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Morgen Indianer?

Sich selbst treu bleiben: Zu dem Thema wiederum fällt mir Sido überhaupt nicht mehr ein. Als Kiffer, Straßenjunge, Bürgerschreck, Ostdeutscher, Familienvater ist er schon gegangen, jetzt zieht er sich ein neues Kostüm an: "Ich bin ein Zigeuner", rechnet er sich urplötzlich schon wieder einer anderen Randgruppe zu. Zu der scheint er außer den familiären Wurzeln seiner Mutter allerdings keine Berührungspunkte zu haben. Zumindest fällt dem, der auf einmal "ein Sinti von Kopf bis Fuß" sein will, nicht viel mehr zum Thema ein als die Klischees, die ohnehin schon kursieren.

Cesar, Gastkommentator bei rap.de, "gebürtiger Berliner und halb Zi-Zi-Zigeuner – wie Sido", findet das weder lustig noch authentisch, sondern, ganz im Gegenteil, peinlich und fahrlässig: "Auch wenn es schön ist, dass sich Paul quasi outet und durch die Abstammung seiner Mutter sogar tatsächlich ein Zigeuner ist, glaube ich nicht, dass dieses Statement zeitgemäß oder authentisch ist und irgendjemandem eine filterlose Sicht auf uns Zigeuner verschafft. Kurze Zusammenfassung von Sidos Sicht: Zigeuner tanzen gerne, haben keine Vernunft, beachten keine Gesetze, klauen. Wow."

"Sido versucht es seit Jahren mit dem gleichen Konzept", so Cesar weiter. "Er schreibt und verpackt einen Track so, dass sich einige damit identifizieren können und die anderen sich aufregen, um so in logischer Konsequenz einiges an Staub aufzuwirbeln. Diesmal spricht er aber ein heikles Thema an. Dass er es anspricht ist nicht das Problem, sondern dass er Deutschland, einem Land das Zigeuner nur als Bettler, Müllkramer, Menschenhändler und Straßenmusiker kennt, genau diese Klischees als Realität verkauft und das verfälschte Bild fixiert."

Sein Fazit: "Bitte verschone uns, falls du morgen vorhattest, dir ein mystisches Wolfs T-shirt vom Rummel zukaufen und dir Traumfänger an deinen Rückspiegel zu hängen, weil du dich plötzlich ganz gut mit Indianern identifizieren kannst. Kulturelle Klischees aus der Mottenkiste braucht echt niemand." Ein weiteres Sido-Album bräuchte ich persönlich jetzt zwar auch nicht mehr. Es kommt aber trotzdem: "Das Goldene Album" erscheint am 18. November.

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Lil Yachty geht als Brokkoli, Sido als Zigeuner. Die Welt erklärt den Rapper-Krieg, GQ den Cloud-Rap. Alles möglich, denn: Hip Hop ist keine Musik.

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