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Cigarettes After Sex: Live in Zürich

Dem Geheimtippstatus längst entwachsen sind Cigarettes After Sex. Aber es ist dann doch irgendwie unwirklich, wenn man zu einer Konzert-Location kommt, die über 3.500 Leute fasst und wo normalerweise Acts mit offensichtlicher Breitenwirkung aufschlagen wie Alvaro Soler oder Porcupine Tree. Bin ich hier richtig für eine Band mit zurückgenommenem Sound voller Melancholie und Weltschmerz, die auf der Bühne wie angewurzelt steht und nicht mal zum Mitklatschen animiert? Oh ja, denn im Gegenteil zu Dreampop-Bands wie Slowdive oder Beach House trafen die Texaner in den letzten Jahren offenbar bei vielen Jugendlichen einen Nerv. 110 Millionen Youtube-Aufrufe von "Nothing's Gonna Hurt You Baby" alleine machen noch keinen TikTok-Hype, aber wenn doch, sieht es in etwa so aus wie letzte Woche, wo der Großteil des Schweizer Publikums noch zu jung für Konzerte war, als CAS vor vier Jahren zum letzten Mal vorbeischauten.

Erwartungsgemäß stylish geraten schon die Pre-Show-Visuals vor Konzertbeginn, die Slo-Mo-Videos einzelner Velvet Underground-Mitglieder Ende der 60er Jahre zeigen und damit schön auf das nun folgende Mantra der Langsamkeit hinwirken. Kaum betritt das Trio die Bühne sind Greg Gonzalez und seine zwei Kollegen tausendfach zu sehen, einmal in echt und dann auf sämtlichen Handyscreens, die vor einem in die Luft gehoben werden. Ziemlich schnell ist klar, wie wichtig hier der konservierte Moment ist, die ungläubige Freude darüber, diese Hymnen nun so richtig in echt von echten Menschen vorgespielt zu bekommen. Diese Rezeption zu erzeugen ist alleine schon eine Kunst für sich, denn Gonzalez ist kein Superstar, auch wenn seine seltenen Ausflüge an den Bühnenrand entsprechend bejubelt werden. Der Drang, den Anfang von einem ihrer Hits aufzuzeichnen, führt zu einer Mobile-Screen-Hysterie, die ich so nicht mal bei den Arctic Monkeys erlebt habe.

Seltsamerweise setzen Cigarettes After Sex kaum Visuals ein, Nebelmaschine und Lichtkegel verrichten den Hauptjob, um die Masse bei Laune zu halten. Und die ist wie gesagt sowieso indoktriniert und wartet auf den richtigen Augenblick, namentlich "Sweet", "K." oder "Heavenly". Mit "Apocalypse" beenden sie den Abend, die Zeile "Your lips, my lips, apocalypse" lässt kurzzeitig den Raum eruptieren. So gerne man diese Songs auch mal in kleinerem Ambiente gehört hätte, ist es doch fast schon magisch mitzuerleben, dass introvertierter Shoegaze-Indie noch solch emotionale Reaktionen hervorrufen kann.

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