13. September 2002

"Inzwischen sind zu viele Vampire im Metal-Bereich unterwegs"

Interview geführt von

Death SS, 1977 in Pesaro Italien von Frontweirdo Steve Sylvester gegründet, veröffentlicht 1987 ihre erste Scheibe und zeigt dort schon ihren Hang zum Makabren und zu alten Horrorschinken. Auf der Bühne sind Kostüme, Schminke und andere Utensilien ein absolutes Muss. Wir befragten Steve Sylvester zu seinen seltsamen Vorlieben.

Gleich mal die wichtigste Frage vorweg. Wie kommt man darauf, sich einen selten dämlichen Namen wie Death SS zuzulegen? Noch dazu mit den Runen.

Tja, das mit dem Namen ist so eine Sache. Als ich mit der Musik angefangen habe, war ich sehr an Okkultismus und dem ganzen Kram interessiert. Da Runen eine sehr wichtige Rolle dabei spielen, verwendete ich somit auch im Schriftzug meiner Band diese Runen. Den Namen Steve Sylvester habe ich mir zugelegt, weil er eigentlich die englische Übersetzung für meinen richtigen Namen, Stefano Silvestro, ist. Die Abkürzung für den Namen In Death Of Steve Sylvester ergab sich irgendwann und da wir in den 70ern aus der Punk Rock-Szene kamen, dachten wir, dass der Name Death SS ein ziemlich cooler Punk-Name wäre. Wir haben damals nie gedacht, dass das mit dem SS unangenehm für uns werden könnte.

Da muss man sich aber schon verdammt naiv anstellen, um so zu argumentieren. Vor allem wenn die schlimmsten Verbrecher des 2. Weltkrieges dieses Runenzeichen auch noch als Erkennungsmerkmal trugen.

Ich kann durchaus verstehen, dass du so reagierst, aber als wir uns vor vielen Jahren für diesen Namen entschieden haben, dachten wir einfach nicht daran. Wir hatten damit in Italien nie Probleme und es stand auch immer außer Frage, dass sich SS nur auf meinen Namen und nicht auf irgendein Nazi-Symbol bezieht. Dass das in Deutschland anders ist, kann ich schon verstehen.

Du meinst ihr hattet nur in Deutschland Probleme damit?

Ja, vor allem mit Semaphone. Als wir in Deutschland auf Tour wollten, erzählte mir jemand, dass ein CD Laden schließen musste, weil er unsere Platte im Schaufenster hatte. Keine Ahnung, ob das stimmt oder nicht, aber wir haben dann beschlossen, den Namen in In Death Of Steve Sylvester zu ändern.

Ihr habt euer Outfit von Horror- zu Science Fiction-Styling geändert. Habt ihr das getan, um den Projektcharakter von "Humanomalies" noch weiter hervor zu heben?

Kann man so nicht sagen. Schließlich haben wir unser Outfit von CD zu CD verändert. Wir wollen uns ja nicht ständig wiederholen, auch musikalisch nicht. Der Look ist etwas moderner, genau wie die Musik. Diese Vampir- und Werwolf-Charaktere hätten hier einfach nicht gepasst. Auf "Humanomalies" geht es ja um alles, was von den "normalen" Menschen, als abnormal angesehen wird, deshalb haben wir unsere Inspiration für die Kostüme von den Freak Shows bezogen, die früher durch die Länder fuhren. Vor allem in den USA. Wir haben dem Ganze dann versucht noch einen futuristischen Style zu verpassen.

Das erklärt auch das seltsame Intro.

Ja, das haben wir uns aus einem alten Film geliehen.

Ist "Humanomalies" eine Zusammensetzung aus human, anomalies und lies?

Nein, nur human und anomalies. Wir beschäftigen uns mit allem, das nicht als konform mit unserer Gesellschaft angesehen wird. Und das nicht nur im körperlichen Aspekt sondern auch in seelischer oder mentaler Hinsicht. Alles was nicht in unsere heile Welt hinein passt und somit verdammt wird. "The Grand Guignol" handelt beispielsweise von Kunst, die von einigen Menschen als krank angesehen wird. Wir versuchen eine Welt zu finden, in der jeder ein Star sein und sich seinen Gefühlen entsprechend ausdrücken kann. So ähnlich wie Aleister Crowley das versucht hat.

Habt ihr in Italien eigentlich Ärger bei euren Konzerten mit euren Outfits?

Ja klar, jede Menge. Auch heute noch. Auf der letzten Tour mussten einige Gigs in Süditalien gecancelt werden, da einige Leute unsere Konzerte boykottierten. Vor allem die Politiker machen uns immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Wir würden die Öffentlichkeit gefährden und so ein bullshit. Das ist absoluter Quatsch, da wir alle für persönliche Freiheiten stehen und den Lehren von Aleister Crowley folgen: Tu was du willst! Alle Beschränkungen sollten aufgehoben werden, so lange diese Freiheiten nicht die eines anderen einschränken. Wir haben mit Satanismus nichts am Hut und wir sind auch keine Fanatiker.

Hast du von dem Massaker in Erfurt gehört? Der Volltrottel, der an einem Gymnasium um sich geschossen und mehrere Menschen getötet hat?

Nein, tut mir Leid, davon hab ich nichts mit bekommen.

Sobald raus kam, dass der Gehirnamputierte Bands wie Slipknot und böse Metal Bands gehört hat, waren die Medien wieder voll davon, dass man solche Bands verbieten sollte.

Ja, kann ich mir vorstellen. Das kennen wir hier in Italien auch. Letztes Jahr haben zwei Mädels ein anderes getötet und die beiden haben eben gerne Marylin Manson gehört. Sie hatten zwar auch CDs von Eros Ramazotti im Regal stehen, aber natürlich war es Manson, der sie dazu gebracht hat, einen anderen Menschen zu töten. Jedes Mal, wenn es in irgendeinem Boulevardblatt um die schrecklichen Gefahren der Rock-Musik oder um Satanismus und so nen Kram geht, fällt unser Name und unser Bild steht daneben. Meine Güte, kapiert denn keiner, dass unser Outfit und unsere Shows doch auch jede Menge Ironie beinhalten? Ein Darsteller in Horrorfilmen wird doch auch nicht gleich als Psychopath abgestempelt. Wir nehmen doch auch nur eine Rolle an. Wir sind einfach Fans dieser alten Hammer Production Filme.

Siehst du dich selber also in einer Reihe mit Entertainern wie Alice Cooper oder King Diamond?

Ja, schon irgendwie, mit dem King haben wir sogar schon zusammen gespielt. Alice Cooper hab ich leider noch nie persönlich getroffen, aber er ist eines meiner großen Idole.

Musikalisch oder eher was das Entertainment angeht?

Eher letzteres. Musikalisch habe ich Alice Cooper sehr in den 70ern bewundert, aber dann konnte ich seiner Musik nicht mehr so viel abgewinnen. Unsere Scheibe ist ja ein ganzes Stück aggressiver als alles, was Cooper je gemacht hat, und auch als unsere anderen Scheiben. Wir wollten damit die Stimmung der Platte besser verdeutlichen.

Habt ihr eigentlich je daran gedacht, nach Amerika umzusiedeln? Schließlich sind die Amis ja ganz scharf auf so große Entertainment Shows, wie sie Alice Cooper und Rob Zombie gerne bringen. Rammstein sieht man da drüben ja auch gerne brennen.

Wir haben ja "Humanomalies" und auch "Panic" in den Staaten mit Neil Kernon aufgenommen. Dieses Mal waren wir in L.A., und ich muss sagen, auf Dauer wollte ich da nicht leben. Die technischen Dinge im Studio waren perfekt, aber im Gegensatz zu England, wo wir auch schon aufgenommen haben, ist die Stimmung natürlich eine ganz andere. Wir haben das Düstere in England sehr genossen. In den USA ist alles nur groß und verlogen freundlich. Die Atmosphäre in L.A. war nicht unbedingt förderlich, zum Glück war das Album schon fertig komponiert.

Hast schon von der Church Of Satan in Kalifornien gehört? So weit ich weiß ist King Diamond da auch Mitglied ...

Ja, die basiert auf den Lehren von Anthony Lavey. Als Person war dieser Mann sehr interessant, der Kirche selber würde ich mich aber nicht anschließen, ist nicht men Ding. Ich bevorzuge es, meine eigene Interpretation zu entwerfen, egal von welcher spirituellen Sache. Ich verbinde vielleicht einige Einflüsse, letztendlich muss das aber für mich stimmen und Sinn ergeben. Das tun irgendwelche Dogmen doch eher selten. Meine Religion, wenn man es überhaupt als Religion bezeichnen kann, ist: Tu was du willst.

Früher hast du bei Live-Auftritten die Rolle des Vampirs gespielt.

Ja früher, aber inzwischen sind einfach zu viele Vampire im Metal-Bereich unterwegs, haha. Schau dir nur die ganzen Black Metal-Bands an, da verkauft sich jeder zweite als Vampir, als Graf Vlad, als Dracula oder als wer auch immer.

Was ist denn dein Lieblings Vampir Streifen?

Ich vergöttere die alten Christopher Lee Filme. Christopher Lee ist der ultimative Dracula. Die neueren Filme wie "Interview" und "Dracula" finde ich von der Idee gut, aber vom Resultat bin ich nicht so überzeugt. Sie vermitteln mir einfach nicht diese Atmosphäre, die ich bei den alten Hammer Produktionen hatte. Die waren zwar wesentlich billiger und manchmal unfreiwillig komisch, aber die Stimmung war einfach toll.

Hast du "Queen Of The Damned" gesehen?

Der war ja dermaßen beschissen, da fehlen mir echt die Worte. Die Bücher waren wirklich genial, aber die Verfilmung ging voll in die Hose.

Dabei war der erste Film wirklich gut. Obwohl ich Tom Cruise vor diesem Film gehasst habe. Aber dieser zynische, sadistische Drecksack, den er da spielt, war mir sofort sympathisch.

Ja, absolut. Ging mir wirklich genau so. Er hat diese Rolle wirklich toll dargestellt und vor allem ziemlich nahe am Buch Charakter. Wer mir hingegen gar nicht gefallen hat, war Antonio Banderas als Armand.

Weiß nicht, irgendwie hatten doch alle diese latent homosexuellen Anwandlungen. Das kam im Buch doch ähnlich rüber.

Find ich eigentlich nicht, aber wenn du meinst. Ist auch schon länger her, dass ich die Vampir-Chroniken von Anne Rice gelesen habe. Es sind aber auch immer noch eher B-Movies, die mich begeistern. Als ich mich 1977 für den Vampir-Charakter entschieden habe, hatte ich so etwas wie eine Mischung aus Christopher Lee und dem Auftreten der Band Sweet im Kopf. Ich war ein großer Fan der Band. Damals war das echt noch was Ausgefallenes. Heute ist das ja schon beinahe ein alter Hut.

Könnt ihr eigentlich schon von eurer Mucke Leben?

Ja, schon irgendwie, aber ich bin ja nicht nur als Sänger unterwegs, sondern auch als Produzent, dann hab ich mein eigenes Label usw. Von daher klappt das schon einigermaßen. Aber als Rockstars mit dicken Autos und so nem Kram, kannst du uns wirklich nicht bezeichnen. Wir sind zwar wirklich stolz auf unser Album und erwarten uns auch schon einiges davon, aber deswegen stehen wir trotzdem noch alle auf dem Boden der Tatsachen.

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