laut.de-Kritik
Leidenschaft aus dem Rebellenköcher.
Review von Ulf KubankeEigentlich wollten Justin Sullivan und seine Kumpanen in diesem Frühjahr Teil zwei der "Dog & Wolf"-Tour in Angriff nehmen. Der krankheitsbedingte Ausfall von Drummer Michael Dean machte ihnen jedoch einen Strich durch die Rechnung. Doch aus der Not erwächst manchmal eine Tugend und so bastelte die Band an sechs neuen Tracks sowie elf aktuellen Livesongs für das Zwitteralbum "Between Wine And Blood". Das macht zwar durchaus Spaß, kommt gleichwohl nicht in jeder Sekunde an die letztjährige Großtat "Between Dog And Wolf" heran.
Arrangement, Produktion und Mix liegen schon zum zweiten Mal in den eigenen Händen und denen von Supermixer Joe Barresi (u.a. Tool). Diese musikalische Ehe funktioniert weiterhin prächtig. Das halbe Dutzend neuer Tracks ist wieder schlichtweg großartig. Ästhetischer kann man das Klangbild ihres Rockmodells nicht in Szene setzen. Anmut und ein ordentlich zupackender Wumms verschmelzen so dermaßen gekonnt. Da ist die filigrane Soundschale teilweise besser als das Songwriting der Frischware.
Der Opener "According To You" kommt als etwas zu routinierter Midtempotrack aus der Deckung, ohne recht zu zünden. Mit "Angry Planet" hauen sie uns ein nettes Autobahnlied mit fetter Biker-Gitarre um die Ohren. Doch auch hier hält die Melodie nicht so ganz, was der Rhythmus verspricht. Ähnlich halbgar klingt das schön schmirgelnde, aber etwas ziellos galoppierende "Guessing".
Die zweite Hälfte der neuen Stücke hält dagegen mühelos den Standard des wölfischen Albumvorgängers. "Devil's Bargain" baut sich dynamisch peu a peu zur tollen Hymne auf. Endlich zaubert der wie immer zornige Sullivan einen ebenso würdigen wie leidenschaftlichen Superchorus aus dem Rebellenköcher. Ähnlich gut funktioniert das warme "Happy To Be Here". Lediglich den angedeuteten Countrybeat hätte man sich sparen können.
Höhepunkt der Studiosongs ist das zwischen Schmachten und desillusioniertem Sarkasmus angelegte "Sunrise". Besonders der Chor seiner Bandmitglieder bietet Sullivans emotionalisierter Charakterstimme den rechten Widerpart - in der Tat ein perfektes Lied für Sonnenauf- und -untergänge.
Die Livesongs bieten danach dasselbe Bild spielfreudiger Könner, die ihre Vorlagen eins zu eins im etwas rauerem Sound servieren. Alles ist kristallklar, jede Note sitzt schnörkellos am rechten Platz. Diese penible Reproduktion verhindert leider gleichzeitig, dass sich deckungsgleiche Versionen von etwa "March In September", "Seven Times" oder "Did You Make It Safe" als echte Alternative zu den hervorragenden Originalen andienen.
NMA-Kulthits der Marke "Vagabonds" oder "51st State" fehlen, der Fokus liegt auf dem neueren Material. Mit "Knievel" gelingt ihnen zum Schluss dann noch ein atmosphärisches Glanzlicht, bei dem Sullivan seine ganze schamanische Aura vorführt: "The River is deep / The valley is wide / And something's waiting on the other side."
Auf dieser anderen Seite stehen alle wartenden Fans, die diesen Pausenfüller als netten Appetithappen schlucken dürften. So recht gestillt wird der Hunger hingegen nicht. Erst das nächste Studio-Album wird zeigen, ob die Engländer ihre zuletzt so steile Formkurve werden halten können.
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