laut.de-Kritik
Der kleine Hobbit zu Gast in Konstanz.
Review von Oliver LambrechtTurbonegro einmal ausgenommen erwecken Skandinavier von außen meist den Eindruck, sie seien putzige Bewohner des Auenlandes. Verdingen sich manche von diesen noch als Singer/Songwriter, erscheint das Bild perfekt. Kleine Hobbits für den tristen Alltag. Schön, dass es sie gibt. Das gilt auch für den Faröer Teitur. Betritt der Mann den Raum, möchte man ihn fragen, wo sich denn die anderen Gefährten gerade aufhalten.
Der Kulturladen zu Konstanz öffnete am vergangenen Samstag früher als an anderen Konzertabenden seine Tore. Kaum baumelten die mit Buttons verzierten Jacken am Haken, stand Phil Vetter schon auf der Bühne und spielte den Einheizer. Ebenso wie der Mensch, auf den alle warteten, liegt der Fokus des Musikus aus München ein wenig neben dem Alltäglichen. Da darf es auch mal ein schmerzvolles Liebesdrama in drei Akten sein. Von zwei Fliegen, wohlgemerkt. Ein weiteres Highlight, das die Zuschauer allerdings auch nicht vor die Bühne locken konnte, handelte von dem Wunsch eines Musikstudenten "Hauptfach Klarinette", XZibit möge doch bitte auf einen Besuch vorbeischauen. Einmal mehr ohne gepimptes Vehikel zog der Mann mit der Gitarre von dannen, während die letzten zahlenden Gäste die Räumlichkeiten betraten.
Nach Umbaupause, ohne größeres Instrumenterücken, erschien ein dezent angebrüteter Teitur Lassen ebenfalls mit Gitarre und nahm Platz auf einem Barhocker. Doch bevor er das Konzert begann, forderte er das Publikum energisch auf sich dem Bühnenrand zu nähern. Gesagt, getan. Kurze Zeit später folgten auch der Mann am Bass und der Kollege am Schlagzeug, wodurch im Weiteren der intensiven Melancholie ein mächtigeres Klangbett bereitet wurde. Mit seiner Setlist, die er jeden Abend ändert, nahm der Neu-Londoner die Anhänger auf eine Reise von leisen akustischen Kleinoden hin zu den lauteren Gitarrenliedern. Zwischendurch wechselte er auch mal hinter das Klavier.
Neben den neuen Stücken des aktuellen Albums "Stay Under The Stars" verzückte der schüchterne Skandinavier auch mit den Liedern seines Debüts "Poetry And Aeroplanes". Das verträumte "I Was Just Thinking" oder das Erinnerungsstrotzende "Josephine" rührten teils zu Tränen, teils zu andächtigem Starren in Richtung Bühne. Zwischendurch richtete der Sänger immer mal ein paar Worte an das Publikum. Genauer betrachtet, stieg die Redseligkeit Teiturs mit dem Grad der Ausnüchterung. Kompensiert nur, durch den Rausch, in den er sich mit sämtlichen seiner Songs spielte. Er kündigte sein Lied an, das er - "so tragisch oder komisch es klingen mag" - seit 13 Jahren zu spielen pflegt, erzählte von Inhalten und seinen Konzepten (beispielsweise das Kompilieren sämtlicher Lieder von einsamen Ich-Erzählern auf eine CD, damit keiner alleine ist). Teitur ging auch näher auf sein "Great Balls Of Fire"-Cover ein, das ursprünglich nur einmalig aufgeführt werden sollte, nun aber sogar in Streicher-Version auf seinem Zweitwerk vorliegt.
Mit der Tarantino-Version dieses Liedes endete der Abend auch ziemlich abrupt nach nur einer Zugabe. Die monatliche Diskoveranstaltung schien wohl dringlicher. Dank der eintrudelnden Besucher steig der Geräuschpegel allerdings schon im letzten Konzertdrittel auf ein Niveau, das an der Konzertatmosphäre zu nagen begann. So stand der kleine Hobbit mit dem Knautschgesicht kurz nach dem mit begeisterten Applaus bedachten Abgang, neben seinem Merchartikelstand für Autogramme oder aufmunternde Zeilen bereit. Wer braucht schon Ringe, wenn es Abende wie diesen gibt?!