um die Musik, sondern um irgendwas anderes. In solchen Fällen fehlt bei Konzerten einfach diese spezielle Verbindung zwischen Musiker und Publikum. Und bei meinen Solokonzerten spürte ich jetzt diese Verbindung, woraus ich schließe, dass die Leute meine Musik mögen.
Verstehe mich nicht falsch, es ist immer toll, Platten zu verkaufen. Schließlich kannst du deswegen deine Miete bezahlen. Die Musik ist mein Job, also muss es mich schon interessieren, dass sie sich verkauft, damit ich damit weiter machen kann.
Gab es denn gar keine kritischen Töne der Presse auf dein Album? Irgendwelche Vergleiche mit Madrugada, die dich ärgerten?
(lange Pause) Dieses Mal waren eigentlich alle sehr nett, muss ich sagen. Ich meine, wenn ich eine Kritik über mich im Internet lese, dann scrolle ich auf gar keinen Fall zu den Kommentaren runter, denn dort wird es dann echt fies und dreckig (lacht). Wenn du anonym bleiben kannst, sind dir keine Grenzen gesetzt, du kannst sagen, was du willst und es bleibt ohne Konsequenzen. Aber das lernt man schnell.
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