Porträt

laut.de-Biographie

J.J. Fad

"Eazy-E erzählte mir das vor langer Zeit, und es ging mir nicht mehr aus dem Kopf: Als wir anfingen, waren wir so drauf, dass wir ihn fragten: 'Fühlst du dich nicht schlecht dabei, alle Frauen 'Bitches' und 'Schlampen' zu nennen, und fühlst du irgendwas dabei?' - Er schaute mich an und meinte: 'Bist du eine 'Bitch'?' - Und ich sagte 'Nein.' - Er fragte: 'Bist du eine Hure?' - Ich entgegnete 'Nein.' - Er darauf: 'Dann reden wir nicht von dir.' - Und ich dachte mir: 'Wow, auf diesen Gedanken bin ich nie gekommen.' Das hat mich immer begleitet."

J.J. Fad - Not Just A Fad Aktuelles Album
J.J. Fad Not Just A Fad
Die federnden Beats lassen keine Zeit für schlechte Laune.

So erinnert sich MC Juana Michelle Burns im Gespräch mit Hip Hop DX. Ihr 'J' aus Juana steht für den ersten Buchstaben im Akronym J.J. Fad: Juana, Juanita, Fatima, Anna und Dana. Eazy-E, Teil der N.W.A., ködert sie für sein Label Ruthless. Dort werden sie die jüngsten Artists. Im Gefolge der Electro-Freestyle-Welle in der frühen House-Music, teilt sich die Fünfer-Crew das Mic auf. Alle fünf Frauen shouten mit ihren kontrastreichen Stimmlagen anno 1985 ihre halb-ernst gemeinten Lines. Neben Salt-n-Pepa gelten sie rasch als Pionierinnen weiblicher Rap-Combos. Allerdings am Pazifik und als Antwort auf Spinderella und ihre Mitstreiterinnen: J.J. Fad stammen aus Rialto, etwa 50 Kilometer von der Küste und von L.A. entfernt.

Eine von ihnen hat Erfahrung als Cheerleader und weiß sich rhythmisch zu bewegen. Entsprechend lautstark klingen die Anweisungen in einem der ersten Tracks, "My Dope Intro": "Just throw ya hands in the sky / and wave it from side to side! All right! Say hu-ooh!" In erster Linie ist alles bei den Girls learning-by-doing und vor allem: Spaß, Tempo, fette Beats und schnelle Wortkaskaden, inmitten eines Feuerwerks aus funky Samples und schnittigen Scratches.

Im Teenie-Alter stolpern die Westcoastlerinnen direkt aus der Schule ins Studio. Sie treffen dort auf Dr. Dre. Er und N.W.A.-Kumpel DJ Yella tanken parallel gerade Erfahrung im Electro-Funk und R'n'B, als Teil der World Class Wreckin' Kru. Schnell wird Dre für seine ungehörte Herangehensweise in der Klangkonstruktion bekannt: Schwer rollende Beats prallen auf helle und mitunter blechern klappernde Synthie-Sounds.

Markant hebt sich die Zuarbeit von Ko-Produzent Arabian Prince am legendären 808-Sequencer hervor, der eine ganz typische Electro-Tonfarbe auswirft. Die Mixtur beinhaltet in sich eine faszinierende Gegenüberstellung und wird eine der Hauptsäulen der G-Funk-Strömung am Schauplatz Compton, eine Autostunde von Rialto.

Zum Manager der J.J. Fad erklärt sich Jerry Heller, damals Ende Vierzig, eine große Hausnummer im US-Musikmanagement, Geschäftsmann, erfolgreicher Tour-Booker. Seine Sporen hatte er sich zuvor mit Rock-, Folk- und ein paar ausgewählten Soul-Acts (z.B. Marvin Gaye) verdient. In den Achtzigern hört der bleiche Agenturinhaber in der Früh-Ära der Rap-LPs seine ganz große Stunde läuten. Als Mit-Eigentümer von Ruthless glaubt er, mit den formbar scheinenden jungen Mädchen würden die Kassen klingeln. Mit seinem Riecher soll er zwar Recht behalten. Aber eine der beiden J's sowie das F und das A in der Gruppe glauben nicht dran. Juanita 'Crazy J.' Lee, Fatima 'O.G. Rocker' Shaheed und 'Lady' Anna Cash tragen Hellers Pläne nicht mit. Die künstlerischen Jugendträume können sie sich finanziell nicht leisten und machen nach der ersten veröffentlichten Aufnahme "Anotha Ho" ("Noch ne Hure") die Biege.

"Du denkst halt, weil du eine Single im Radio hast, hast du automatisch dieses ganze Geld. Aber", erläutert Juana, die zweite 'J', mit 21 damals die älteste, ""keine Ahnung warum, da gab's nicht viel Geld, wir mussten's ja auch zu fünft teilen. Die anderen Mädchen dachten, wir sollten mehr Geld machen und dachten, da läuft was, war aber nicht so, und so entschieden sie sich zu gehen. Ich versuchte denen die Situation zu erklären, aber ich glaube, andere Leute flüsterten ihnen was ein, und sie hörten lieber auf die Leute, die wirklich keine Ahnung hatten. Es war ärgerlich, aber es gab nichts, was ich hätte sagen oder tun können um ihnen rüber zu bringen, dass ich es ehrlich mit ihnen meine", so Juana im Blog Rockthebells.

Kein Hinderungsgrund für sie und für D, Dana 'Baby-D' Birks, die bereits ausgebreiteten Ideen ins Recording Studio zu tragen. Fürs Konzept des Staffelstab-Highspeed-Rappens braucht's aber eine dritte Stimme: Michelle Franklin steigt ein und nennt sich stylisch 'Sassy C'.

Sie komplettiert die neuen und eigentlichen J.J. Fad, die man so auch auf den Artworks sieht. Deren Grundfarbe wird pink. Die Stimmen ergänzen einander gut, vereint in Selbstbewusstsein und Selbstverständlichkeit: Emanzipatorisch keifend (Sassy C), frech krähend (Baby D), liebevoll einheizend (Juana).

Sie produzieren zwar ihre Sounds nicht selbst mit, komponieren nicht, bringen keine tieferen musikalischen Kenntnisse ein. Aber in "Let's Get Hyped" nehmen die drei ihre Rezeptur selbst auseinander ("we'll add the 808 to make the beat sound enormous"), erklären dass sie keine Highschool-Band sind ("This ain't no highschool band, homeboy, get off it") gern in die Produktion reinreden und würdigen dabei ihren DJ Train an den Reglern.

"Cold trippin' and kickin' it / while the beat is just rippin' it up (...) Super big beats (...) and we'll never stop unless we want to change the drums. / Not never, we'll too clever, ayo: Dre change the beat / back! / I like the first one better. (...) Bass, is the name off our game, and Train is our DJ's name. So Train? What's up? Are you ready to? drop? (...) Train, cut the trumpet. (...) I'm not gonna rhyme with nothing common. / Cause I'm tired of the basic rhymes / basic beats, basic records / that's just basically weak - I need a big beat!"

Die Electro-lastige Single "Supersonic" heißt wörtlich übersetzt "Überschall". Ihrem Claim gemäß schlägt sie als voller Erfolg in den Clubs und auf MTV ein. Heller pflegt gute Kontakte zu den Vertrieben des neuen Major-Partners Atco, nämlich zu Atlantic (USA) und Warner (international), und lässt die Single hunderttausendfach in den Läden platzieren. Die ursprüngliche Aufnahme ist schon älter, schnell schiebt man ein Re-Recording in der Besetzung Sassy C, Baby-D und JB (Juana) hinterher, obwohl schon eine Single in der alten Besetzung kursiert.

Wo der Erfolg winkt, rückt das Trio als Zielscheibe für einen Beef ins Visier. Lange bevor Foxy Brown und Lil' Kim einander battlen und dissen, gibt es bereits "That's Funky (JJ Fad Diss)". Als Marketing-Gag flutscht der Tune direkt aus dem Hause Ruthless höchstselbst. Dort heuern die beiden Rapperinnen $ugga And $pice an (und bringen es auf drei Songs). Die Gedissten kennen diese beiden Kolleginnen aus dem eigenen Stall aber gar nicht. Wenn man davon absieht, dass Dre ihnen in "Now Realy" ein Sample aus $ugga And $pices Song "Yes We Can" unterjubelt, geben sie auf den "JJ Fad Diss" sonst keine Antwort.

Schließlich sind sie mit der Debüt-EP und Namensgebung beschäftigt. Da sie sich durch "Supersonic" bereits einen Namen gemacht haben, behalten sie das Akronym J.J. Fad bei. Die neue Übersetzung: 'Just Jammin' Fresh And Def'. Das Bekenntnis zur eigenen Marken-Identität taucht nämlich schon im Text von "Supersonic" auf: "See, the 'J' is for 'just', the other for 'jammin'' / The 'F' is for 'fresh', 'A' - and - 'D', 'def'!"

Die ausgeschiedenen Juanita und Fatima versuchen sich derweil als Too Badd in einer neuen Combo und bringen's bis zum Format Maxi-Single: mit "Too Badd" (inklusive JJ Fad-Sample-Fetzen) und mit "Cumin' Up", 1988/89.

Für "Supersonic", mehr als eine EP und mit 32 Minuten kürzer als die damals gängige LP (38 Minuten), recycelt man noch schnell das Gerüst des Titel-Tracks in "Eenie Meenie Beats". "Supersonic - The Album" erscheint im Juni 1988. Die Tracks finden vielseitig Verbreitung, "Supersonic" erreicht Kultstatus und rotiert in den Clubs. In den US-DJ-Charts erreicht der Track Platz 10, in Kanada die strahlende Eins der Dance-Charts - der dort wohl meist getanzte Tune des Frühlings '88. Auf dem Mixtape "88 Boom 'N' Bass" des DJs Tony-A Alvarez, auch genannt 'The Wizard', sind die Kostproben "Freestyle", "Supersonic (Innie Minnie Beats Remix)" und "In The Mix" vertreten. Der Film-Soundtrack zu "Coming To America" mit Eddie Murphy als afrikanischem Prinzen, der einer arrangierten Ehe entwischen will und die ehrliche Charakter-Liebe sucht ("Der Prinz aus Zamunda"), lässt "Comin' Correct" von J.J. Fad aus den Dolby Surround-Boxen der Kinosäle schallen. Anschließend profitieren die Fad von der Einführung des 1989 neuen Grammys für Rap und werden sogleich nominiert.

Sowohl sie als auch Salt-n-Pepa ("Push It") verlieren allerdings gegen DJ Jazzy Jeff. Der Song "Supersonic" lebt dennoch lange weiter. Als Sample hallt er in "Fergalicious" von Fergie und Will.I.Am oder auch in Eminems "Rap God" nach. Ein Mash-Up aus Fergies Version, dem Original und Salt-n-Pepas "Push It" schreibt den Kult fort. Weitere Einsatzgebiete für den "Überschall": zum Beispiel bei Killer Mike, und bei den Jurassic 5 auf "Feedback".

Beats wie von den Pet Shop Boys wirken hingegen eher neu auf einer Hip Hop-LP damals, finden sich aber auf dem Nachfolger "Not Just A Fad". Co-Producer Arabian Prince verantwortet jetzt weitgehend die Massen an James Brown-Samples, mit denen die East Coast-Mitbewerberinnen aber auch schon einschlugen (siehe "Push It").

Arabian Prince, der Typ ganz links oben auf dem Cover-Artwork des N.W.A.-Klassikers "Straight Outta Compton", löst sich allerdings aus dem Rapper-Kollektiv. Sowohl er als auch J.J. Fad werden später beim Film übers Label und die Szene glatt vergessen, als 2015 das Biopic "Straight Outta Compton" den Erfolg der Crew nachzeichnet. In deren Laboratorium waren die Fad ein wesentliches Experimentierfeld für neue Hardcore-Sounds, Gangsta-Gestus und gute Soul-Samples und dienten außerdem für einen Hauch Gender-Balance zur (nicht wirklich feministischen) Image-Pflege. "Das Label fing gerade erst an, als wir dazu stießen", erinnert sich Juana bei Rockthebells. "Sie hatten sich überhaupt noch keinen Ruf erworben, weil noch gar keine Musik draußen war, aber sie wussten genau, was sie vorlegen wollten. Sie wussten, dass sie hardcore klingen würden. Sie wussten jedoch nicht, wie gut das Mainstream-Amerika es akzeptieren würde. Aus dem Grund schickte man zuerst uns vor, um auf eine Art das Label zu etablieren und zu legitimieren."

Beispiel: Mit "We're All In The Same Gang" stellte das Label Ruthless viele seiner Acts gleichzeitig vor. Als The West Coast Rap All-Stars. Mit dabei natürlich auch die 'First Ladies' der Firma. Doch nachdem Dre schon für "Not Just A Fad" keine Zeit mehr erübrigen kann und die Girls darüber etwas enttäuscht sind, gibt's kein Team für eine Fortsetzung. Immerhin werden sie im Gegensatz zu anderen somit auch nicht Opfer seiner berüchtigten Gewalttaten an Frauen. J.J. Fads Bühnen-Mitstreiter DJ Train stirbt 1994 an einer Rauchvergiftung in einer Panikreaktion bei einem Brand, Eazy-E 1995 infolge von AIDS. Das Ruthless-Label schlägt im Major-Umfeld neue Wege ein. Das Kapitel der Fad ist schnell zuende geschrieben.

Was machen die Einzelnen danach? - "Wir haben nicht mal mehr Kontakt zu jemandem", schildert Baby D im Jahr 2015 im Gespräch mit Hip Hop DX über die Herren bei der alten Plattenfirma. "Ich wünschte, es wäre anders gelaufen, aber ich kann daran nichts ändern. (...) Ich fände es gut für sie, wenn sie in Betracht zögen, uns wahrzunehmen und zu sagen 'Danke, Mädels, nach all den Jahren.'"

Im Musikbusiness ist dann keine der drei Rapperinnen mehr aktiv. Erst ab 2018 kehrendie glorreichen drei zurück an die Oberfläche. Sie nutzen Social Media-Kanäle wie TikTok oder Instagram, als wären sie noch mal 18 wie damals. Und Pinterest wird geflutet von alten Bildern aus damaligen Foto-Shootings.

Mitte 2022 erklärt ein Stadtrat ihres Heimatortes Rialto feierlich einen Straßenabschnitt zum 'JJ Fad Way'. So was schaffen die wenigsten Musik-Legenden. Anfang 2023 sammeln die anderen beiden verbliebenen Mitglieder für Sassy C Spenden, nachdem sie bei einem Hausbrand all ihr Hab und Gut und ihre beiden Hunde verliert. Die drei MCs sind also wieder in Kontakt miteinander. In Zeiten, in denen das Gender-Gleichgewicht im Hip Hop mehr denn je diskutiert wird, wäre ein Comeback der drei charakterstarken Stimmen mit ihren furchtlos direkten Texten sicher erfrischend.

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