Hiesigen Hip Hops umtriebigster Cartoonist zeichnet die größten Ehrenmänner, die krassesten Blender und die epischsten Beefs.

München (dani) - Eine Zeitlang gab es kaum ein Rapmedium, das sich nicht mit Karikaturen von Graphizzle Novizzle schmückte. Es fand sich einfach kein anderer Zeichner, der derart pointiert die Absurditäten der einheimischen Rapszene in Bilder packte. Diverse Künstler fanden das offenbar gut und engagierten ihn für die Gestaltung ihrer Coverartworks. In den meisten Fällen lieferte das sogar greifbare Resultate.

Trotzdem wurde es dann bedenklich ruhig um den Mann mit der spitzen Feder. Musste man sich Sorgen machen? Hat er den Bogen überspannt? Ist einem der Humorloseren unter den Karikierten versehentlich ein Amboss auf Graphizzles begnadete Hände gefallen? Nun, der zwischenzeitlich Verschollene hält sich traditionell bedeckt. Wir wissen es also (noch) nicht. Was wir hingegen wissen: Ja, er lebt noch. Ende März erschien "Das Deutschrap-Cartoonmassaker" (riva Verlag, Paperback, 176 Seiten, 14,99 Euro). Darin versammelt: nicht nur die besten Cartoons, die Graphizzle Novizzle über die Jahre im (damals noch existenten) Magazin Juice veröffentlichte, sondern auch - hurra! - neue Arbeiten.

"Rapper haben Angst vor diesem Buch"

Die Warnung auf dem Umschlag erscheint nicht aus der Luft gegriffen: "Rapper haben Angst vor diesem Buch." Mit vollem Recht haben sie die. Die Vertreter*innen der Rapjournaille kommen allerdings meist nicht viel besser weg. Das beginnt schon bei der Vorstellung der Bewohner des Deutschrap-Dorfs im klassischen Asterix-Style: Wahnsinnig viel Szenekenntnis gehört nicht dazu, um "Kriecherix" und "Großspurix" ihren Reallife-Vorlagen zuzuordnen. Auch die (teils Ex-)Kollegen Oliver Marquart, Toxik Kargoll oder TV Strassensounds Davud lässt Graphizzle wenig schmeichelhaft dastehen.

Danke, Fler!

Auch, wenn manch einer davon es gerne anders hätte, bleiben das doch nur Randfiguren. Das zentrale Augenmerk liegt (wie es in der Hip Hop-Berichterstattung ja eigentlich sein sollte) auf den Rappern. Graphizzle nimmt sie alle ins Visier, von Azad, Bushido und Capital Bra über Haftbefehl, Loredana, Kollegah und "Reimtechnix" Kool Savas zu SSIO und Ufo361, außerdem immer und immer wieder Fler, dem er in den Danksagungen ein Extra-Shoutout widmet. Ein ergiebigeres Motiv findet sich so schnell wahrscheinlich nicht mehr.

Voller Liebe

Außerdem bannt Graphizzle Novizzle Trends und Entwicklungen im Deutschrap in Cartoons, die einem die Absurdität von Mechanismen wie "Beef", "Hype", "Promophase" oder das überstrapazierte Konzept "Deluxebox" fingerdick aufs Brot schmieren. Es ist schon ein komisches Genre, an das wir da unser Herz verloren haben. Es schmerzt zuweilen, aber man kann auch einfach nicht wegschauen. Dem Zeichner geht es offenbar ähnlich - mit beidem, dem Nicht-wegschauen-Können wie dem Herz-verloren-Haben. Um Hip Hop und seine Auswüchse derart genau darzustellen, muss man den Scheiß wirklich aus tiefster Seele lieben.

Genau deswegen bietet dieses Buch allen, die dieses Faible teilen, beste Unterhaltung. Dass die enthaltenen Cartoons sichtlich aus mehreren Jahren stammen, macht nix, sondern frischt, ganz im Gegenteil, manche schon halb verschüttete Erinnerung auf. Flers "episches Interview" (detailgenau mit Sentinos Blumenhandtäschchen im Hintergrund), die Laufbahn des Yung Hurn in Bildern oder (besonders süß) Manuellsen beim Klassentreffen ... das kann man sich auch Jahre später noch geben:

Roter Faden? Nö.

Die Zusammenstellung und Reihenfolge erscheint, wenn auch in thematische Kapitel wie "Old Heads vs. New School", "Von Dada-Rap und Autotune" oder "Alternative Ansichten" untergliedert, halbwegs wirr. Auf ein wahlloses Gehüpfe durch Zeiten und Themen ohne besonders gut erkennbaren roten Faden muss man sich schon einlassen, wenn man an diesem Buch seine Freude haben will. Es trägt aber eben nicht ohne Grund ein "Massaker" im Titel.

Zu guter Letzt gestattet Graphizzle Novizzle noch einen kurzen Einblick in seine Fanpost. Man kann nur ahnen, dass diese Auszüge wahrscheinlich nicht einmal die Spitze eines Eis-Hochgebirgsmassivs abbilden. Dem letzten zitierten Leserbrief möchte ich teils widersprechen, und ihn teils unterschreiben. "DAS WARS JUNGE", empört sich da jemand in aufgeregten Majuskeln. "WIR FINDEN DICH ! AUF BALKD !!" (Sic.) Nö, das wars noch nicht - aber: Ja, wir finden dich: Graphizzle Novizzle will return. Demnächst in diesem Theater, mit einem weiteren gezeichneten Interview. Freut euch drauf, ich tus auch.

Graphizzle Novizzle - "Das Deutschrap-Cartoonmassaker"*

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Fler

Fler,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Fler,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Fler,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Fler,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Fler,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Fler,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig)

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