laut.de-Kritik
So lange es Pomade und Workershirts gibt, bleibt Ness die coolste Sau Kaliforniens.
Review von Michael EdeleNachdem sich die Hallenöffnungszeit schon ein wenig nach hinten verschoben hat, muss man sich nicht wirklich wundern, dass die erste Band Cooper erst mit über einer halben Stunde Verspätung auf die Bühne geht. Das Trio, bei dem sich Gitarrist und Drummer den Gesang teilen, nutzt seine halbe Stunde redlich und rockt fast ein Dutzend Songs ins Publikum. Dieses zeigt sich davon aber nur bedingt beeindruckt, auch wenn die Jungs ihren Job ganz gut machen. Doch der Sound will nicht so recht begeistern. Schließlich sind die meisten Leute wegen Social Distortion hier oder wollen wenigstens nen anständigen Rotzrock von den Backyard Babies auf die Ohren bekommen.
So kommt es auch nach einer kurzen Umbaupause, denn Nicke, Dregen und Co. legen einen fantastischen Start hin und haben das Publikum von Anfang an im Griff. Bei den Babies ist ständig Bewegung auf der Bühne und die Fans gehen sofort steil. Die Temperatur in der durchaus hoch gebauten Halle steigt mit jedem Song an, doch den Jungs auf der Bühne scheint das nur Recht zu sein. Dregen ist wie immer ein Poser vor dem Herrn und Nicke bringt den Rock'n'Roll Fronter ebenfalls souverän rüber. Die Tatsache, dass sie nicht die ganze Bühne zur Verfügung haben, kommt den Schweden vermutlich durchaus entgegen, denn ihre Mucke kommt in kleinen, verschwitzen Clubs einfach deutlich intensiver. Klein ist der Schlachthof zwar nicht gerade, aber verschwitzt ohne Ende.
Kaum gehen die Babies von der Bühne, muss ich mit einigen Ordnern die ersten Hitzeopfer zu den Sanis schleppen. Die Kollegen im Graben sind vorbereitet und bewaffnen sich alle paar Minuten mit Wassereimern, aus denen sie wahlweise gefüllte Plastikbecher in die ersten Reihen reichen, oder sie einfach über dem Publikum ausleeren. Dieses ist wohl für beides dankbar, denn Mike Ness und Co. machen da weiter, wo die Babies aufgehört haben. Im typischen Working-Man Outfit betritt er die Bühne, sieht trotz Kajal richtig alt aus, singt aber wie ein junger Gott. Egal ob es die Hits vom letzten "Sex, Drugs & Rock'n'Roll"-Album, von "White Light, White Heat, White Trash", oder von den noch älteren Scheiben waren. Kein Song, bei dem die Fans nicht an seinen Lippen hängen und mitsingen.
Nach und nach fallen die Mütze und das Hemd. Schließlich steht ein schwitzender, tätowierter, kaugummikauender Mike Ness auf der Bühne, der auf einmal gar nicht mehr so alt aussieht und dessen Frisur auch bei 280 km/h Rückenwind noch sitzt. Wenn er sich denn mal ans Publikum wendet und eine Breitseite in Richtung G.W. Bush abschießt oder den jüngsten Fan (ein Kerl von gerade mal 14 Jahren) auf die Bühne holen lässt - der Kerl kommt einfach grundehrlich rüber. Was bei anderen wie billiges Gepose oder Anbiedern ans Publikum wirkt, ist bei Mike schlicht und ergreifend authentisch. Wer zur Hölle hätte sonst noch das Recht, ja die Pflicht, Johnny Cashs "Ring Of Fire" so geil zu interpretieren?
Nach "Story Of My Life" ist dann endgültig Schluss und obwohl Social Distortion beinahe zwei Stunden auf der Bühne standen, sind etliche Klassiker noch nicht gespielt. Ich hoffe, ihr bewegt eure faltigen Ärsche das nächste Mal etwas schneller wieder nach Deutschland. Für mich bis dato das Konzert des Jahres!