Porträt

laut.de-Biographie

John Lennon

"Das Christentum wird verschwinden. Darüber brauche ich nichts zu sagen. Ich habe Recht und es wir sich zeigen, dass ich Recht habe. Im Moment sind wir beliebter als Jesus Christus."

John, Paul, George, Ringo: Jedem Beatle ein Biopic
John, Paul, George, Ringo Jedem Beatle ein Biopic
James Bond-Regisseur Sam Mendes hat Großes vor: 2027 sollen vier The Beatles-Filme erscheinen - pro Bandmitglied einer.
Alle News anzeigen

Diese Worte Lennons schlagen in den USA im Sommer 1966 ein wie eine Bombe. Zum ersten Mal in ihrer Karriere müssen sich die Beatles mit harscher Kritik, gar mit Hass auseinandersetzen. Die Spannungen zwischen den Mitgliedern, schon seit einiger Zeit unterschwellig vorhanden, steigen rasch an.

Es ist der Anfang vom Ende. Lennon hat es satt, den Anweisungen des Managements zu folgen, Lieder wie "Yesterday" zu singen oder vor Massen aufzutreten, die so laut kreischen, dass selbst die Band auf der Bühne nichts von ihrem Spielen mitbekommt. Obwohl die Beatles bis 1969 weiter zusammen Musik machen, darunter die Alben, mit denen sie endgültig in die Geschichte eingehen, emanzipiert sich Lennon zunehmend von der beliebtesten und erfolgreichsten Band aller Zeiten.

Am 9. Oktober 1940 geboren, ist er zwar nicht der Älteste der Gruppe (Drummer Ringo Starr ist noch ein paar Monate älter), wird aber als deren Anführer angesehen - obwohl Paul McCartney ein gleicher Anteil an Erfolg und musikalischer Qualität der Beatles beizumessen ist. Während McCartney jedoch als braver Schwiegersohn angesehen wird, repräsentiert Lennon eher das Kantige, Schroffe und Unangepasste. Eine persönliche Einstellung, die immer mehr zum Vorschein kommt.

Im Herbst 1966 tritt er als Private Gripweed in Richard Lesters Antikriegssatire "How I Won The War" auf (in Spanien und der Lüneburger Heide gedreht). In der selben Zeit lernt er auf einer Ausstellung in London die in New York lebende japanische Künstlerin Yoko Ono kennen - es ist keine Liebe auf den ersten Blick, aber doch der Anlass, sich von Ehefrau Cynthia (und Sohn Julian) zu trennen.

Im Jahre 1968 nimmt Lennon mit dem Song "Revolution" politisch Stellung: Ja, ich bin für Revolutionen, aber gegen Gewalt. Für Aufregung sorgt er kurz danach mit dem Album "Two Virgins," weniger wegen des Inhalts, eine in einer Nacht erzeugte Collage aus elektronischen Klängen und Gekreische Onos, sondern wegen des Covers, auf dem das Paar stehend, umarmt, in die Kamera schauend und splitternackt abgelichtet ist. Nach langwierigen Verhandlungen mit der Plattenfirma kommt es schließlich auf den Markt - zu haben ist es allerdings nur unter der Ladentheke und in braunem Papier eingehüllt. Für negative Schlagzeilen sorgt im Oktober '68 auch der Fund einiger Gramm Haschisch bei einer polizeilichen Durchsuchung von Lennons Wohnung. Das Gerichtsurteil ist mild, aber das Verfahren wirkt sich negativ auf die öffentliche Wahrnehmung des Paares aus, insbesondere auf die Figur Onos.

Ihre unangekündigte Hochzeit auf Gibraltar im März 1969 repräsentiert die endgültige Wende. Ihre Flitterwochen werden zu einem medialen Ereignis: Im Bett sitzend veranstalten sie in verschiedenen Städten "Bed-Ins," mit denen sie für den Weltfrieden werben wollen. Von der Presse umzingelt, kommt in Montreal das Lied "Give Peace a Chance" zustande, das zur Hymne der Friedensbewegung wird und Lennon zu einer ihrer Hauptfiguren kürt. Der erste Auftritt der Plastic Ono Band in Toronto im September bedeutet das faktische Ende der Beatles - auch wenn die offizielle Bekanntgabe erst einige Monate später erfolgt.

Vom Ballast seiner Rolle befreit, widmet sich Lennon zunächst sich selbst, seiner Kindheit und seinen Jahren mit den Beatles. Das musikalische Ergebnis heißt "Plastic Ono Band" (1970). Die minimalistischen, von Phil Spector fast primitiv produzierten Stücke sind die besten, die Lennon ohne McCartney jemals schreiben wird, ein Mensch, der Wut und Verzweiflung aus sich herausschreit, um einen neuen Sinn im Leben zu finden: "I don't believe in Beatles / I just believe in me, Yoko and me / The dream is over," heißt es am Ende von "God." Gleichzeitig beweist das dylaneske "Working Class Hero" mit seinen letzten Zeilen "A working class hero is something to be/ If you want to be a hero then just follow me" dass Lennon viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, um wahrzunehmen, was wirklich in der Welt passiert.

Im Gegensatz zu seinen ehemaligen Kollegen wird sein erstes Solowerk sehr zurückhaltend aufgenommen. Das Nachfolgeprojekt im Jahre 1971 heißt "Imagine" und ist wesentlich kommerzieller ausgerichtet, dafür auch weniger aussagekräftig. Mit den seifigen "Imagine" und "Jealous Guy" enthält es aber seine zwei größten Soloerfolge.

Im selben Jahr siedelt das Paar nach New York um - und besiegelt somit faktisch das Ende Lennons musikalischer Karriere. Er verliert sich in kindlichen pazifistischen Utopien, lässt verschiedene Hauptstädte mit seinem und Onos Konterfeit tapezieren, veröffentlicht mit "Happy Xmas (War is Over)" ein Gegenstück zu "Oh Tannenbaum" und verschickt Eicheln an alle Staatsoberhäupter der Welt - mit der Aufforderung, "Friedenseichen" zu pflanzen. Es folgen die schwachen Alben "Some Time in New York City" (1972, mit dem unsäglichen "Woman is the Nigger of The World"), "Mind Games" (1973) und "Walls And Bridges" (1974).

Im Herbst desselben Jahres sorgt er wieder für Gesprächsstoff: Mit Onos Sekretärin May Pang flüchtet er nach Los Angeles und lebt einige Monate lang mit Kumpels Harry Nielssen und Ringo Starr im Drogen- und Alkoholrausch. Irgendwie schafft er es, mit Phil Spector das Projekt "Rock'n'Roll" abzuschließen - ein Album mit Klassikern aus seiner Jugend.

John Lennon - Plastic Ono Band - The Ultimate Collection
John Lennon Plastic Ono Band - The Ultimate Collection
Jubiläumsausgabe mit gelungenen neuen Abmischungen.
Alle Alben anzeigen

1975 kehrt er zu seiner Frau zurück. Nach einer verlorenen Wette mit Elton John (der es mit einer Coverversion von "Lucy In The Sky With Diamonds" auf den ersten Platz der Charts gebracht hatte) gibt es einen gemeinsamen Auftritt im Madison Square Garden; kurz darauf schreibt er "Fame" mit David Bowie. Danach verschwindet er fünf Jahre lang komplett aus der Öffentlichkeit.

Über diese Zeit, die er in seiner Wohnung im luxuriösen Dakota Building, am Rande des Central Park, verbringt, gibt es unterschiedliche Meinungen. In einem Interview mit Playboy beschreibt sich Lennon 1980 als Familienvater, der den gemeinsamen Sohn Sean großzieht, während sich seine Frau um die Finanzen kümmert. Skandalbiograph Albert Goldmann malt dagegen das Bild eines Heroinsüchtigen und Kettenrauchers, der so viel Zeit in der Badewanne verbringt, dass sich seine Haut fast vom Körper ablöst.

Nach eigenen Angaben nimmt Lennon erst 1980 wieder die Gitarre in die Hand. Das Ergebnis ist "Double Fantasy," abwechselnd ein Lied von ihm und eins von Ono, die sich fast ausschließlich mit Beziehung und Familienleben beschäftigen.

Obwohl es sein erstes Lebenszeichen seit einigen Jahren ist, bleibt der Erfolg der Platte weit hinter den Erwartungen zurück. Um so größer ist die Erschütterung, als am Abend des 8. Dezembers die Nachricht um die Welt geht, dass er von einem Geistesgestörten vor dem Dakota Building erschossen wurde. Die mäßige Solokarriere ist im Nu vergessen: Lennon wird endgültig zur Ikone erkoren und teilt sich seitdem mit Elvis den höchsten Thron im Olymp der toten Musiker.

Doch während der Star aus Memphis eher einer einbalsamierten Leiche gleicht, entwickelt die Figur des toten Lennons ein erstaunliches Eigenleben. Über seinen Tod entstehen die kühnsten Theorien, in England erreicht er mit "Imagine" auch als Solokünstler endlich den ersten Platz der Hitparade, das Album, das er gerade am Aufnehmen war, "Milk and Honey," wird von Ono fertig gestellt und 1984 veröffentlicht. Alle paar Jahre 'findet' seine geschäftlich geschickte Witwe Kisten und Kartons mit 'verschollenem' Material, das die pünktlich zu Weihnachten erscheinenden Best-Ofs und Anthologies immer wieder zu Verkaufsschlagern macht.

Eine Wiedergeburt der besonderen Art erlebt Lennon im Jahre 1995, als die restlichen Beatles sich zusammensetzen, um drei Doppel-CDs mit unveröffentlichtem, bis dahin nur auf Bootlegs vorhandenem Material herauszubringen. Computeranimiert singt Lennon bei "Free Like A Bird" und "Real Love" mit, die Schlagzeilen überschlagen sich, die Beatles führen nach 25 Jahren weltweit wieder die Single-Hitparaden an.

Das nächste Mal erscheint sein Gespenst 2000 als 'John' in der "Beatles Anthology", eine üppige Autobiographie, in der sich die Band in Form eines bebilderten Interviews erzählt. Während sich die restlichen Mitglieder aktiv am Projekt beteiligen, setzt sich Lennons 'Beitrag' gezwungenermaßen aus Zitaten vergangener Zeiten zusammen.

John Lennon bleibt, auch 20 Jahre nach seinem Tod, eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts - nicht nur in musikalischer Hinsicht. Ein Zeugnis dafür ist das spontane Zusammenkommen Hunderter von Fans, die sich jedes Jahr am 8. Dezember in "Strawberry Fields" treffen, ein ihm gewidmeter Bereich des Central Parks unweit des Dakota Buildings,in dem Yoko Ono seine Asche verstreut hatte. Vielleicht hatte Lennon 1966 doch nicht ganz unrecht.

News

Alben

Surftipps

  • Offizielle Seite

    Infos und einige Videos.

    http://www.johnlennon.com
  • Bagism

    Infos und Community.

    http://www.bagism.com
  • Die Rolling Stone-Interviews von 1970

    Jann S. Wenner spricht mit Lennon ausführlich über das Lebem mit und nach den Beatles.

    http://www.jannswenner.com/Archives/John_Lennon_Part1.aspx

3 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    John Lennon gehört wahrscheinlich zu einer der kontroverst diskutierten Figuren unserer Zeitgeschichte. Er wurde und wird abgöttisch verehrt, ehrenhaft respektiert, aber auch denunziert oder abgrundtief gehasst. Letzteres hat, im Zusammenhang mit seinem eingangs genannten Beliebtheitsvergleich der Beatles mit Jesus, einen erheblichen Beitrag zu seinem frühen Tod geleistet.
    Er selbst hatte es nicht immer leicht in seinem Leben. Als Jugendlicher musste er mit ansehen wie seine Mutter starb und flüchtete sich in die Musik, die er in der Folge mit rebellischer Leichtigkeit revolutionierte. Stets in Konkurrenz zu seinem engsten Mitstreiter Paul McCartney, an dem er sich messen lassen musste, ob er wollte oder nicht. Wenn man zurückblickt, dann war das auch umgekehrt der Fall. Selbst heute noch, knapp 40 Jahre nach John Lennons Tod, wird Bilanz zwischen Paul und John gezogen und immer noch moniert sich Paul darüber nur als Nummer Zwei angesehen zu werden.
    John hatte die Beatles satt, als die 60er zuende gingen. Er wollte zusammen mit Yoko neue Wege beschreiten und das tat er in der Folge auch. Es war ihm zwar nicht völlig egal, aber er hatte das künstlerisch notwendige Akzeptanzniveau längst hinter sich gelassen und konzentrierte sich auf die Dinge, die ihm wichtig waren. Auch wenn das für einige seiner Beatles-Fans unverständlich und unverzeihlich war.
    Dennoch trat bei vielen seiner Aktivitäten der Glanz einer Experimentierfreudigkeit zum Vorschein, die ihn schon zuvor aus den Clubs in Hamburg in die Arena des Shea-Stadiums in New York getragen hatte. John veränderte sich zwar, doch wenn man ihm zuhört, dann ist die Magie ungebrochen. Den Kritiken zum Trotz wurden sogar die verrissenen Alben seiner Solokarriere – damals wie heute – so oft verkauft, wie es sich viele Musiker nicht einmal zu träumen wagen.

    Im vorliegenden Text ist es interessant zu lesen, dass die genannten Stücke von John Lennon, Imagine und Jealous Guy, als seifig bezeichnet werden. Das eigene Urteil darüber obliegt selbstverständlich jedermann selbst, aber dieser Vergleich wirkt unverhältnismäßig. Angemessen wäre sicherlich zu sagen, dass John Lennons Solowerk unkonventionell und teilweise vielleicht sogar unerträglich war. Schön war es allerdings auch, was es im Übrigen nicht sonderlich von vielen Beatles-Alben unterscheidet.
    John und Paul waren als Beatles auf dem Papier als Autorenpaar verheiratet, obwohl sie ihre Lieder von Anfang an, mit wenigen Ausnahmen, alleine, jeder für sich, komponierten. Das Album Plastic Ono Band ist zweifellos hervorragend, aber mit Nichten das beste, was John je geschrieben hat. Das würde den vielen Hits mit den Beatles und auch den späteren Werken nicht gerecht. Der Grund dafür ist einfach, denn fast sämtliche Beatles-Hymnen stammen im Wesentlichen aus zwei separaten Federn. Yesterday war Paul und alles andere war John, so lässt sich es sich frei nach John selbst, gemäß seiner Aussage in How Do You Sleep auf seinem Album Imagine, interpretieren. Unabhängig von diesen musikalisch genialen, aber ansonsten unschönen gegenseitigen persönlichen Anfeindungen waren sowohl Paul als auch John, selbst ohne den jeweils anderen, zweifelsfrei herausragende, aber auch unabhängige, Komponisten, deren Schaffenskraft die Ära der Beatles überlebt hat. Auf seine eigene Art und Weise hat John, ebenso wie Paul, nach dem unvermeidlichen Bruch den Weg weiter verfolgt, den er zuvor eingeschlagen hatte. Alles Weitere ist Geschichte, die es Wert ist, dass man sie sich sich zu Gemüte führt. Jeder sollte sich sein eigenes Bild schaffen und aus den vielfältigen Quellen wählen, die es zum Thema John Lennon gibt, denn die Meinungen, Behauptungen (inklusive derer Goldmanns) sowie Verschwörungstheorien zu diesem Phänomen sind so vielfältig und, wie kontrovers.

  • Vor 4 Jahren

    Übrigens verhalf Elton John John Lennon zu seinem einzigen Nummer-Eins-Hit zu Lebzeiten nach den Beatles (darüber hinaus auch nur in den USA): What Ever Get You Through The Night. Dieser Song ist zwar bei weitem nicht der Beste, den John je geschrieben hat, aber nach der Aufnahme versprach John Elton, dass er mit ihm zusammen aufträte, falls dieser Song zur Nummer Eins aufstiege. Das war dann unerwartet der Fall, so das es dazu kam, dass John und Elton 1974 gemeinsam im Madison Square Garden Lucy in the Sky with Diamonds spielten, einen Hit, mit dem Elton John zuvor ebenfalls sehr erfolgreich war.

  • Vor 3 Jahren

    Ahab jagt den weisen Wal!

    Angesichts der Beiträge über mir (10 Monate her), stellt sich die Frage von ganz allein. Ist John Lennon posthum an Corona verreckt?

    Gruß Captain

    • Vor 6 Monaten

      Mir ist nicht ganz klar, was Du mit deinem Kommentar meinst? Die Beiträge sind zwar etwas länglich, aber dennoch realtiv informativ. LG Sadie ♥

    • Vor 6 Monaten

      "Mir ist nicht ganz klar, was Du mit deinem Kommentar meinst?"

      Same, Sadie. Same.

      RIP, Captain. Jetzt jagst Du deinen "weisen Wal" wohl im ewigen Ozean des unbeobachtbaren Universums weiter. :(