laut.de-Kritik

Superpunk-Nachfolger mit viel Soul.

Review von

Gewöhnliche Gentlemen zu sein, darauf beharren Carsten Friedrichs und Tim Jürgens im Grunde schon immer. Nach der bedauerlichen Auflösung von Superpunk im Mai diesen Jahres raufen sich die beiden nun unter adäquatem Namen zusammen: Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen is the new Superpunk. Für die neue Mannschaft musste lediglich das Wechselkontingent ausgereizt werden, die drei restlichen Superpunks wurden Mann für Mann ersetzt. André Rattay (ex-Blumfeld) übernimmt das Schlagzeug, Gunther Buskies (Tapete Records-Chef) das Keyboard und Philip Morton Andernach Gitarre und Saxophon.

Und die Gentlemen machen da weiter, wo Superpunk aufgehört haben. Das war auch kaum anders zu erwarten, schließlich hat der alte und neue Bandkopf Friedrichs sogar schon vor den 15 Jahren Superpunk mit seiner Band Die Fünf Freunde im Großen und Ganzen die gleichen Texte gesungen und die gleiche Musik gespielt. Was nicht schlimm ist, denn genau das war ja das Schöne an den Hamburger Soul-Veteranen: Verlässlich gut gelaunte Songs über widrige Zustände abzuliefern. Nur leider fehlen diesmal die Hits.

Der Titelsong ähnelt einem solchen noch am ehesten. Wie alle Lieder des Albums kommt er in gewohntem Gewand daher: dünne Stakkato-Gitarren, dicke Bläser, Haudrauf-Schlagzeug, abgehangener Gesang, Geigen und Background-Chöre, das alles schön lässig und voller Soul. Der Text nimmt uns mit zu den "Freaks und den Prolls" auf die Trabrennbahn und von dort mit einem bescheidenen Wettgewinn weiter in die Tanzbar. Am Ende steht das Fazit "Jeder auf Erden ist wunderschön, sogar du". Auch thematisch ändert sich also wenig: Uncoole Orte und tröstende Worte sind auch bei den Gentlemen Trumpf.

Die Vorab-Single "Gentlemen Spieler" reißt sogar Fußball-Ignoranten wie mich mit. Der Song ist der sympathische Versuch, den Fußball den Party-Deutschen zu entreißen und der Antifa zu übergeben: "Die Leute von früher war'n auch fiese Typen/ Deutschnationale und auch Antisemiten/ Und ihnen mißfiel/ Das englische Spiel/ Sie wollten den Fußball verbieten." Auch die Fußball-Love-Story "Nimm Mich Mit Zum Spiel" weiß spielferne Menschen zu begeistern. Beide Songs atmen die für Friedrichs typische working class-Bodenständigkeit und trotzige Lebensfreude.

Aber schon die Melodie von "Nimm Mich Mit Zum Spiel" bleibt nicht mehr hängen. Und das gilt auch für die restlichen acht Songs, ob bei entspannten Liedern, wie "Der Fünfte Four Top" oder beim etwas raubeinigeren "Mach Mich Traurig", ob beim Feiern von Alltäglichem ("Meine Jeans") oder beim beschwingt-lakonischen Beschreiben des eigenen Niedergangs ("Ich Lass Mich Gehen In Letzter Zeit"). Trotz der spürbaren Spielfreude des Quintetts besitzen all diese Songs zu wenig Charakter. "Frühling im Park" bleibt bezeichnenderweise deswegen im Ohr, weil es den Marvin Gaye-Song "Hitch Hike" zitiert.

Live und gespickt mit ein paar alten Superpunk-Klassikern sind die Liga Der Gewöhnlichen Gentleman sicher trotzdem eine Freude. Zum Glück kann man also weiter auf der Welle der heiteren Melancholie des Hamburger Soul reiten. Leider fehlt den Liedern der neuen Combo aber das letzte Quäntchen Originalität.

Trackliste

  1. 1. Jeder Auf Erden Ist Wunderschön (Sogar Du)
  2. 2. Die Gentlemen Spieler
  3. 3. Meine Jeans
  4. 4. Der Fünfte Four Top
  5. 5. Ich Lass Mich Gehen In Letzter Zeit
  6. 6. Weine Nicht Es Ist Nur Ein Film
  7. 7. Mach Mich Traurig
  8. 8. Frühling Im Park
  9. 9. Ein Fremder In Der Eigenen Stadt
  10. 10. Nimm Mich Mit Zum Spiel
  11. 11. Nach Dem Spiel

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