laut.de-Kritik

Diese Band ist doch gnadenlos unterbewertet!

Review von

Jedes Mal, wenn Tele neu an den Start gehen derselbe Gedanke: Diese Band ist doch gnadenlos unterbewertet! Das muss sich ändern! Und jedes Mal, wenn man nach deutschsprachigen Lieblingsbands gefragt wird und die üblichen Verdächtigen aufzählt, fallen einem die Wahl-Berliner blöderweise wieder nicht ein.

Angesichts der neuen Platte "Jedes Tier" wird einem auch klar: Das muss so sein, denn Tele sind nicht die Band, die nach den Sternen greift. Tele bestechen vielmehr durch Bescheidenheit. Nicht zuletzt deswegen dürfte die Truppe um Sänger Francesco Wilking nach einem Majorausflug wieder beim Indie Tapete gelandet sein.

Neu ist auch, dass sich Wir Sind Helden-Produzent Patrick Mayer, der mit dafür verantwortlich sein dürfte, dass sich beide Bands nicht nur persönlich, sondern auch musikalisch nahe stehen, den Platz hinter den Reglern mit Moses Scheider (Tocotronic) und Peter Schmidt (Klee) teilte.

Viele Dinge sind aber auch gleich geblieben: Etwa das Songwriting und Francescos Art, zu texten. Alles immer noch großartig. Dies machen Tele nicht nur besser, sondern auch anders als die meisten deutschsprachigen Bands: Während man an Tomte oder Tocotronic die abstrakten Texte, die manchmal nur angerissenen metaphorischen Bilder, das Spiel mit den Worten, den Interpretations-Freiraum liebt, schätzt man an Tele das Konkrete, diese auf den Punkt gebrachte Lyrik. Bescheidenheit. Einfach, aber nicht trivial. Schön, aber nicht kitschig. Weich, aber nie weichgespült.

Wobei: Dass Tele, die öfters mit dem Vorwurf des Schlagers konfrontiert wurden, ausgerechnet das Stück "Cecile (Ich Nenn Dich Sissi)" an den Anfang stellen, könnte auch kalkuliert sein. Fest steht, dass der Refrain ("Und jedes Tier, das lebt, hat deinen Namen / Und jeder Stern, der scheint, scheint nur für dich") in anderem musikalischem Kontext durchaus in den ZDF-Fernsehgarten passen würde. Geschenkt.

Es dauert knapp vier Minuten, bis der Song ausbricht und Wilking zum Ende hin noch ein Highlight zaubert. Es sind hier die ganz alltäglichen Dinge, die der Texter mit dem Blick fürs Detail so schön in Szene setzt. Dazu kommt eine kreative Sensibilität, die ihresgleichen sucht: "Die Verteidiger, die Tore schießen, nur für dich / Die Fabriken, die die Tore schließen, nur für dich". Oder: "Alle wohnen auf dem Land jetzt, nur für dich/ Alle lachen über Comedy, und nur für dich". Man schmunzelt, ohne es zu merken, weil man sich von Francesco so verstanden, oder eben ertappt fühlt.

Thematisch rücken zwischenmenschliche Themen mehr in den Vordergrund. Songs, in denen Geschichten noch klassisch in chronologischer Reihenfolge erzählt werden, findet man leider nicht mehr in der Form wie beim großartigen "Mario".

Auch musikalisch haben Tele vielen deutschen Bands etwas voraus: Zu keinem Zeitpunkt klingt "Jedes Tier" hölzern, nie steif oder gezwungen. Für diesen Sound ist auch Bassist Jörg Holdinghausen verantwortlich, der sich locker durchs Album groovt. Natürlich ist da nach wie vor viel Indiepop mit einem Schuss Soul, aber auch der Funk-Einschlag beim Opener oder dem Song "Waiting For Your Call" steht ihnen ausgezeichnet.

"Intergalaktische Mission" klingt zu Beginn nach Fernem Osten, und die tolle Single "Die Nacht Ist Jung" hätte soundtechnisch auch aufs letzte Shout Out Louds-Album gepasst.

Beim ein oder anderen könnte es diesmal ein wenig länger dauern, bis er die neue Tele ins Herz geschlossen hat. Aber diese Platte wächst ganz unscheinbar zu einem glänzenden Schmuckstück an.

Trackliste

  1. 1. Cecile (Ich Nenn Dich Sissi)
  2. 2. Im Radio
  3. 3. Mehr Mehr Mehr
  4. 4. Für Ein Ganzes Land
  5. 5. Die Nacht Ist Jung
  6. 6. Waiting For Your Call
  7. 7. Foto
  8. 8. Mit Flügeln Und Düsenantrieb
  9. 9. Testsieger
  10. 10. Die Zeiten Ändern Sich
  11. 11. Intergalaktische Missionen
  12. 12. Jedes Tier

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5 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Heute erschienen.
    Wird morgen gekauft.
    *freu*
    "Wir brauchen nichts" war ein super Album, hör ich noch heute sehr gerne. "Hans" und "Fieber" sind 2 meiner Lieblingslieder. Ich freue mich.

    Ausserdem muss ich nochmal sagen, wie sehr mir das Profilfoto von Tele in der Artists-Sektion gefällt.

  • Vor 15 Jahren

    Habe mir das Album vor einigen Wochen zugelegt, und ich kann die Rezension eigentlich nur bestätigen.. Tele hebt sich von den meisten deutschsprachigen Bands ab, ist einfach etwas besonderes, vorallem die Texte suchen ihresgleichen.
    Es dauert dieses Mal ein wenig länger, um sich in das Album reinzuhören, als es bei "Wir brauchen nichts" oder "Wovon sollen wir leben" der Fall war, doch schon nach einigen Tagen intensivem Hören merkt man, das sich Tele wieder einmal selbst übertroffen haben.
    Kann das Album auf jeden Fall weiterempfehlen, auch wenn die vorherigen Alben für Leute, die Tele noch nicht kennen, wohl eher geeignet sind, da sich "Jedes Tier" musikalisch in eine etwas anderere Richtung bewegt als es in den vorherigen Alben der Fall war.

  • Vor 15 Jahren

    Mir gefällt es auch sehr gut. Hab die letzte Scheibe im Saturn ergattert.
    Ich finde noch etwas poppiger als "wir brauchen nichts", aber das schadet nicht. Denn textlich top. Wohl eine der besten Popbands Deutschlands. Meine Favoriten sind "jedes Tier" "itnergalaktische Mission" und "waiting for your call", aber das ist derzeit stimmungsbedingt.
    Der Kauf lohnt sich auf jeden FAll. Sehr schöne Musik, tolle Texte und eine schöne Stimme. Was will man mehr?

    Am 30.9. aufs Konzert im Jazzhaus natürlich :)

  • Vor 15 Jahren

    @The|SquaLL (« Am 30.9. aufs Konzert im Jazzhaus natürlich :) »):

    :trusty:

  • Vor 15 Jahren

    Rein objektiv betrachtet:

    SAUGEILE SCHEIBE!!!