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Pimmelparade bei Rock am Ring

Es ist ja in der gegenwärtigen Situation nicht angebracht, sich über in der Kulturbranche tätige Menschen zu mokieren. Jeder muss nach diesem Katastrophenjahr sehen wo er bleibt, die Saison muss schnellstens wieder anlaufen, verlorene Umsätze wettgemacht werden. Alles klar und verständlich. Aber ein Blick auf das Rock Am Ring-Plakat 2022 zeigt dann halt doch den äußerst beklagenswerten Zustand der Kompatibilität von deutschem Rock-Festival auf der einen und Diversität auf der anderen Seite. Zeit genug, über manche Dinge einmal grundsätzlich nachzudenken, bot dieses grausame 2020 jedenfalls ausreichend.

Gendergerechtigkeit, wie immer man diesen Begriff definieren mag, war aus der ersten Ring-Bandwelle im Mai nicht im Entferntesten abzulesen: 25 Bands, zwei davon mit einer Musikerin im Bandgefüge (Broilers und The Distillers). Mittlerweile sind 54 Acts angekündigt und hey, die Zahl an Bands mit weiblicher Beteiligung hat sich mehr als verdoppelt. Jetzt sind es insgesamt sieben: Spiritbox, Skynd, Maneskin (ja, die vom ESC) und 100 gecs nämlich. Mit Donna Missal ist sogar eine Frau dabei, die es wagt, ohne einen Mann die Bühne zu betreten.

Nun könnte man ja sagen, Rock und Metal, wen wundert es, da ist die Geschlechterverteilung halt seit Jahrzehnten ungleich und die Zahl der musizierenden Männer überwiegt. Aber wie sehr ist Rock Am Ring überhaupt noch seinem Namen verpflichtet, wenn für kommendes Jahr beispielsweise auch Scooter und Ssio im Line Up stehen? Oder Trettmann? Wenn sowieso alle Genres bei Rock Am Ring/Rock Im Park erlaubt sind, könnte man dann als Booking-Verantwortlicher (hier brauche ich ja wahrscheinlich nicht gendern) nicht wenigstens den Anschein erwecken, das Thema Gendergerechtigkeit auf dem Schirm zu haben, wie es in den vergangenen Jahren bei ähnlich gearteter Kritik von Veranstalterseite sofort wie aus der Pistole geschossen kam? Nun, die Kritik am Line-Up 2022 auf den Social-Media-Kanälen des Festivals blieb jedenfalls nicht aus.

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7 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Och, ich weiß nicht. Klar, "die Zahl der musizierenden Männer überwiegt" in Rock und Metal, aber mir fielen da aus dem Stand mindestens 40-50 sehr spannende Acts aus unterschiedlichsten Subgenres ein, weswegen ich Scooter oder SSIO bzw. die Verpflichtung durch den Namen gar nicht so sehr gewichten würde.

    Einzig man müsste sich als Veranstalter eben etwas trauen, was bei dem Publikum und nach mindestens zwei Jahren ohne Festivalsommer möglicherweise etwas viel verlangt ist, andererseits aber wohl selbst ohne die Pandemiesituation nicht viel anders aussähe.

  • Vor 3 Jahren

    Sorry, aber so ein Schwachsinn, hier dem Veranstalter irgendwas vorzuwerfen. Wenn Lady Gaga oder Madonna Bock auf RaR hätten, meint ihr der Veranstalter würde nö sagen?

  • Vor 3 Jahren

    Bei fast jedem Interview mit einem Rock Musiker .."Warum hast du angefangen Gitarre etc. zu spielen?"; " um an die Girls ran zu kommen" . Da Männer ja gern mal das Pfauenrad aufstellen, könnte das die unglaubliche Übermännerung im Rock erklären.

  • Vor 3 Jahren

    Alter, ist das ein beschissenes Lineup. Holy moly, das sieht ja aus wie das Lineup vom Hurricane 2005....also somit ungefähr so wie das aktuelle Hurricane Lineup.

    • Vor 3 Jahren

      Jepp. Zahnlose Giganten. Höchstens gut, wenn man live eine ehemalige Riesenband nachholen will, die man in der Jugend verpaßt hat. Scheiß auf große Festivals.

  • Vor 3 Jahren

    Kritik ist schon angemessen. Allgemein wirkt das Line-Up sehr uninspiriert.

    Aber dahinter steht natürlich auch ein Dilemma, welches bereits angesprochen wurde: Sicher, gibt es viele Bands mit primär weiblicher Besetzung, aber sind die ein Draw an der Ticket-Kasse, um auch ein Headliner zu sein? Mir würden auf Anhieb ein paar gute Bands einfallen (Savages, CocoRosie, The Bangles), wobei diese seit Jahren existieren und ein kommerzieller Durchbruch eher nicht stattfand. Vor allem wirkt die Pandemie-Zeit nicht wie gemacht für solche Experimente. Auf der anderen Seite: Klar, wenn man den besagten Bands ohnehin keine Bühne gibt, wird es auch nichts mit der Bekanntheit.

    Erschwerend hinzu kommt, dass viele der weiblichen Top-Stars der heutigen Zeit millionenschwere Popsängerinnen oder Rapperinnen sind. Würden die ins Line-Up passen? Kann sich der Veranstalter das leisten von der Gage? Ich erinnere mich vage an einen Fall, wo Justin Bieber auf einem Festival auftrat und dessen weibliche Fans halt nur für ihn kamen und am Ende die Arena ziemlich leer war. Solche Szenarien können vielleicht auch eintreffen, wenn man das Line-Up mit Namen wie Taylor Swift oder Ariana Grande füllt. Jetzt rein spekulativ.

    Man hat ja bis nächstes Jahr Zeit, sich über dieses Thema Gedanken zu machen. Dann

    • Vor 3 Jahren

      Ist halt die falsche Stelle, sich zu beschweren. Rock am Ring, Hurricane usw. buchen große Namen. Alles, was bereits bekannt ist und möglichst viele Menschen zieht. Da das ganze ein enorm uninspiriertes, herzloses, erfolgsorientiertes Unternehmen ist, würde es aus pragmatischen Gründen sofort eine weibliche Rockband buchen, die das Gelände voll macht.

      Wenn da kaum welche infrage kommen, haben sich "weiter unten" in den kleineren Hallen und über Social Media einfach zu wenige durchgesetzt. "Wir brauchen mehr Frauen in der Rockmusik!!!" ist ja schön und gut. Aber wenn zu wenige Bock haben, es selbst zu versuchen oder wenigstens deren Musik zu hören, kanns kaum was werden. Es scheitern ja schon 95% der Pimmelkapellen, und die haben nicht mal einen Besonderheitsbonus.

      Und: Rock ist kaum mehr gefragt, wie an anderer Stelle schon bemerkt wurde.

    • Vor 3 Jahren

      Das ist korrekt. Rock ist im wesentlichen auch ein sterbendes Genre, dem es momentan massiv an Inspiration und Innovation mangelt. So ziemlich alles, was hochkommt ist auch ein Zitat auf ältere Bands, gezwungenermaßen weil das Genre ja auch so viel Material in dieser langen Zeit hervorgebracht hat.

      Die Hörer selbst sind sich in ihrer Bubble ziemlich sicher, dass das nicht der Fall sei, aber wenn man sich mal anschaut, wie die Bands kleinerer Festivals sonst performen und man einen Blick darauf wirft, dass die Charts im Rockbereich nur von alten Bands getragen werden, ist die Prognose auch ziemlich ernüchternd.

      Wenn man ganz fies ist, könnte man ja auch behaupten, die Feministinnen würden sich dem Genre anbieten, weil man durch sein offensichtliches Sterben eine weitere Grundlage hat, sich über irgendwelche strukturellen und systematischen Bedingungen beschweren zu können.

  • Vor 3 Jahren

    Green Day, Muse und Volbeat als Headliner. Das Line-up ist wirklich im Jahr 2005 hängengeblieben.