laut.de-Kritik
Positive Energie im Gepäck, Wut im Bauch.
Review von Simon LangemannVon Anfang verdeutlichen die Irie Révoltés, was sie sich für "Mouvement Mondial" (dt.: weltweite Bewegung) vorgenommen haben: politischen Widerstand, der sich gegen Rassismus, Diskriminierung und Ausbeutung richtet, verpackt in kraftvolle Songs mit mitreißenden Beats.
Dabei möchten die neun Musiker bei aller Entschlossenheit nicht zornig klingen, sondern vor allem "positive Energien verbreiten und somit Motivation schaffen, um gemeinsam etwas zu bewegen", so Drummer Flex.
Bei der musikalischen Umsetzung hat man sich noch mehr als auf dem über 10.000 mal verkauften Vorgänger den roughen Dancehall-Beats verschrieben, ohne dabei die offbeatlastigen Trademarks des Reggae/Ska aus den Augen zu lassen.
Nur selten hört man dabei Einflüsse anderer Künstler heraus. Einzig beim Beat des eröffnenden "Back Again" fühlt man sich, als hätte man gerade ein altes Seeed-Album aufgelegt.
Ansonsten erschaffen die "fröhlichen Aufständischen" auf ihrer dritten Scheibe einen komplett eigenen Stil, den sie vor allem ihren französischsprachigen Texten verdanken. Um großen Teilen der Zuhörerschaft den Zugang nicht komplett zu verwehren, enthält "Mouvement Mondial" zudem vermehrt deutsche Strophen und Songs.
Das dies nicht den geringsten Originalitätsverlust zur Folge hat, verdeutlichte bereits die Vorabsingle "Zeit Ist Geld", eine entschlossene Antwort auf die weltweite Finanzkrise und die kapitalistisch geprägte Mentalität der westlichen Welt.
Die damals dazugehörige und damit ebenfalls altbekannte B-Seite "Travailler" spricht – diesmal auf französisch – die selbe Problematik aus alltäglicher Sicht an. Trotz ernster Thematik verbreitet die Kombination aus fetten Beats und leicht verzerrten Gitarren ekstatische Feierlaune.
Auch "Merci" wurde bereits vor drei Jahren mit fremdem Instrumental auf einem Sampler veröffentlicht. Die durchaus lohnenswerte Reinkarnation dieses klassischen Reggae-Titels macht trotzdem Spaß und stellte dank extrem hohen Ohrwurmpotenzials die zweite Vorabsingle. Sie verdeutlicht außerdem eine der größten Stärken der Band: die Hooklines.
Wenn man von der (vielleicht bewusst) etwas naiv klingenden Melodie in "Utopie" absieht, entlädt sich bei fast allen Songs die aufgebaute Spannung in grandiosen Refrains, die zuerst gute Stimmung erzeugen und sich anschließend direkt im musikalischen Gedächtnis des Hörers festsetzen.
Mit "Mouvement Mondial" veröffentlichen die Irie Révoltés eine Fülle an Hits mit vielen Höhepunkten, darunter das Ska-lastige "Explosion", das verheißungsvoll klingende "On En A Marre" sowie das rebellische "Manipubation".
Dass man nicht nur positive Energie im Gepäck, sondern auch viel Wut im Bauch hat, zeigt das zweisprachig dargebotene "Antifaschist". Die überraschenden und angesichts des stimmlichen Potenzials auch völlig unnötigen Autotunes im Refrain sind zwar durchaus kritisierbar, doch die Strophen bieten Lyrics auf hohem Niveau.
Anders als der Titel vielleicht vermuten lässt, greift Sänger Mal Élevé nicht auf hohle Parolen zurück, sondern setzt sich auf intelligente Art und Weise mit Ausländerhass und Faschismus auseinander. "Ich frag' mich, warum so viel' Leute wegschau'n. Ist es Angst, Akzeptanz oder Ignoranz?"
Vor allem die einzigartige Kombination der drei Vokalisten, die unterschiedlicher kaum sein könnten, macht den Sound der Heidelberger so mitreißend. Während Mal Élevé mit Höchstgeschwindigkeit zwischen wütendem Toasting und Gesang wandert, liefert Carlito mit seiner angenehm souligen Stimme das gefühlvolle Kontrastprogramm. Die interessanten Lines von Rapper Silence bilden dabei stets eine passende Abwechslung zum französischstämmigen Brüderpaar.
Mit "Des Fois" wagen die Aufständischen, abgesehen vom leicht schnulzigen Reggae-Song "Tes Yeux", den einzigen Ausflug in melancholischere Gefilde, was angesichts der entspannten Balladen des Vorgänger-Albums fast schon etwas bedauerlich ist.
Zudem bekommt man es hier mit einem der besten Songs des Albums zu tun, der abwechselnd auf Deutsch und Französisch eindringlich die traurige Geschichte eines Asylbewerbers erzählt. Einen würdigen Rausschmeißer bietet "Poulet", das anfangs leicht orientalisch klingt, um dann mit treibendem Beat und Gitarrenriff kräftig auf die Tube zu drücken.
Anschließend bedauert man fast, dass das Outro nur aus einem etwas einfallslosen Neuaufguss von "Back Again" besteht und danach eine etwas unnötige Originalversion von "Merci" das Album beschließt.
In den vergangenen vier Jahren ohne musikalischen Output hat sich die Band auf den bisherigen Höhepunkt ihrer Karriere vorbereitet. Der Tatendrang, den dieses Album vermittelt, lässt auf eine erfolgreiche Fortsetzung ihres Werdegangs hoffen.
4 Kommentare
Marrant, des Allemands qui ne font que des textes en Francais, sympa. C´est mieux comme ca, parceque "Zeit ist Geld", c´est vraiment nul.
"Positive Energie im Gepäck, Wut im Bauch." - Selten hat eine Kritik so passend angefangen...und eigentlich ist damit alles geagt: Den Rest muss man gehört haben
@pierrebaguette (« Marrant, des Allemands qui ne font que des textes en Francais, sympa. C´est mieux comme ca, parceque "Zeit ist Geld", c´est vraiment nul. »):
quand meme, ca va
je préfère aussi leurs textes francais, mais les changements de langue, c'est ce qui est originale de leur musique
Il y a du vrais dans ce que tu dis.