laut.de-Kritik

Gehört in jede Rap-Playlist.

Review von

1999 im Blitz-Record-Store in Kiel City: Während der Plattenteller rotiert, bricht sich die Enttäuschung Bahn wie Fußballfans beim Auswärtsspiel. Wo ist der Wu auf "Immobilarity", Raekwons so heiß ersehnter Nachfolger des besten Rap-Albums aller Zeiten? Der poppig-popelige Puffy-Sound auf dem Werk verwirrt und verärgert die Heads. Doch dann taucht er auf, einer der schönsten und tiefsten Songs, die jemals aus Staten Island rüber in den Big Apple jetteten: "The Table". Das asiatisch-anmutende Sample transportiert die ganze Tiefe und Melancholie der Shaolin-Emcees, während Masta Killa mit perfekt passendem Slow Flow die Bedeutung des Clans für immer auf eine Papyrusrolle schreibt.

Zurück in der Zukunft wie Biff Tannen tropft eine Glücksträne auf das Dinkelbrot, als Apollo Brown für "Wizadry" ein fast identisch anmutendes, synthetisches Flöten-Sample auspackt, das jene sehnsüchtige Nachdenklichkeit kongenial adaptiert, während Planet Asia mit ähnlich kräftiger, aber angenehmer Stimme seine Bedeutung ans Rap-Firmament schreibt. Die Erinnerungen lassen die Synapsen vibrieren. Detroits Apollo Brown verfeinert den Track jedoch noch mit spährischen Chören, die sich wie ein roter Faden durch "Sardines" ziehen und in vielen Songs auftauchen. Doch kurz zurück zum Wu.

Der Clan ist omnipräsent, ohne dass Asia oder Apolle biten. Vielmehr zitiert und hebt ihn das Duo ins Jahr 2023. So kommt der Opener mit chinesischen Geistersounds und einem gechoppten Rae-Reim in der Hook: "No question, I would flow off, and try to get the dough" vom "C.R.E.A.M."-Klassiker. Italienische Mobster- und Cuban Linx-Anspielungen folgen. Planet Asia aus Fresno bildete Anfang der 2000er eine Speerspitze des kalifornischen Underground, der im Schatten des G-Funk prächtig gedieh und zusammen mit den Rawkus-Rappern Rucksäcke voller Ruhm in der Szene erntete. Asias Liebe zum Wu mündete 2019 gar in ein "Planet Wu"-Projekt.

Zwei Jahre zuvor hatte es schon das erste Albumprojekt von Planet Asia und Apollo Brown gegeben. "Anchovis" begeisterte B-Boys und -Girls mit 'drumless'-Beats, Rza-Loops und viel Old-Soul – und genau dort setzt "Sardines" an. Oder wie es Planet Asia rappt: "Uh, slick talk, one-takes, the drumless versions / My new juju". Findet The Alchemist die weirden Samples und hat DJ Muggs immer ganz Filme vor Augen, ist Apollo der King of drumless Boom Bap.

In "Stones" geht mit 60er-Jahre-Schnipseln und Streichern die Sonne auf, während sich Planet Asia konterkarierend den Problemen des afroamerikanischen Individuums mit dem modernen Kapitalismus widmet. "Fly Anamolies" und "Jungle Juice" könnten aus dem Playbook des Wu-Tang Clans stammen, verrückt bis gefährliche Fünf-Prozent-Texte inklusive ("Devils on my Jimmy" als Synonym für Weiße, die im bildlich oder wortwörtlich den Pimmel lutschen oder "Labelexecutives a bunch Aleister Crowleys" als Gleichsetzung der weißen Plattenbosse mit Satans Finest). Es ist kein Wunder, dass Brown ausgerechnet Ghostface "Supreme Clientele" in seinen Top Five aufzählt. Der Vibe ist der gleiche.

Absoluter Highlight-Track auf einem stabil hohem Niveau ist "Peas & Onions". Die Einbindung des Vocal-Samples in Strophen und Chorus, die wieder einmal exzellente Rhythmik trotz des fehlenden Beat-Unterbaus und Planet Asias Einblick in seine Realität, dieses Mal ohne jene Farrakhan-Plattitüden, gehören in jede Rap-Playlist. Teil drei muss kommen.

Trackliste

  1. 1. Bird Food
  2. 2. Get The Dough Off
  3. 3. Panama Sun (feat. Marv Won)
  4. 4. Stones
  5. 5. Fly Anomalies
  6. 6. Wizardry (feat. TriState)
  7. 7. Jungle Juice
  8. 8. Wide Awake
  9. 9. Acid Rain (feat. Sick Jacken)
  10. 10. Peas & Onions
  11. 11. Broad Dayin'
  12. 12. '88 S-Curl (feat. Ty Farris)
  13. 13. Bazookas
  14. 14. Can You Believe It

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