laut.de-Kritik

The Queen Is Back.

Review von

Siebzehn Jahre lang stand der Thron einsam und verwaist auf dem Dancefloor. Um den prominenten Sitzplatz bemühten sich zahlreiche Damen. Der Titel der Disco-Königin jedoch blieb ihnen versagt. Der haftet seit eh und je wie Fliegenleim der Lady an, die sich mit Nummern wie "Hot Stuff" oder "Love To Love You Baby" den Tanzboden unterwarf. Siebzehn Jahre Funkstille, und jetzt das: "Guess who's back!"

"Ich wünsche mir, dass sich die Menschen an ihre Jugend erinnern, wenn sie die Musik hören, an ihre Kindheit und daran, wie glücklich und aufgeregt sie waren, als sie zum ersten Mal eine Packung Wachsmalstifte ('Crayons', nämlich) ausprobierten", so die Mutter aller Diven. Ein freundliches Begehr. Ich entsinne mich zwar nicht meiner ersten Wachsmalkreiden. Musikalische Assoziationen generiert "Crayons" dafür am laufenden Band.

Ich denke an Madonna, die der Allmacht Musik mit "Music" eine in Titel, Thematik und Style "Mr. Music" äußerst ähnliche Liebeserklärung unterbreitete. Ich denke an Rihannas "Pon De Replay", wenn unter Beihilfe von Ziggy Marley der Titeltrack aus den Boxen pumpt, und an ihre Schmachtballade "Unfaithful", sobald das von Vogelgezwitscher begleitete Piano zu "Be Myself Again" anhebt.

Bei energischen Zwischenrufen denke ich an Missy Elliott, die für diesen Zweck wohl einen Fatman Scoop vors Mikrofon zitiert hätte. "Drivin' Down Brasil" erinnert mit dickbassig getuneten Bossa Nova-Elementen schwer an die Kooperationen von Altmeister Sergio Mendes mit Will.I.Am.

Ich denke an Tracy Chapman, wenn in "Sand On My Feet" eine einsame Akustikgitarre die Regie übernimmt. Immer wieder denke ich zwischendurch an Britney Spears. Bei "Slide Over Backwards" müsste man stocktaub und zugleich vollkommen ahnungslos sein, um nicht trotz Mundharmonika und Slideguitar mit Schlagseite zunächst kurz Janis Joplin, dann aber ausgiebig Tina Turners "Nutbush City Limits" im Kopf zu haben.

Die scheppernden Bässe, die in der dunklen Wärme von "Bring Down The Reign" afrikanischen Gesängen entgegen gestellt werden, bringen mich auf die Idee, mal wieder Depeche Modes "Pipeline" auszugraben. "The Science Of Love" erscheint in meinen Ohren wie eine flächigere, vollgepackte und mit härteren Gitarren garnierte Fassung von Kim Carnes' "Bette Davis Eyes".

Hab' ich zu viel Musik gehört, wenn mich aus jedem neuen Track wohl vertraute Elemente anspringen? Hat Donna Summer zu viel Musik gehört? Sich allzu deutlich inspirieren lassen? Vermutlich liegt die Wahrheit, wie so oft, irgendwo dazwischen. Zum "walk on the wild side" gerät "Crayons" jedenfalls nicht. Mit Produzenten wie J.R. Rotem, Greg Kurstin oder Evan Bogart im Schlepptau verlässt Donna Summer das sichere Ufer zu keinem Zeitpunkt.

Trotzdem beweist sie mindestens dreierlei. Erstens: Wenn es um taugliche Disco-Nummern wie "I'm A Fire" oder "It's Only Love" geht, macht ihr unverändert keiner etwas vor. Zweitens: Nach fast zwei Jahrzehnten im Vorruhestand stapft, nein: S-T-A-P-F-T! sie nicht nur im mächtigen Eröffnungstrack "Stamp Your Feet", der gleichzeitig die erste Singleauskopplung stellt, mit überraschender Wucht und erstaunlicher Frische zurück in die Arena. Ein Gespür für eingängige Refrains - drittens - führt sie dabei stets im Handgepäck.

Zu guter Letzt: Mit Ausnahme des Ausrutschers auf dem Soul-Röhren-Parkett, das sie wirklich besser anderen überlassen sollte, steckt Donna Summer stimmlich alle Britneys, Madonnas und Rihannas mühelos in den Sack. Mädels, Ihr werdet es hinnehmen müssen: "The Queen Is Back."

Trackliste

  1. 1. Stamp Your Feet
  2. 2. Mr. Music
  3. 3. Crayons
  4. 4. The Queen Is Back
  5. 5. Fame (The Game)
  6. 6. Sand On My Feet
  7. 7. Drivin' Down Brazil
  8. 8. I'm A Fire
  9. 9. Slide Over Backwards
  10. 10. Science Of Love
  11. 11. Be Myself Again
  12. 12. Bring Down The Reign
  13. 13. It's Only Love

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2 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Donna Summer hat alles,was sehr vielen der heutzutage hochgeschriebenen Megastars leider völlig fehlt - Stil,Klasse,Niveau,ein unglaubliches Talent und vor allem - eine Stimme mit der sie das Dach wegbläst!!!Auf "Crayons" beweist sie eindrucksvoll,daß sie es immer noch drauf hat.Die CD wird nicht als Meisterwerk in die Geschichte eingehen,ist für meinen Geschmack aber um Klassen besser,als das Meiste,das sich derzeit so in den vorderen Charträngen abspielt.Ein erfrischendes,sehr abwechslungsreiches Pop Album,das meiner Meinung nach wirklich eine Chance verdient hat,es aber aufgrund des hartnäckigen Schubladendenkens in unseren Breiten doch eher schwer haben wird.Schade drum,denn eines darf man auf keinen Fall vergessen - ohne Donna Summer gäbe es keine Madonna,Kylie,Rihanna etc.Daß ihr viele nun genau die Vielfältigkeit des Albums als Orientierungslosigkeit unterstellen,kann ich nicht nachvollziehen.Von den Clun Sounds wie "I'm a fire" bzw dem genialen "It's only love",über relaxten Brazilian sound "Driving down Brazil",bishin zum Kracher "Stamp" ein durchwegs gelungenes Album und für mich D I E positive Überraschung des Jahres!!!