Porträt

laut.de-Biographie

Dr. John

Malcolm John Rebennack, geb. am 21 November 1940, New Orleans, Louisiana, USA macht Musik, die stark von seiner Heimat am Mississippi beeinflusst ist. Er steht zwischen Blues, Funk, Rock'n'Roll, Rhythm'n'Blues, Soul, Jazz und Swing, erhält im Laufe seiner Karriere viel Anerkennung von Kollegen, doch der große finanzielle Erfolg bleibt immer aus.

Best of 1972: 50 Jahre, 50 Alben
Best of 1972 50 Jahre, 50 Alben
Nicht nur Eminem, Beth Hart und Mark Owen feiern 2022 einen runden Geburtstag, sondern auch Werke von Aretha bis Zappa. Yes!
Alle News anzeigen

Der kleine Malcom kommt bereits in jungen Jahren häufig in Kontakt mit den verschiedensten Musikrichtungen. Sein Vater besitzt ein Plattengeschäft, das auf schwarze Musik spezialisiert ist. Dort kann er sich die Größen des Jazz, Blues und R'n'B anhören. Aber auch Live-Musik kommt ihm oft zu Ohren, denn sein Vater repariert die Soundsysteme in den Clubs und der Sohn darf dabei sein. Mit fünfzehn Jahren kann er Klavier und Gitarre spielen und singt auch. In den Cosimo Matassa Studio beginnt der Jugendliche, an den ersten Aufnahmen mitzuwirken. Dabei kommt er schon zum ersten Mal mit Größen der New Orleans Szene zusammen, wie James Booker, Professor Longhair und Allen Toussaint. 1957 veröffentlicht das Label Rex das erste Stück ("Storm Warning") unter seinem Namen. Am Ende der 50er Jahre ist er schon bei Ace Records als Songwriter engagiert, arbeitet als A & R-Manager und ist Gründungsmitglied der AFO ("All For One") Black Music Co-Operative, obwohl seine Haut käseweiß ist. In dieser Zeit tourt er unter anderem mit Jerry Byrne und Frankie Ford.

1961 verliert er bei einer Auseinandersetzung in einer Bar die Kuppe seines rechten Ringfingers, als er versucht seinem Gegner ein Gewehr wegzunehmen, die Waffe dabei aber losgeht. Zwar kann die Verletzung gut geflickt werden, doch er hat kein Gefühl mehr in dem Finger. Das behinderte ihn beim Gitarre spielen und so wechselte er zum Bass. Sein Hauptinstrument ist aber ab dieser Zeit das Piano, da ihn seine lädierte Hand beim Klavierspielen nicht beeinträchtigt. In dieser Zeit gründet er auch seine erste eigene Band, die aber keinen Erfolg hat. Mit anderen Musikern aus Crescent City geht er in der Mitte der Dekade nach Los Angeles, weil sie sich dort besser Verdienstmöglichkeiten versprechen. Rebennack arbeitet wieder meist als Studiomusiker, vor allem für den Rock'n'Roll-Produzenten Phil Spector.

1968 nimmt er dann endlich seine erste Soloscheibe ("Chris-Chris") in den Studios von Sonny & Cher auf, die eine Mischung aus traditionellem New Orleans R'n'B und Psychedelic-Rock enthält. Dies veranlasst ihn auch sich den Künstlernamen Dr. John Creaux The Night Tripper, der später zu Dr. John gekürzt wird, zuzulegen und eine Voodoo-Figur mit wildem Mardi Gras-Outfit zu kreieren (Mardi Gras ist der Karneval in New Orleans, in dem bis heute die Voodoo-Einflüsse erkennbar sind). Die Platte erntet in Fachkreisen viel Lob, floppt aber beim Publikum.

Die nächsten beiden Alben ("Babylon" und "Remedies") gehen stilistisch in die gleiche Richtung. Mit der 1971 erscheinenden Platte "The Sun, Moon & Herbs", auf der auch Eric Clapton und Mick Jagger mitwirken, kann Dr. John zum ersten Mal einen Chart-Erfolg landen. 1973 veröffentlicht er "In The Right Place", die bis jetzt seine meist verkaufte LP ist und in den Charts Platz 24 erreicht. Die Single-Auskopplung "Right Place, Wrong Time" wandert bis auf Plat neun und ist das bekannteste Stück des Pianisten und Sängers. Begleitet wird er bei den Aufnahmen von der Funkband The Meters, mit denen er dann auch auf Tournee geht. Obwohl es in dieser Zeit gut bei Dr. John läuft, wechselt er die Plattenfirma und nimmt mit Mike Bloomfield und John Hammond, Jr. "Triumvirate" auf. Doch er kann den Erfolg nicht wiederholen. Im Verlauf der 70er nimmt er weitere Platten mit traditionellen Blues-Einflüssen auf, die sich auch nicht gut verkaufen.

In den 80er, 90er und 2000er Jahren verhält sich die Sache ähnlich. Zwar spielt er auf vielen bekannten Jazz- und Blues-Festivals, tourt die Staaten rauf und runter und veröffentlicht in schöner Regelmäßigkeit neue Alben, doch Geld kommt nicht in großen Mengen herein. Zeitweise produziert er Werbe-Jingles, was sicherlich seinem Kontostand zu Gute kommt. Mit einigen bekannten Künstlern arbeitet er im Laufe der Jahre zusammen. So erscheinen Sessions mit Jazz-Weichspüler Chris Baber und Bluesman Jimmy Witherspoon. Ende der 80er spielt er in der All-Star-Band von Ringo Starr. Anfang der 90er ist er mit B.B. King, Ray Charles, Buddy Guy und Joe Cocker auf Tour und zusammen mit dem alten Drumhero Art Blakey und David "Fathead" Newman an den "Bluesiana"-Alben beteiligt. Mit vielen weiteren großen Künstlern spielt er in der Folgezeit.

1998 erscheint eine CD, die aus einer besonderen Zusammenarbeit hervorgeht. Diesmal macht er nicht mit den alten Haudegen Musik, sondern mit Mitgliedern neuerer britischer Bands: Portishead, Primal Scream, Ocean Colour Scene, Supergrass, Spriritualized, The Beta Band und Paul Weller. "Anutha Zone" klettert bis auf Platz 33 der UK-Charts. In den 2000er Jahren zählen Eric Clapton, Terence Blanchard, Willie Nelson, Ani DiFranco ("City That Care Forgot", 2008) oder Randy Newman ("N'Awlinz Dis, Dat Or D'Udda", 2004) zu seinen Partnern. Am 6. Juni 2019 stirbt Dr. John im Alter von 77 Jahren an der Folgen eines Herzinfarkts. Posthum passiert aber noch das ein oder andere.

Dr. John - Things Happen That Way
Dr. John Things Happen That Way
Die letzten Aufnahmen eines Unikats.
Alle Alben anzeigen

Im Sommer 2021 kommt durch ein Kuriosum der von ihm weltbekannt gemachte Song "Iko Iko" überall ins Radio und ins Netz. Diesmal vom anderen Ende der Welt. Justin Wellington und das Pazifik-Reggae-Duo Small Jam hatten das uralte Stück 2017 in Papua-Neuguinea noch einmal neu aufgenommen. Es dauert zwei Jahre, bis ein Label es veröffentlicht, zwei weitere, bis es zum Hit wird. TikTok spreadet die Aufnahme, und "Iko Iko" schießt auf Platz 7 in Deutschland und 5 in Österreich und der Schweiz. Die Referenzversion lieferte natürlich Dr. John - 1972 auf "Dr. John's Gumbo".

Im Hintergrund schlummert auch noch eine Filmdoku über den Night Tripper, von Dan Auerbach. Die Rechte, eine solche Doku herauszubringen, hat er sich allerdings nicht besorgt, so dass das Projekt auf Eis liegt.

Und apropos "Iko Iko" und covern: Der Doktor selbst hatte bis ans Ende seiner Tage immer Lust zu covern. Kurz vor seinem Tod befindet er sich noch in Aufnahmen zu einem Country-inspirierten Album. Seine Tochter Karla R. Pratt erinnert sich, dass Dad jahrelang darüber gesprochen habe, "wie hip Hank Williams" sei. "Er liebte, wie simpel, aber doch emotional komplex Hanks Lieder sind. Dass sie eine Hook mit einem Twist haben." Die beiden Hank-Covers "I'm So Lonesome I Could Cry" und "Ramblin' Man" landen auf dem finalen Cover-Album namens "Things Happen That Way" (Herbst 2022).

Der Titel entstammt einem Johnny Cash-Hit aus der Feder von Jack Clement (der öfter mit Cash arbeitete). Zu den weiteren Coverversionen gehört der Traveling Wilburys-Klassiker "The End Of The Line". Ken Ehrlich, TV-Show-Regisseur, der Dr. John seit den '70ern kannte, schreibt im Begleittext zur Platte: "Ich habe Geschichten in Mac's Cover eingegraben gefunden, die mir nie in den Sinn gekommen wären, wenn ich das von den Herren Petty, Lynne, Dylan, Harrison und Orbison gehört habe."

Der von Rebennack selbst beigesteuerte Track "Holy Water" bezieht sich auf eine von Dr. John weniger bekannte (autobiographische) Geschichte - seine Vergangenheit als Drogenhändler. "I Walk On Guilded Splinters" aus Dr. Johns erstem Album findet schließlich auf seinem allerletzten noch mal statt - in einer gänzlich anders gestimmten und neu strukturierten Version. Neben den dort vertretenen Musikern von Promise Of The Real spielen auf der LP Jon Cleary (Hammond-Orgel), David Torkanowsky (E-Piano, Keyboards, wie Dr. John aus New Orleans), Will Lee (Bassist aus der David Letterman-Talkshow), Carlo Nuccio (Ex-Drummer von Kristin Hersh und Tori Amos) und Herlin Riley (einer der namhaftesten Jazz-Schlagzeuger Amerikas). Am Mikrofon treten Willie Nelson, Aaron Neville und die Newcomerin Katie Pruitt auf.

Produziert haben unter anderen Lukas Nelson, des Doktors Tochter Karla und Shane Theriot. Der erinnert sich im Gespräch mit dem US-Rolling Stone an die Fertigstellung des Albums drei Jahre zuvor. "Wir saßen da und hörten uns alles zwei Mal an. Er [Dr. John] sang mit und hatte ein breites Grinsen im Gesicht. Dann begleitete er mich nach draußen zu meinem Auto, starrte mich an und sagte: 'Ich bin froh, ich hab die richtige Wahl getroffen.' Und dann drückte er mich und küsste mich auf die Wange."

News

Alben

Dr. John - Locked Down: Album-Cover
  • Leserwertung: 5 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2012 Locked Down

Kritik von Kai Butterweck

Dan Auerbach erweckt den Blues-Altmeister zu neuem Leben. (0 Kommentare)

Surftipps

2 Kommentare

  • Vor 5 Jahren

    Oh ja, der Doctor ! Im zarten Alter von 14 Jahren habe ich die "In the right place" beim Toom Markt in Heppenheim in der Grabbelkiste für 8 Mark gekauft und wir waren begeistert! Später kam dann eine Zeit mit Led Zep, Deep Purple, Pink Floyd und vor allem die Allman Brothers; doch dem Doctor bin ich immer treu geblieben. Ich kenne keinen schlechten Song, und die Musiker (Bass & Brass !) waren immer erste Sahne. Ok, die Stimme könnte einem nach einer LP sicher auf die Nerven gehen, aber schon singt er mit Rickie Lee Jones im Duett das geniale "Makin' Whoopie" und schon ist alles wieder gut ;-)). Dass er nie Kohle gemacht hat, glaube ich dir nicht,
    obwohl, vielleicht ist er ja deshalb immer noch so gut ?!
    The Doctor rulez ! Hoffentlich wird er 100 ...

    keep on keepin' on Lutz

  • Vor 5 Jahren

    Oh ja, der Doctor ! Im zarten Alter von 14 Jahren habe ich die "In the right place" beim Toom Markt in Heppenheim in der Grabbelkiste für 8 Mark gekauft und wir waren begeistert! Später kam dann eine Zeit mit Led Zep, Deep Purple, Pink Floyd und vor allem die Allman Brothers; doch dem Doctor bin ich immer treu geblieben. Ich kenne keinen schlechten Song, und die Musiker (Bass & Brass !) waren immer erste Sahne. Ok, die Stimme könnte einem nach einer LP sicher auf die Nerven gehen, aber schon singt er mit Rickie Lee Jones im Duett das geniale "Makin' Whoopie" und schon ist alles wieder gut ;-)). Dass er nie Kohle gemacht hat, glaube ich dir nicht,
    obwohl, vielleicht ist er ja deshalb immer noch so gut ?!
    The Doctor rulez ! Hoffentlich wird er 100 ...

    keep on keepin' on Lutz