laut.de-Kritik
Wie ein wilder Super Mario mit Iro und Septum.
Review von Christian KollaschWas könnte im Jahr 2019 eine größere Sound-Antihaltung sein als Videospiel-Sounds aus der C-64-Ära? Das Berliner Quartett Egotronic wedelt auf seinem neunten Studioalbum "Ihr Seid Doch Auch Nicht Besser" mal wieder heftig mit dem Mittelfinger, den sie vor allem dem rechten Rand der Gesellschaft ins Gesicht drücken. Ein blinder Rundumschlag gegen braune Politik und die gelähmte Sozialdemokratie in Deutschland bleibt die Platte jedoch nicht, denn Egotronic blicken auch nachdenklich auf die eigene Protestbewegung.
Hatte sich der Vorgänger "Keine Argumente" noch als kompromisslos offensive Kampfansage gegen Rechts gestaltet, kritisiert der Opener "Wann Fangen Wir An" zunächst linke Protestbewegungen. Sänger Torsun Burckhardt bellt zu den band-typischen Retro-Chiptunes gegen die aktuelle Lethargie an, die er im eigenen Lager beobachtet. "Versuch's doch mal mit randalieren / Mach aus der Depression 'ne Aggression / und dann explodieren".
Klanglich bietet die Band Altbewährtes. Schroffe Punk-Riffs treffen auf quietschige Electro-Akzente aus der 8-Bit-Zeit, als für Videospiele noch eine große Portion Fantasie vonnöten war, um in die pixeligen Welten einzutauchen. Super Mario rennt auf "Ihr Seid Doch Auch Nicht Besser" wieder mit Iro und Septum von links nach rechts durch die politische Landschaft und hüpft dabei vergnügt auf dem Faschismus herum.
Wie der Albumtitel schon andeutet, beschäftigen sich Egotronic im ersten Drittel vorwiegend mit der Gegenüberstellung von linker und rechter Gewalt und dem Whataboutismus, der bei der Debatte um rechte Straftaten oft als Gegenargument herhalten muss. Im betäubten Vocoder-Pogo "Linksradikale" prangert Burckhardt dieses Abwälzen nach links an: "Wo sind all die Linksradikalen mit dem Schießgewehr? / Und wann schießen sie auf Nazis?".
Im Juni lösten unter anderem diese Zeilen nach einem Konzert im niedersächsischen Weyhe Empörung bei der Jungen Alternative Bremen aus, die der Band "antideutschen Linksextremismus" vorwarf. Dass Egotronic den Text natürlich nicht als Aufforderung, sondern als rhetorische Beobachtung verstehen, entblößte nur die gewollte Auslegung der Rechten. Die Band polarisiert 2019 mit ihren beißenden Aussagen völlig zurecht. In Zeiten, in denen die AfD den für sie "linksversifften" Kulturbetrieb von Theater bis Konzertstätte ins Visier nimmt, bleiben provozierende Texte ein probates Gegenmittel.
Auch im Titeltrack blicken Egotronic höchst ironisch auf rechte Tendenzen in der Mitte der Gesellschaft, während die Synthies fiepsig das Tanzbein schwingen. Die Zeile "Gute Demokraten feiern heutzutage auch mit Rechtsextremen" spielt hier auf die Geburtstagsparty des Journalisten Matthias Matussek an, an der auch ein vorbestraftes Mitglied der rechtsextremen Identitären Bewegung teilnahm.
Dass die Band aufgrund solcher Entwicklungen nicht verbittert wirkt, liegt an dem stets präsenten Sarkasmus und dem knalligen Chiptune-Sound, der nach wie vor den Kontrast zu den ernsten Themen bildet. Eine etwas düsterere Miene setzen Egotronic in der verdrogten Dance-Schmerztherapie "Wie Dr. House" auf. In "Berlin Im Winter" kommen sie mal so gar nicht antideutsch rüber, wenn sie sich typisch germanisch über das miese Wetter in der Hauptstadt beschweren. Ebenso bescheiden leiern hier aber auch die Synthies über den Track, der erstmals etwas an den Nerven zehrt.
Richtig Spaß machen die Einsen und Nullen hingegen wieder auf "Der Bürgermeister", wo Egotronic mit Boris Palmer abrechnen, dem grünen Oberbürgermeister von Tübingen. Abseits der Personalkritik schaltet die Band in ihren höchsten Punk-Gang, wobei die 8-Bit-Sounds verspielt Akzente setzen. Auch das Patriarchat bekommt kurz vor Schluss noch sein Fett weg, wenn Die Supererbin-Sängerin Leonie Scholl in einem Gastbeitrag auf "Wie Ein Mann" die männliche Härte zerbröseln lässt: "Wir müssen leiden wie ein Mann / Bei Trauma schweigen wie ein Mann / Und jetzt zeig' ich dir wie ein Mann, wer hier das Sagen hat". Scholls Duktus erinnert an das Flehen eines Marcus Wiebusch und bietet eine willkommene Abwechslung zu Burckhardts Rotz-Attitüde.
Den Abgesang "Adieu SPD" sparen sich Egotronic passenderweise bis zum Ende auf und setzen mit der ironisch-wehmütigen Ode an die wankende Volkspartei ein spätes Highlight. Der sparsame Text im Vocoder-Gewand lässt die SPD die Fünf-Prozent-Hürde vergessen und erzeugt zusammen mit den glucksenden Chiptunes die Sedierung gegen die Qual der anhaltenden Wählerwanderung. "Ihr Seid Doch Auch Nicht Besser" spaltet wie eh und je. Es dürfte einige geben, die der spezielle Stilmix einfach nur nervt, dennoch steht die Platte - mal wieder - als wichtiges und wortgewaltiges Ausrufezeichen des Protests gegen Rechts.
2 Kommentare mit 37 Antworten
seit wann gelten nerdige retro sounds eigentlich als "sound-antihaltung"? also, nichts gegen das album oder die rezension, aber diese aussage halte ich für unsinn.
Schätze, das liegt am Egotronic-Sound. Der befand sich immer zwischen stumpfen Elektro und Schrammelpunk. Wenn sie jetzt offensiv scheußlich-schöne Chipsounds benutzen, kann man das auch für anti halten.
https://loslegen.blackblogs.org/aktionen/
insbes: https://loslegen.blackblogs.org/2019/08/25…
einfach auf: https://de.indymedia.org/
nach" (Connewitz) AfD im Kiez angegriffen
von: Antifa Connewitz am: 06.08.2019 - 22:41" suchen. ich mache keinen direktlink weil bilder, klarnamen und adressen genannt werden
ich habe das gefühl so mancher ist vom einsatz des "schießgewehrs" nicht mehr soo weit entfernt oder:
"Die Alternative für Deutschland ist angreifbar, sie haben Namen und Adressen. Vom Parteimitglied zum Abgeordneten - wir kriegen euch alle.
Leipzig bleibt rot!"
Ja, schlimm. Wenn eins ganz klar ist, dann daß Rechte in Deutschland schon immer Schiss haben mußten. Jede Woche wird einer von denen von linksfaschistischen Islamoflüchtlingen niedergemessert. Auch Polizei und Verfassungsschutz sind durch und durch linksgrünversifft und verfolgen sie erbarmungslos. Da werden die sich ja wohl noch in die Hosen machen dürfen, ohne ausgelacht zu werden!
Wer kennt sie nicht, die unzähligen Fälle in denen linke Terroristen in den letzten Wochen und Monaten durch Schusswaffengebrauch oder Wehrsportübungen für den Tag X aufgefallen sind...
Wenn die linke Gewalt gegenüber Rechten so ausgeprägt wäre, wie sie von den Rechten herbeifantasiert wird, würde ich ruhiger schlafen.
Nichtsdestotrotz geht es natürlich gar nicht, wenn irgendwelche Idioten einfach so Menschen überfallen, unabhängig von ihren Motiven, sollte klar sein.
@CAPSLOCK: Nee, das ist für mich überhaupt nicht klar. Ich finde nicht, dass eine Aktion losgelöst von ihren Motiven betrachtet werden sollte. Diese mimimi Gewalt ist immer schlecht Haltung hat mit dazu beigetragen, dass die radikale Rechte die Position hat, die sie gerade hat. Deswegen finde ich Sachbeschädigungen und das öffentlich machen von Namen und Adressen vollkommen okay. Ab wann man Gewalt auch gegen Menschen einsetzt, sollte man sich sehr, sehr gut überlegen, ein nogo ist das für mich aber nicht. Das alles wird das grundsätzliche Problem nicht lösen, das ist mir auch klar, aber wenn sich radikale Rechte nicht auf die Straße trauen würden, dann wäre schonmal ein großer Schritt für die potentiellen Opfer von rechter Gewalt getan.
Ich persönlich bin skeptisch, ob die dort gedoxxden oder angegriffenen Leute (Frauen und alte weiße Männer zt weit jenseits der 40) zu der Art von radikalen rechten gehören, die raus geht und (physische) Gewalt anwendet.
Darüber hinaus: wer von euch kennt offen zugängliche internetseiten, wo sich rechtsextreme derartig mit ihren taten brüsten und\oder zu mehr Gewalt aufrufen bzw verabreden? Ich kenne keine daher Link plz
Torque, wieso eigtl 2 Accounts?
"Torque, wieso eigtl 2 Accounts?"
"Wir sind mehr" kann er auch ohne Gleichgesinnte.
Deswegen hab ich ja auch geschrieben, dass man sich das gut überlgen muss. Ob es zwingend notwendig ist, einem hängengebliebenen AFD-Frührentner auf die 12 zu geben, wage ich auch zu bezweifeln.
Na dann, hoffen wir auf eine gut geeichte Urteilskraft, auf beiden Seiten, wenn die Vernunft das Schwert führt. Bei dir ist der Name anscheinend Programm.
"@CAPSLOCK: Nee, das ist für mich überhaupt nicht klar. Ich finde nicht, dass eine Aktion losgelöst von ihren Motiven betrachtet werden sollte. Diese mimimi Gewalt ist immer schlecht Haltung hat mit dazu beigetragen, dass die radikale Rechte die Position hat, die sie gerade hat."
Inwiefern hat diese Haltung dazu beigetragen? Bitte um Erläuterungen.
Ferner solltest du das "einfach so" und das "überfallen" in meinem Post sehr genau nehmen. Unter den aktuellen Umständen ist ein Überfall egal auf wen auch immer nicht zu rechtfertigen. Wenn die Dinge anders aussähen, die AfD sich in eine Regierungsposition schleichen sollte, eine Gefährdung der im Grundgesetz festgesetzten Rechte und der Demokratie unmittelbar bevorstünde, dann ist Gewalt als letztes Mittel akzeptabel. Ansonsten ist diese Art der Gewalt ein Teil des Problems und macht eher alles schlimmer als besser.
"Deswegen finde ich Sachbeschädigungen und das öffentlich machen von Namen und Adressen vollkommen okay."
Und was versprichst du dir davon? Was soll das bringen?
"Ab wann man Gewalt auch gegen Menschen einsetzt, sollte man sich sehr, sehr gut überlegen, ein nogo ist das für mich aber nicht."
S.o.
"Das alles wird das grundsätzliche Problem nicht lösen, das ist mir auch klar, aber wenn sich radikale Rechte nicht auf die Straße trauen würden, dann wäre schonmal ein großer Schritt für die potentiellen Opfer von rechter Gewalt getan"
Dafür müsste es dann genug "radikale Linke" geben, was wiederum zu vermehrten Auseinandersetzungen führt, was wiederum zu immer mehr gewaltbereiten auf beiden Seiten führt, was wiederum über kurz oder lang zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führt.
Viel besser wäre es, sich daran zu machen, die eigentlichen Ursachen für das Erstarken der AfD zu finden und die zugrundeliegenden Probleme lösen.
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Bin da ganz klar auf Capsis Seite, jegliche Gewalt, die keine Selbstverteidigung oder das letzte/einzig mögliche Mittel gegen jemanden in einer Machtposition ist, um Schlimmeres zu verhindern, ist strikt und kategorisch abzulehnen
Hinter gegenteiligen Positionen steckt mMn auch oft genug die unglaublich toxische Attitüde, dass sich Gewalt(bereitschaft) nur mit Gegengewalt(bereitschaft) beantworten ließe. Was halt schlicht riesiger Mumpitz ist und nur dazu beiträgt, dass man sonst eher typisch rechte Freund/Feind-Denkmuster übernimmt.
In der Hinsicht würde ich einem Hufeisen schwingenden torque z.B. dann auch zustimmen, dass viel linksextreme Gewalt sich in einem Bereicht bewegt, der von rechtsextemer Gewalt gar nicht mehr so verschieden ist. Nur dass es dann natürlich immernoch Schwachsinn ist, darauf irgendwelche Schlussfolgerung übers "Linkssein" im Gesamten zu ziehen.
@gumbubble: Vielen Dank für Deinen prima Beitrag zu dieser Diskussion. Du bist auf einem guten Weg.
@Capslock: Inwiefern hat diese Haltung dazu beigetragen?
Die in den 90er Jahren praktitierte "Akzeptierende Jugendarbeit" hat die Grundlagen für das z.T. vollkommen ungestörte Aufbauen von extr. Rechten Infrastrukturen (größtentels im Osten) gelegt. Auf diesen konnte u.a. (nicht ausschließlich) weiter aufgebaut werden, weil die Exekutive traditionell der Rechten näher steht als der Linken, deshalb linke Strukturen nicht ausreichend geschützt wurden und die BürgerlicheMitte™ es nicht sonderlich mit der Solidariät hält, wenn Menschen die Gewalt nicht der Exekutiven überlassen. Bedeutet: es is halt schwer im Osten ein Autonomes JUZ zu halten, wenn man von Nazis auf´s Maul bekommt, die Cops nix machen und selbst organisierte Verteidigungsstrukturen von breiten Teilen der Bevölkerung als diesindjagenausoschlimmwiedieRechten stigmatisiert werden.
Und was versprichst du dir davon? Was soll das bringen?
Angst. Ich möchte, dass Menschen wie Robert Timm sich nicht mehr einfach so auf die Straße trauen. Die Selbsverständlichkeit und Sicherheit, mit denen sie ihren Quark verbreiten, soll ihnen genommen, ihre Freiräume eingeschränkt werden.
Grundsätzlich würde mich mal interessieren, wer von unseren überzeugten Pazifist*innen hier selbst schon mal von Nazis kassiert hat. Oft erscheint mir diese vermeintlich pazifistische Grundhaltung bloß als Ausdruck des gemütlichen Privilegs, selbst nicht zur Zielgruppe von rechter Gewalt zu gehören.
Und: mir geht es nicht um die Glorifizierung eines politsiche getarnten Hooliganismus. Ich finde Gewalt scheiße und es furchtbar, wenn ich dabei bin, wenn sie ausgeübt wird. Aber auf diese grundsätzliche Ablehnung, ohne den Kontext mit einzubeziehen, habe ich keinen Bock.
Waving The Guns haben mir wirklich aus dem Herzen gesprochen: https://www.youtube.com/watch?v=HcKeNic2Ds8
gueldi spricht wahr, Leipzig bleibt rot, Sancho ist ein Hurensohn. Damit ist alles gesagt.
Kann mich noch ganz gut erinnern, wie die Rechten in meiner Stadt jede Woche einen Nichtarier oder Kulturzentren angegriffen haben. Dann wurde die hiesige Antifa aktiv. Das wurde gelegentlich auch mal gewalttätig, aber selten. Das Wichtigste war jedenfalls, daß zumindest gewaltbereite Linke Präsenz gezeigt haben.
Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, daß seitdem noch irgendetwas vom alten Kaliber passiert wäre. Mehr als heimlich mal einen Sticker aufzukleben traut sich das Pack nicht, und egal welche Hautfarbe oder sexuelle Orientierung jemand hast - dank Gegengewalt ist es jetzt ziemlich sicher hier.
"Leipzig bleibt rot, Sancho ist ein Hurensohn. Damit ist alles gesagt"
Ich denke Ende der 20er hätte die Linke doch zu Gewalt greifen sollen. Hätte vermutlich die Millionen Toten in Europa nicht verhindern können, aber manch einer wäre mit besserem Gewissen gestorben. Aber feiert ihr nur weiter die Bonhöffer und Stauffenbergs dieser Welt.
5/5. Ein Mal wieder gehen egotronic dahin wo es weh tut. Reicht für einen Slot beim nächsten Southside
"Ich denke Ende der 20er hätte die Linke doch zu Gewalt greifen sollen. Hätte vermutlich die Millionen Toten in Europa nicht verhindern können, aber manch einer wäre mit besserem Gewissen gestorben. Aber feiert ihr nur weiter die Bonhöffer und Stauffenbergs dieser Welt."
Ist das Ironie oder hast du deine geschichtliche Bildung von Guido Knopp?
@Gueldi: Werde dir später noch ausführlich antworten.
Capslock: Inwiefern hat diese Haltung dazu beigetragen?
"Die in den 90er Jahren praktitierte "Akzeptierende Jugendarbeit" hat die Grundlagen für das z.T. vollkommen ungestörte Aufbauen von extr. Rechten Infrastrukturen (größtentels im Osten) gelegt."
Das ist aber erstmal auch nur eine Behauptung. "Extreme Rechte"-Infrastrukturen gab es schon vorher, für das vermehrte Auftreten von Neonazis und allgemein "rechterb Gesinnung" gibt die Soziologie gute, relativ unbestrittene Erklärungen (Zusammenbruch des Systems, starker Antifaschismus in der DDR-Erziehung, wenig Kontakt zu "Ausländern", Wendeverlierer, etc.). Hast du Belege für deine Behauptung?
"Auf diesen konnte u.a. (nicht ausschließlich) weiter aufgebaut werden, weil die Exekutive traditionell der Rechten näher steht als der Linken, deshalb linke Strukturen nicht ausreichend geschützt wurden und die BürgerlicheMitte™ es nicht sonderlich mit der Solidariät hält, wenn Menschen die Gewalt nicht der Exekutiven überlassen."
Tradition als Begründung ist schon ein bisschen fragwürdig, aber ja, durch den kalten Krieg waren "Linke" halt die Feinde des Staates. Aber das hat sich über die Jahre auch gewandelt, bzw abgeschwächt.
"Bedeutet: es is halt schwer im Osten ein Autonomes JUZ zu halten, wenn man von Nazis auf´s Maul bekommt, die Cops nix machen und selbst organisierte Verteidigungsstrukturen von breiten Teilen der Bevölkerung als diesindjagenausoschlimmwiedieRechten stigmatisiert werden."
Du sprichst von Verteidigungsstrukturen, aber auch vom überfallen.
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Was wäre denn, wenn die Gegengewalt, wie von mir thematisiert, zur Eskalation führt? Sollten wir nicht lieber die Probleme in unserer Gesellschaft lösen, die Ursache für Unzufriedenheit, Spaltung und Gewalt sind?
Fortsetzung folgt.
Belege: "So wies unter anderem die Politikwissenschaftlerin Heike Kleffner im Jahr 2015 darauf hin, dass im Rahmen sozialer Arbeit Projekte finanziert wurden, in denen sich extrem rechte Jugendliche politisch sozialisieren und Netzwerke aufbauen konnten – darunter auch das Kerntrio des NSU." https://www.der-rechte-rand.de/archive/504…
Belege 2: "Wenn jemand die Polizei verhöhnt, dann ist er ein potenzieller Gegner, egal ob von rechts oder von links. Aber traditionell wird der Staat eher von links in Frage gestellt, spätestens seit der Studentenbewegung. Wenn dagegen früher die NPD aufmarschiert ist, dann ist die ordentlicher marschiert als die Polizei. Die hatte mehr Ordnungskriterien. Deshalb ist das Radarsystem für Gefahr von links intensiver aufgebaut als von rechts, das macht die Sache aktuell nicht leichter." https://www.sueddeutsche.de/karriere/poliz…
Über rechte Strukturen innerhalb der Polizei gibt´s nun wirklich Massenhaft Belege...
Und was versprichst du dir davon? Was soll das bringen?
"Angst. Ich möchte, dass Menschen wie Robert Timm sich nicht mehr einfach so auf die Straße trauen. Die Selbsverständlichkeit und Sicherheit, mit denen sie ihren Quark verbreiten, soll ihnen genommen, ihre Freiräume eingeschränkt werden."
Angst funktioniert ja auch super, um Leute davon abzuhalten, etwas zu tun. Nehmen wir Mal an, ihr gewinnt den Bürgerkrieg, Antifa-Bürgerwehren patroullieren die Straßen, jeder, der wie Robert Timm ist (wer entscheidet das nochmal? Im Zweifelsfall vor Ort?), bekommt auf die Fresse. Die Rechten haben Angst. Aber die Rechten sind nicht weg. Und es gibt Guerilla-Taktiken, siehe Vietnam, siehe Afghanistan, sie Resistence. Trotzdem also keine Garantie dafür, dass es keine Bombenanschläge, Killerkommandos und anonyme Hassrede gibt. Abgesehen davon klingt das alles sehr nach Willkür, Gewalt und Faschismus. Nach einem System, in dem ich vor der Wahl stände Widerstand oder Auswandern.
"Die Rechten" sollen sagen, was sie wollen, ihren Quark mit aller Sicherheit von sich geben, solange sie nicht die Rechte von anderen damit verletzen. So wie jeder. Und wenn man was anderes will, will man keine individuelle Freiheit sondern Diktatur.
Man sagt ja, eine Gesellschaft lässt sich daran messen, wie sie mit ihren schwächsten umgeht. Ich sage, eine Gesellschaft lässt sich daran messen, wie sie mit ihren Feinden umgeht.
Fortsetzung folgt.
Mhh, naja, möchte dann doch noch ein paar Worte zur Klärung meinerseits loswerden.
So Fälle wie Ragism sie beschreibt oder auch das erwähne aufbauen von erwähnten organisierten Verteidigungsstrukturen, wenn die Exekutive versagt, sind mMn nach nicht nur vollkommen legitim, sondern alles andere wäre schlicht verächtlich. Das fällt mMn alles in der erweiterten Kreis der Verteidigung bzw. des Beschützens, habe mich das mit SELBSTverteidigung vllt. auch etwas irreführend/falsch ausgedrückt. Das sind dann aber immernoch Fälle, in denen eine gewisse Notwendigkeit gegeben ist, in denen sich anderweitig Schaden nicht vermeiden lässt. Einfach zusehen, wie Nazis Leute verkloppen ist ganz offensichtlich keine Option.
Das sollte dann meiner Meinung nach aber nie soweit führen, dass man Gewalt in sich als legitimes politisches oder psychologisches Mittel begreift, vollkomme egal zu welchem Ziel. Das darf nur dann greifen, wenn irgendeine akute, unverneintliche gewaltsame Bedrohung vorliegt.
Und jetzt ist die darauf folgende Argumentation oft, dass wenn man den Nazis, selbst wenn sie sich friedlich verhalten, nicht aufs Maul gibt, sie früher oder später anderen unausweichlich aufs Maul geben und dass es daher auch als "präventative" Form der Schadensvermeidung gerechtfertigt ist und alles andere geradezu naiv wäre.
Das lehne ich als Argumentation aber strikt ab, weil es schlicht und einfach eine gewaltsame Logik perpetuiert, nach der sich ein Konflikt nur verhindern/beseitigen lässt, in den man gerade diesen Konflikt eingeht und auskämpft, so dass Gewalt am Ende, ob jetzt von der einen oder anderen Seite, unausweichlich ist. Man setzt die Aggression des Gegenübers als unausweichlich voraus und benutzt dies dann als Rechtfertiung für die eigene Aggression. Damit ist man in diesem spezifischen Konflikt aber auch faktisch der, der die Aggression überhaupt erst auslöst bzw. weiter befeuert.
Damit verkennt man dann auch vollkommen die Tatsache, dass man auf einen Konflikt nicht immer auf direkte Weise eingehen muss und dass die bessere Lösung fast immer die Aufhebung des Konfliktpotenzials bzw. des Konfliktes an sich ist. Das setzt aber immer eine Betrachtungsweise voraus, die nicht mehr auf der Ebene des eigentlichen Konfliktes ist. Ein "ausgetragener"Konflikt ist nur dann beseitigt, wenn eine der Konfliktparteien die andere vollkommen überwältigt hat, was im Bezug auf verschiedene gesellschaftliche Strömungen faktisch nie passieren wird. Bei der Auflösung eines Konfliktes setzt man an dem Element an, dass beide Konfliktparteien erst verschieden macht und versucht dieses aufzulösen. Die ideale Konfliktauflösung mit einem Nazi wäre zum Beispiel keine Kloppe, sondern dafür zu sorgen, dass der Nazi am Ende kein Nazi mehr ist und er seinen Hass überwunden hat und der Anti-Nazi ihn dann entsprechend auch nicht mehr hassen muss.
Das klingt jetzt alles natürlich furchtbar idealistisch und ich möchte jetzt nicht nahelegen, dass gewaltsame Verteidigung nicht manchmal notwendig ist, oder dass alles was es braucht, ist sich einmal mit dem Nazi zum Kaffe zusammenzusetzen und dann ist gleich alles supi. Aber eine wirkliche Lösung eines Konfliktes wird immer mehr mit letzterer Strategie zu tun haben als mit einem Fokus auf Gewalt und eine reine Betrachtung eines Konfliktes auf Ebene eines Konfliktes, wird die Sicht auf seine eigentliche Lösung so gut wie immer versperren.
Das war jetzt meinerseits alles eher abstrakt/auf gedanklicher Ebene gehalten. Aber ich denke das funktioniert ganz gut als theoretische/allgemeinere Ergänzung zum dem, was CAPSLOCKFTW hier gerade auf praktischer/politischer Ebene ausführt.
"Grundsätzlich würde mich mal interessieren, wer von unseren überzeugten Pazifist*innen hier selbst schon mal von Nazis kassiert hat. Oft erscheint mir diese vermeintlich pazifistische Grundhaltung bloß als Ausdruck des gemütlichen Privilegs, selbst nicht zur Zielgruppe von rechter Gewalt zu gehören."
Bei uns gibt es nur sehr wenige Nazis, vereinzelt, AfD teilweise unter fünf Prozent, denn die Menschen sind vergleichsweise wohlhabend, die Städte und Gemeinden haben Geld, die Schulen sind vergleichsweise gut ausgestattet, sowohl mit Personal, als auch Material. Ist ne sehr "strukturstarke" Gegend, nur wenige Leute haben Grund wütend zu sein. Ich habe noch nie von "Nazis" kassiert, aber ich kassiere eh nicht, wegen Körperbau/-bewusstsein und Kampfsport. Aber das mit der Gegend ist nichts besonderes, Erfolg der AfD korreliert ja ganz schön stark mit Armut, Politikverdrossenheit und dem Gefühl, verarscht zu werden.
"Und: mir geht es nicht um die Glorifizierung eines politsiche getarnten Hooliganismus. Ich finde Gewalt scheiße und es furchtbar, wenn ich dabei bin, wenn sie ausgeübt wird. Aber auf diese grundsätzliche Ablehnung, ohne den Kontext mit einzubeziehen, habe ich keinen Bock."
Grundsätzliche Ablehnung war das hier meinerseits nie, nur sehr, sehr umfangreiche Ablehnung. Und ich hab jetzt noch keinen einzigen Fall gehört, wo Gewalt gegen "rechts" in irgend einer Weise zielführend oder sinnvoll gewesen wäre. Auch das terrorisieren einer Partei, wie scheiße die auch sein mag, ist nichts Gutes, sondern liefert nur deren Anhängern Bestätigung und hält insbesondere niemanden ab, die zu wählen. Eher im Gegenteil.
"Belege: "So wies unter anderem die Politikwissenschaftlerin Heike Kleffner im Jahr 2015 darauf hin, dass im Rahmen sozialer Arbeit Projekte finanziert wurden, in denen sich extrem rechte Jugendliche politisch sozialisieren und Netzwerke aufbauen konnten – darunter auch das Kerntrio des NSU." https://www.der-rechte-rand.de/archive/504…
Nun ja, eigentlich solltest du ja zeigen, dass eine gewaltlose bzw. aggressionsgewaltlose Haltung gegenüber "Rechts" (Mit-)Schuld an der heutigen Stärke der "Rechten" wäre, das sehe ich aber in deiner Argumentation nicht.
Zu dem Konzept, auf das sich der Artikel bezieht: "In diesem Projekt wurde zumeist das Konzept der »Akzeptierenden Jugendarbeit« mehr oder weniger unreflektiert adaptiert. Es gab Berichte, die Sozialarbeitenden seien in den Projekten entweder überfordert oder teilten die Einstellungen ihrer Klientel. Dadurch entstanden Freiräume, welche die jungen Rechten zur Vernetzung und Agitation nutzen konnten. "
Das klingt eher so, als sei auch die Umsetzung das Problem gewesen. Und selbst wenn das Konzept scheiße ist, dann eben mit Gewalt?
"Belege 2: "Wenn jemand die Polizei verhöhnt, dann ist er ein potenzieller Gegner, egal ob von rechts oder von links. Aber traditionell wird der Staat eher von links in Frage gestellt, spätestens seit der Studentenbewegung. Wenn dagegen früher die NPD aufmarschiert ist, dann ist die ordentlicher marschiert als die Polizei. Die hatte mehr Ordnungskriterien. Deshalb ist das Radarsystem für Gefahr von links intensiver aufgebaut als von rechts, das macht die Sache aktuell nicht leichter." https://www.sueddeutsche.de/karriere/poliz…
Ja, das wollte ich ja auch aussagen, ist mir nur nicht so gelungen
"Über rechte Strukturen innerhalb der Polizei gibt´s nun wirklich Massenhaft Belege..."
Zieht die Polizei eher Menschen mit konservativen law&order-Ansichten und schlimmeren an? Ja. Gibt es innerhalb der Polizei Strukturen und Konfigurationen, die Fehlverhalten ermöglichen? Ja. "Rechte" Strukturen habe ich aber bis jetzt nichts drüber gelesen.
Und das was Gleep sagt kann ich so unterschreiben, denke ich.
@Gleep: Mal über vernünftige Absätze nachgedacht? :-p
Joa, die Zeilenumbrüche alleine sind wahrscheinlich nicht so hilfreich/gut erkennbar. Werde ich beim nächsten Mal versuchen dran zu denken.
Bedankt!
Ich finde es echt erschreckend, dass man hier ellenlang diskutieren muss, um Leuten aufzuzeigen, dass faschistische Strukturen, egal von welcher Seite, scheiße sind und nicht in unsere Gesellschaft gehören. Sorry aber ob ich nun höre "wir klatschen den weil er Ausländer ist" oder "wir klatschen den weil er eine scheiß Meinung vertritt" ist mir egal, es ist beides hochgradig asozial. Ich gehe ja noch mit, dass man einer Gruppe, die auf einen einzelnen einprügelt, selbst mal die Fresse polieren will aber das wars auch schon. Wenn ich hier höre, dass fast unhinterfragt zu terroristischen Taten gegen Leute die einfach eine andere Meinung haben, aufgerufen wird, dann ist es mir herzlich egal ob ihr euch Neo´s oder Antifa nennt. Ihr seid alle scheiße.
@CAPSLOCK & @Gleep: Erstmal vielen Dank für die Diskussion hier, ich mag das wirklich gerne. Werde heute aus Zeitgründen nicht dazu kommen, mich durch eure Antworten zu lesen, hole das aber auf jeden nach und geb meinen Senf dazu.
@banana: Äh... ja... lies vielleicht doch nochmal den Thread genauer.