laut.de-Biographie
Zion Train
Sich länger als ein Jahrzehnt unter den führenden Vertretern eines Genres zu behaupten: eine reife Leistung. Sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen, die sie in den 90ern in der Dub-Szene einfuhren: ein noch größeres Verdienst, das sich Zion Train auf die Fahnen schreiben dürfen.
Die Anfänge des britischen Dub-Kollektivs reichen bis in die Mitte der 80er Jahre zurück. Neil Perch, der in Oxford soeben ein Studium aufgenommen hat, entdeckt seine Liebe zur Musik. "Dabei habe ich vorher nur im Schulorchester gespielt. Es klang grauenvoll."
Klarinette, Oboe, Fagott ... keinem Instrument bleibt Perch länger als zwei Jahre treu, bis er mit Campus-Kollegen das Soundsystem The Train auf die Beine stellt. Doch auch dort erweist sich der Einstieg als trickreich: "Ich begann als MC. Ich war schlecht."
Perch legt auch das Mikrofon beiseite und wechselt an die Decks. Zwischen 1986 und '89 dreht er bei The Train Hip Hop-, Funk-, aber mehr und mehr Reggae- und Dub-Platten, bis der Wunsch wächst, auch Eigenproduktionen zu spielen.
Nach dem Umzug nach Nord-London 1990 entsteigt der Asche von The Train ein Phönix: Den verschobenen musikalischen Schwerpunkten entsprechend, tauft sich die Crew in Zion Train um. Zu Produzent und Live-Mixer Perch gesellen sich Dave Tench, Cod (Melodica, Produktion), Trompeter Hake und Forkbeard an der Posaune.
Die Herren erheben Fische zu ihren Pseudonymen (perch = Barsch, cod = Dorsch, hake = Hecht, tench = Schleie, forkbeard = (besonders apart) brauner Gabeldorsch). "Wir haben Fischnamen angenommen, weil wir hofften, so die Ego-Probleme zu umgehen, mit denen scheinbar so viele Leute im Musikgeschäft zu kämpfen haben", so Perch gegenüber Bubblejam.net.
"Wir haben gedacht, wenn wir unsere richtigen Namen außen vor lassen, würde das bei unserem gemeinsamen Projekt die persönlichen Eitelkeiten reduzieren. Keine Ahnung, ob das funktioniert. Aber es ist wenigstens eine gute Geschichte."
1992 entpuppt sich für Zion Train zum Knaller-Jahr. Nicht nur, dass Sängerin Molara zur Crew stößt: Mit ihrer Single "Follow Like Wolves", einer Fusion aus Dub und Acid, sichern sie sich zudem Innovatoren-Status.
Zion Train avancieren über die Jahre zu einem der weltweit anerkanntesten Dub-Live-Acts und üben darüber hinaus maßgeblichen Einfluss auf die Minimal-Techno und -Dub-Szene aus. Sie verbinden Onstage-Live-Mixing mit akustischen Instrumenten und exzellenten Vokalisten.
Das Schaffen Zion Trains umfasst zahllose Tracks, EPs, Remixe, Songwriting-Kollaborationen und Produktionen. Ihre frühen Veröffentlichungen bringen Zion Train auf dem eigenen Label Universal Egg unters Volk. 1995 ergattern sie einen Plattenvertrag bei China Records. Die Zusammenarbeit währt jedoch nur vier Jahre, ehe man reumütig zu den eigenen Strukturen zurück kehrt.
Nach internen Differenzen tritt Neil Perch 2001 mit einem fast komplett ausgetauschten Line-Up an. Bis 2005 bestreitet Michael 'Dubdadda' Johnson einen großen Teil der Vocals. Sebastian 'Bigga' Harzmann übernimmt die Posaune, Dave 'Hake' Fullwood bleibt an der Trompete. Session-Musiker und Gastsänger bleiben stets willkommen.
Mitte der 2000er Jahre legen Zion Train ihre ersten Alben neu auf, darunter "Siren", das weithin als die Geburtsstunde des britischen Dub-Dance-Vibes gefeiert wird.
Doch auch neues Material erfreut sich guter Kritiken: "Live As One" wird 2008 mit dem jamaikanischen Grammy für das beste Dub-Album des Jahres prämiert. Sieben Sänger, darunter Tippa Irie und Marlene Johnson, tragen zum Gelingen und zur anschließenden Welt-Tournee bei.
Reisen kommt in Neil Perchs Sicht der Dinge ohnehin ein großer Stellenwert zu: "Ich habe so die Gelegenheit, mit vielen Musikern aus unterschiedlichsten musikalischen Welten und mit verschiedenen Hintergründen zu arbeiten. So sehe ich eine Menge Techniken, habe zahllose Bands gehört, mit vielen, vielen Musikern gesprochen." (Interview auf http://norikomanabe.blogspot.com)
"Es ist ein steter Lernprozess. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass man immer noch etwas lernt, von jedem einzelnen, in jeder Situation. Jemand muss kein Experte sein, damit man etwas von ihm lernen kann. Auch, wenn man ihn nicht teilt, hat doch jeder Standpunkt seinen Wert."
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