laut.de-Kritik

Mit pinkelnden und kotzenden Leuten.

Review von

Rein optisch sieht das neue Werk des Neuners auf dem ersten Blick nicht schlecht aus: Ein rotköpfiges, schlitzäugiges Etwas glotzt zwischen zwei dunklen Vorhängen hervor. Darunter prangen die Begriffe "Slipknot" und "Voliminal". Erst beim näheren Hinsehen erkenne ich, dass es sich bei diesem Wesen um den Teufel in Handpuppengestalt handelt, der sich, so scheint es zumindest, einen runter holt. Ich blättere das beiliegende Booklet durch, um mich verwirren zu lassen. Schwummrige Bildchen sind da abgedruckt die nur erahnen lassen was genau sie darstellen sollen. Na ja. Ich lege die erste der beiden DVDs ein.

Nach den Anpreisungen die ich aus der Werbung kenne, wartet nun ein neunzigminütiger Film auf mich, den M. Shawn Crahan (Number Six der Bande) drehte. Einführend krabbeln Insekten über den Bildschirm. Nachdem man sich im würfelförmigen Hauptmenü zurechtgefunden hat, folgt die erste Vorführung wirr aneinander gereihter Bilder, die wie ein roter Faden immer wieder mit neuen Motiven im Film auftauchen und den Hauptbestandteil der DVD (Live-Mitschnitte) immer wieder unterbrechen.

Das ganze Szenario wirkt strange und irgendwie roh. Man sieht Bilder aus dem Flugzeug, Warnschilder oder einen Straßenmusikanten, aber auch kotzende oder pinkelnde Leute, unter anderem auch Bandmitglieder. All das scheinen prägende Eindrücke des allseits bekannten Clowns bei seiner Kameraführung gewesen zu sein. Trotzdem drängen sich mir Fragen auf, wie: "Hat Crahan eine Vorliebe für Klos?", "Sind das etwa Technobeats?" und "Sollen das tatsächlich die faszinierendsten Bilder auf ihrer Welttour gewesen sein?" Ein bisschen einfallslos das Ganze, aber vielleicht bin ich ja zu anspruchsvoll.

Anfangs lässt man sich dieses Szenario ja noch gefallen. Schließlich gibt’s noch Live-Mitschnitte und Proberaumacts, die aber teilweise relativ schlechte Hörqualitäten aufweisen und die einen mit der Zeit wirklich langweilen, da es sich meist um totales Rumgeschrubbe ohne Hirn und Herz handelt, bei dem man die Songs selbst als Fan nicht immer wieder erkennen würde. Das ständige Zeigen von kreisenden Köpfen der Bandmitglieder wäre okay, wenn es ein wenig abwechslungsreicher wäre. Das einzige Auflockernde sind Bilder bei denen die Jungs sich gegenseitig mit Mikrophonen abknallen, Onanierexzesse on Stage imitieren oder Schlägereien filmen.

Ein paar Schnitte sind aber wirklich sehenswert: Die Kameraeinstellungen zeigen Joey Jordison, wie er sich mit seinem Schlagzeug in der Luft dreht. Das hat was. Auch manche schwarz/weiß-Cuts wirken durch die Schattierungswechsel richtig künstlerisch. Ab und an gibt’s auch mal Slipknot mit ihren Fans oder imposante Arena-Aufnahmen voller johlender und springender Menschen.

Was mir aber nicht in den Kopf gehen will: Warum integrieren sie so extrem viele (sinnlose) Live-Mitschnitte in den Film? Klar, sie waren auf Welttour, aber wenn das gezeigte Material die beste Ausbeute ihrer Reise sein soll, dann ist das wirklich erbärmlich. Wollen die Jungs uns damit beweisen, dass sie sich auf der Bühne für ihre Fans richtig ins Zeug legen? Armes Ego. Der Film läuft noch keine Stunde, trotzdem ödet er mich schon derbst an. Dass das ein Film sein soll, obwohl der Schinken so wirr und abgedreht ist kann ich nicht ganz nachvollziehen.

Kurz vor Ende sieht man einzelne Bandmembers schlafen. Wie friedlich diese Szene scheint. Ich schöpfe wieder Hoffnung und denke: Vielleicht kommt jetzt doch noch etwas Tiefgründiges, auf das man im Geheimen schon seit anderthalb Stunden wartet! Doch dann beginnt der Abspann und der Bildschirm wird schwarz. Zeit für Teil Zwei.

Eigentlich soll die DVD ja einen intimen Blick in das Denken und Handeln der Jungs gewähren. Näher als jemals zuvor war man ihnen noch nie? Enttäuscht vom "Film" schaue ich mir das Menü der zweiten DVD an. Auch hier ist die Benutzerführung wie ein Würfel aufgebaut. Dieses Mal besteht er aus drei verschiedenen Kategorien. Wenn man die erste davon anklickt, kann man sich verschiedene Musikvideos anschauen. Darunter "Duality", "Vermilion" und "The Nameless".

Der zweite Part hat es aber in sich und erhält von mir 100 Gummipunkte. In dieser Kategorie befinden sich neun sehr aufwendig bearbeitete Interviews. Jedes Bandmitglied kommt mal an die Reihe und spricht allerhöchstens neun Minuten lang (ohne Maske) über sein Leben. Die Bildschnitte sind sehr ästhetisch und von toller Qualität. Ich muss feststellen, dass fast jeder der Jungs äußerst sympathisch rüber kommt. Und da ist ja auch die erwartete Tiefgründigkeit, die ich bei der ersten DVD vergeblich gesucht habe! Auf jeden Fall sehenswert!
Lustig: Interview auf dem Golfplatz.

And last but not least: Kategorie drei beinhaltet mehrere Live Videos. Unter anderem mit den Songs "Sic", "The Blister Exists", "Eyeless", "People=Shit", und "Before I Forget". Die Tonqualität ist um einiges besser als auf der ersten DVD. Auch diese sind neben den Interviews ein Augen- und Ohrenschmaus. Der zweite Teil holt das wieder raus, was einem bei der ersten Disc noch gefehlt hat. Nummer eins ist eher etwas für hartgesottene Fans, während der zweite Teil für den richtigen Ausgleich sorgt. Besonders die Interviews machen das Werk runder.

Trackliste

The Movie

Bonus

Videos

  1. 1. Duality
  2. 2. Vermilion
  3. 3. Vermilion Pt. 2
  4. 4. Before I Forget
  5. 5. The Nameless (Live)

Interviews

Bonus Live

  1. 6. Sic
  2. 7. The Blister Exists
  3. 8. Eyeless
  4. 9. Duality
  5. 10. Vermilion
  6. 11. The Heretic Anthem
  7. 12. Pulse Of The Maggots
  8. 13. Before I Forget
  9. 14. People=Shit

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Slipknot

Wenn man aus einem Nest wie Des Moines im Bundesstaat Iowa stammt wie der Slipknot-Neuner, ist es keineswegs einfach, auf sich aufmerksam zu machen. Dabei …

Noch keine Kommentare