laut.de-Kritik
Damon erobert das totgeglaubte Britpop-Herz.
Review von Jasmin Lütz2007, das Jahr der Wiederauferstehung. Eben noch den Pulp-Heiligen Jarvis Cocker bei seinen Tanzeinlagen zugeschaut, glotze ich nun einem weiteren ehemaligen Britpop-König frontal in die blauen Augen. Damon Albarn (Blur, Gorillaz) erweist sich mit seinem neuen Projekt "The Good, The Bad and The Queen" in der Kölner Kulturkirche die Ehre. Das Gotteshaus ist der perfekte Ort für den coolen englischen Popsound - abgesehen davon, dass sich in den vorderen Reihen die Fotografen mit den Fans recht unchristlich um die besten Plätze fast prügeln.
"Irgendwie surreal", meint Damon, und so fühlt es sich auch an. Mit der schwarzen Melone, dem irren Blick im immer noch irgendwie kindlichen Gesicht (Okay, ich stand ein paar Meter entfernt, die ein oder andere Falte wird der Gute im Lauf der Jahren bekommen haben) sieht er aus wie einst aus dem Blur-Video "The Universal" entsprungen, einer Hommage an Kubricks "Clockwork Orange". Auch bei Damon scheint das Altern keine Rolle zu spielen. Sein spitzbübisches Grinsen erobert sofort das tot geglaubte Britpop-Herz, und wenn ein Engländer dann noch in gebrochenem Deutsch zum entzückten Publikum spricht, spielen die Fürsorge-Hormone endgültig verrückt, und man möchte nur noch Geliebte und Mutti von Damon Albarn sein.
Das knapp einstündige Konzert in einer ungewöhnlichen Umgebung sorgt ebenfalls für ausreichend, phantasievolle Eindrücke. "The Good, The Bad & The Queen" sehen wie die Protagonisten einer "Oliver Twist"-Verfilmung aus. Und den Soundtrack liefern sie mit zwölf Titeln gleich mit. Ein düster-erfrischender Mix aus Pop, Rock, Dub, Reggae und Afrobeat. Damons Stimme klingt nachhaltig klar und intensiv. Ebenso sein Pianospiel sowie die geliebte Ein-Mann-Melodika-Symphonie. Ein akustischer Höhepunkt ist dieses handliche Blasklavier allemal, schließlich verhalf es schon auf dem Blur-Klassiker "13" zu emotionswirren Hymnen.
Vor Damon sollte man den Hut ziehen. Versinkt der Britpop-Held doch nicht in eine Nostalgie-Lethargie. Durch vielseitigen Projekte beweist er vielmehr, dass es ein Leben nach Britpop gibt. Und ja, eigentlich ist er gar nicht mehr der arrogante Besserwisser. Solche Vorwürfe musste er sich damals gefallen lassen, der Sänger und Songschreiber, der eigentlich viel kann, aber im Grunde genommen auch alles nicht so richtig. Heute sieht man einen Ehrgeizling, der jedem Gallagher-Hirni ordentlich den Arsch versohlen könnte. Sei es mit der animierten Tanzdisko Gorillaz oder dem Projekt The Good, The Bad & The Queen, bei dem er eine stattliche Musiker-Kaliber um sich vereint.
Unfassbar. Da wäre der längst verschollen geglaubte Basser Paul Simonon von The Clash, der immer noch das Haus rockt und fidel über den Altar hüpft. Am Schlagzeug sitzt Afrobeat-King Tony Allen, von dem Brian Eno sagt, dass er zu den wichtigsten Musikern der letzten fünfzig Jahre gehört und an der Gitarre steht Simon Tong von The Verve. Namenhafter und weltoffener geht es schwerlich. Letztendlich hört sich aber alles doch wieder very british an - trotz gemeinsamer Weltmusiktrips nach Afrika.
Die Botschaften der Texte richtig zu deuten, ist etwas schwierig. Nach wie vor klingen sie traurig und wir hören keine wirklichen Gassenhauer zum Mitklatschen. London ist das Hauptthema, und in dieser Stadt kannst du dich immer wieder neu erfinden, behauptet Albarn zumindest. Ähnlich geheimnisvoll klingen seine Melodien - das machte ja schon immer den Reiz seiner Musik aus. Je häufiger man dem Liedgut zuhört, umso vertraulicher klingt es. Nach diesem klangvollen Ereignis tritt man selig aus der Kirche und die nachdenklichen Popkompositionen bleiben einem vielleicht noch bis in alle Ewigkeit im Ohr!