laut.de-Kritik
Ungewöhnlicher Film über die letzten Tage Kurt Cobains.
Review von Mathias MöllerGus Van Sant hat sich mit "Last Days" fraglos eines großen Themas angenommen. Einen Film über die letzten Tage Kurt Cobains, des modernen Messias der Rockmusik, zu drehen, kann schnell nach hinten losgehen. Gus Van Sant ("Elephant", "Good Will Hunting") aber hat die nötige Chuzpe, dieses Vorhaben anzugehen. Und es gelingt. Auch wenn "Last Days" ein äußerst ungewöhnlicher Film ist.
Der Streifen ist keine direkte Nachzeichnung dessen, was in den Tagen vor Cobains Selbstmord passiert sein könnte, sondern eine Skizzensammlung, angelehnt an Nirvana und ihren Frontmann. Die Hauptperson heißt hier Blake (hervorragend gespielt von Michael Pitt), die anderen Protagonisten Scott (Scott Patrick Green) und Luke (Lukas Haas). Zusammen haben sie eine Band, alle drei (und die Freundinnen von Scott und Luke) leben zurückgezogen in einem alten Haus. Blake ist introvertiert, durchgeknallt und schwer mitgenommen, wahrscheinlich vom Drogenmissbrauch. Die anderen haben sich hilflos mit seinem Zustand abgefunden.
Und so kommt es zu irrwitzigen Szenen. Blake, in Negligé, Docs, Mantel und Elmer-Fudd-Mütze zielt mit einem Luftgewehr auf seine schlafenden Mitbewohner. In einer anderen Szene lässt er sich von einem Vertreter der Gelben Seiten eine Anzeige für ein Geschäft aufschwatzen, das er gar nicht besitzt. Scott derweil schenkt sich einen Rotwein ein, als zwei Kirchenvertreter ihn zum guten Glauben bekehren wollen. Kim Gordon von Sonic Youth hat als Managerin der Band einen kleinen Auftritt, und Thurston Moore zeichnet für die Musikauswahl verantwortlich. Am Ende endet es, wie es auch mit Cobain zu Ende ging.
Regisseur Gus Van Sant hat mit seiner Crew einen atmosphärisch dichten Film geschaffen, der seine Kraft aus seiner schier unglaublichen Langsamkeit bezieht. Lange, ruhige Kameraeinstellungen und wenig Schnitte bilden die Antithese zum schnellen, grellen MTV-Clip. Genauso, wie Nirvana die Antithese zum etablierten Mainstreampop auf MTV sein wollten. Sie sind gescheitert, landeten selbst in der Mühle. Die unweigerlich entstehende Kaputtheit kann man auch Blake ansehen.
Während ein MTV-Clip meist nicht ohne große Effekte oder große Ärsche und Titten auskommt, schleicht sich "Last Days" nur so daher. Da kann es schon mal passieren, dass der Protagonist aus dem Bild läuft und die Kamera eine gefühlte Ewigkeit auf irgendwelchen Rabatten stehen bleibt. Die Unfähigkeit, seine Gefühle zu kommunizieren, merkt man Blake deutlich an. Er kann kaum mit seinen Freunden reden, geschweige denn mit Fremden. In der ersten Viertelstunde wird gar nicht gesprochen, der Eigenbrödler brabbelt lediglich ein wenig vor sich hin.
Alle Beteiligten spielen durchaus überzeugend, doch ab und zu entfernt sich Van Sant wohltuend vom Mythos Nirvana, zum Beispiel in einer angedeuteten Liebesszene zwischen Luke und Scott. Ein solches Verhältnis zwischen Novoselic und Grohl hätte man sich wohl kaum vorstellen können. Weil für den Film kein festes Drehbuch existierte, entsteht eine natürliche Dynamik. "Last Days" erreicht nur bedingt eine Balance zwischen eigenständiger Geschichte und Nirvana-Hommage, zu sehr ähnelt Hauptdarsteller Michael Pitt dem Frontmann, der Grunge in die Welt brachte. Aber wenn man sich das immer wieder vor Augen führt, entwickelt "Last Days" ein erstaunliches Eigenleben.
3 Kommentare
Schade, dass Cobain's Erbe genauso zum Kommerz verkommt wie seinerzeit schon Hendrix und Tupac. So werden legendaere Leichen verwaessert!
ach, gibt's jetzt auch reviews zu spielfilmen?
na, dann, wobei das ist ja wohl ein sonderfall. vielleicht ne überlegung wert, ob man das nicht beim kinostart von "control" genauso hätte machen können.
yo. stimmt. haben wir hin und wieder mal, bei last days hat sich ne review angeboten. ansonsten eher ein special oder eine news. zu "i'm not there" wirds wohl sowas geben, den hab ich nämlich schon gesehen. zu "the future is unwritten" und "american hardcore" hatte ich mal news geschrieben. bin jetzt aber zu faul, sie rauszusuchen.