Porträt

laut.de-Biographie

Bligg

Kein Schwein interessiert sich für Mundart-Rap, als Marco Bliggenstorfer, Jahrgang 1977, im Alter von sechzehn, siebzehn Jahren die ersten Freestyles in seiner Muttersprache kickt. Anfangs empfindet er es selbst als Scherz, doch die Sache zieht Kreise. Bligg räumt bei diversen eidgenössischen Freestyle-Battles ab und feiert erste Erfolge in der auch in der beschaulichen Schweiz wachsenden Hip Hop-Szene. Auf der EP "Zürislang Freistiil", die 1995 in kleiner Auflage erscheint und zu einem Schweizer Rap-Klassiker werden soll, werden Bliggs Reime erstmals auf einen Tonträger gebannt.

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In Rapper und Produzent Lexx, mit dem Bligg auf dem Sampler "Chocolate, Cheese & Sounds" gemeinsam an den Start geht, findet er ein passendes Gegenstück. 1999 veröffentlichen die beiden unter dem nicht allzu weit hergeholten Namen Bligg'n'Lexx die erste Single "Schnitzeljagd". Bereits hier entstehen die Cuts und Scratches unter den Händen DJ Cutmandos, der fortan als Dritter im Bunde hinter den Plattentellern steht. Die Bligg'n'Lexx-Tour führt das Trio quer durch die Schweiz, durch kleine und größere Clubs bis auf die Bühnen von Festivals und Open Airs.

Man hat also bereits von den Herren gehört, als im Jahr 2000 ihr Debüt-Album erscheint. "Nahdisnah" erfährt von Fans wie der Fachpresse überwältigende Resonanz. Von heute auf morgen finden sich Bligg'n'Lexx in der Position des gefragtesten Mundart-Rap-Acts der Nation wieder. Eigentlich sollte man sofort einen drauf setzen. Bei Bligg'n'Lexx sieht man das anders und gönnt sich zunächst einmal eine Schaffenspause.

Bligg stellt allerdings schnell fest, dass das Pausieren nichts für ihn ist. Er tüftelt längst an eigenen Tracks. Seine Popularität macht's möglich: Er unterschreibt beim Major Universal und bringt mit "Normal" 2001 sein erstes Solo-Werk auf den Markt. Bligg erzählt Geschichten aus Fantasie und Realität. Funky Beats treffen auf den bewährten Zürislang, Samples auf live eingespielte Instrumente.

Für "Raw Dawgs" treten Tha Alkaholiks als Feature-Gäste an. "Alles Scho Mal Ghört" mit Beteiligung der Schweizer Soul-Queen Emel steigt auf Platz 35 in die Charts ein und klettert bis unter die ersten zehn. Mehr als 16.000 Einheiten werden verkauft. "Normal" schafft den Sprung in die Top 20 der Hitparade, ebenso die nächste Single "Relaxtra", bei der Bligg gemeinsam mit seinen alten Kumpels Lexx und Stress an den Start geht. Erstmals in der Schweizer Rap-Historie findet ein etwas derberer Hip Hop-Track Eingang in die Hitlisten. "Relaxtra" erscheint 2002 noch einmal im EP-Format.

Trotz des Erfolgs trennen sich nach "Normal" die Wege von Universal und Bligg - aus geschäftlichen Gründen und im Guten, wie letzterer gegenüber aightgenossen.ch betont. Bligg baut zu Hause ein eigenes Studio auf und eröffnet sich so zahlreiche neue musikalische Möglichkeiten. Seine Arbeitsweise ändert sich, er arbeitet öfter alleine, individuell, für sich. Bei seinem neuen Label Nation Music gewährt man Bligg größtmögliche künstlerische Freiheit.

Das Resultat der Tüfteleien liegt 2004 vor: "Odyssey" bietet bestes Entertainment, aufwändig arrangierte Instrumentals und zahlreiche Club-Tracks, legt aber nach wie vor Wert auf die Inhalte. Die Beats stammen von diversen Schweizer Produzenten, auch Lexx trägt seinen Teil bei. Bligg verwendet daneben einige Eigenproduktionen. Die Single mit dem passenden Titel "Single" landet als höchster Neueinsteiger direkt auf Platz 18 der Charts. Neben Emel und Stress schaut Kool Savas auf einen Gastauftritt herein.

"Ehrlicher, härter, frischer, tiefer und vor allem ausgereifter", schwärmt man im Hause Nation Music, doch der Erfolg hat eine Kehrseite: Vorwürfe werden laut, Bligg bediene Amirap-Klischees und sei ohnehin für den Ausverkauf des Schweizer Hip Hops verantwortlich zu machen. Der Angeklagte reagiert nachvollziehbar angepisst: "Ich habe langsam die Nase voll von diesen selbsternannten Hip Hop-Polizisten, die das Gefühl haben, sie hätten die Realness und den Underground mit Löffeln gefressen. Zu denen kann ich nur sagen: Ich weiß, wo ich angefangen habe." (aightgenossen.ch)

Auch auf "Odyssey" begegnen sich wieder Samples und Live-Instrumente. In "Single" dominiert beispielsweise eine eingängige Gitarrenmelodie. Stress, der Bliggs Odyssee schon lange begleitet, ist im Titeltrack zu hören. Gemeinsam mit Gästen und DJ Cutmando begibt sich Bligg auf eine weitere Tour. Längerfristig, so der Plan, werde er sich noch stärker aufs Produzieren und auf die Nachwuchsförderung verlegen.

2005 hat Bligg erneut das Label gewechselt. Sein Mix-Album "Okey Dokey" erscheint bei Musikvertrieb. Wieder einmal betritt Bligg Neuland: Als erster bringt er in der Schweiz eine Dual Disc auf den Markt. Die Gästeliste liest sich mittlerweile recht vertraut: Kool Savas, Emel sowie Bliggs Neuentdeckung Shai unterstützen ihren Gastgeber am Mikrofon. Gemixt wurde das Ganze selbstverständlich von Cutmando. Mit der auf "Okey Dokey" enthaltenen Nummer "Gang Nöd" unterstützt Bligg eine Anti-Suizid-Kampagne des Schweizer Fernsehens.

"Mit Liib Und Seel" vom April 2006 macht seinem Titel alle Ehre: Statt großspuriger Rap-Posen zelebriert Bligg astreine Pop-Melodien und wagt sich selbst an Gesang, erstmals auch in englischer Sprache. Das über weite Strecken ungewohnt gefühlvolle Album spaltet die Anhängerschaft: Während sich festgefahrene Heads mit Grausen abwenden, beobachten andere Bliggs Entwicklung hin zum gereiften Songwriter und Produzenten.

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