laut.de-Biographie
HeXer
"Wenn ich Hip Hop mit Bach vergleiche, der innerhalb von einer Woche ein achtstimmiges Werk mit einer halben Stunde Spielzeit erschafft, dann denke ich mir schon, dass man heutzutage wirklich ein bisschen mehr Zeit und Köpfchen reinstecken sollte." Rapper, die auf eine klassische musikalische Ausbildung zurückblicken, haben wahrlich Seltenheitswert. Als Mitglied des Thomanerchors wurde der gebürtige Leipziger HeXer von Klavierunterricht über Stimmbildung bis zu Intervalltheorie umfassend an den renommierten Bildungseinrichtungen seiner sächsischen Heimatstadt geschult.
2000 kommt Franz Martens als Sohn des bekannten Fotografen Olaf Martens zur Welt. Im Alter von fünf Jahren wird eine Headhunterin auf seine Stimme aufmerksam. Er erhält Unterricht, durchläuft zahlreiche Prüfungen, die bereits früh einen hohen "Leistungsdruck" ausüben, und erreicht schließlich die Qualifikation für den traditionsreichen Thomanerchor. Ab der vierten Klasse lebt der Bariton im eigens dafür vorgesehenen Internat. Nicht nur der Chor genießt "einen guten Ruf", auch die damit verbundene Thomasschule zu Leipzig, auf der er regulären Unterricht erhält.
"Meine Mutter wollte den besten Einfluss für mich und dass ich aufblühe." Martens stellt sich der Herausforderung, nimmt an täglichen Chorproben teil und tritt zweimal in der Woche mit seinen Internatskollegen auf. 2012 nimmt er an der Feierlichkeiten zum 800. Geburtstag des Knabenchors teil: "Da gibt es sogar ein Foto mit mir und Joachim Gauck zusammen". Anschließend führt ihn eine zweiwöchige Tournee durch Japan und Südkorea. Jeden Tag gastieren die Thomaner in einer anderen Stadt, um ihre Choräle aufzuführen.
In der neunten Klasse zieht er dann doch einen Schlussstrich. Die rigiden Regeln des Internats wirken wenig verlockend auf einen Freiheit suchenden 14-Jährigen. So wechselt er in eine reguläre Klasse der Thomasschule, was ihm Raum gibt, sich musikalisch im Rap-auszuprobieren. Nur auf den ersten Blick erweist sich das Genre als größtmögliche Abgrenzung zum Chor: "Das war alles sehr prägend für den Rap. Rhythmus und Taktgefühl hatte ich, weil ich einfach immer Bach gesungen habe". Ohnehin haben auch seine Internatskollegen "alle Rap gefeiert".
Vor allem Spongebozz und die Teilnehmer des Online-Battle-Turniers JBB prägen ihn. Auch "Märtyrer" von Kool Savas und "Trapsta" von Rapsta benennt er als Einfluss. "Danach habe ich eigentlich nie wieder ein Album komplett gehört, weil ich gemerkt habe, dass ich mir ganz schnell automatisch die Flows aneigne." Martens übt sich ab 2014 vier Jahre im Battle-Rap. Den im Hip Hop herrschenden Trend zur Maske will auch er zunächst Rechnung tragen. Die anvisierte Hexenmaske verwirft er zwar, doch der Künstlername HeXer bleibt bestehen.
2018 qualifiziert sich der Rapper beim kurzlebigen Wettbewerb Life Is Battle Area von PA Sports. Seinen breitbeinigen Diss gegen Bausa relativiert er später wieder: "Es gibt mittlerweile sehr viele, die ich noch viel schlechter als ihn einschätze. Ich denke schon, dass er eigentlich ein guter Musiker ist". Für das Gros des Deutschrap findet er kritische Worte. Es dominieren "Kinderlieder-Melodien" mit "wenigen Akkorden" und "simplen Reimen", weil das "bei der Masse gut ankommt". Im Vergleich dazu habe Barockkomponist Bach "für zehn Rapper geschrieben".
Die "Life Is Battle Area" verläuft zwar im Sande, doch zumindest haben "die richtigen Leute" seinen Song gesehen. DJ Eule kommentiert das Video und lädt HeXer zum Konzert nach Dresden ein, wo dieser gleich noch einen spontanen Auftritt abliefert. Der gereifte und mittlerweile mit der allgemeinen Hochschulreife versehene Leipziger wendet sich zunehmend vom Battle-Rap ab, um sich "gesellschaftlich kritischen Themen" zu widmen. Mit einer fertigen EP wird HeXer im Anfang 2019 bei DJ Eule vorstellig, der ihn bei seinem mit Cr7z geführten Label Arjuna unter Vertrag nimmt.
"Er hat mir gezeigt, wie das abläuft, wenn man es richtig macht", lobt HeXer die Ratschläge Eules. Der Rapper arbeitet die EP weiter aus und erstellt gemeinsam mit seinem Vater das Artwork. Mit "Icarus", einem Appell für einen verstärkten Klimaschutz, liefert er im August einen ersten Einblick in sein Debüt. Die Choräle scheinen als sein musikalisches Fundament auch durch seinen ersten professionellen Rap-Song. Mitte November folgt die "Metropolis EP", auf der er sich an dem Verhältnis zwischen Arm und Reich, Luxusproblemen und künstlicher Intelligenz abarbeitet. 2020 legt er mit der verspielteren "Reimketten EP" nach.
HeXer plant seinen weiteren Werdegang in überschaubaren Schritten. Zunächst gehe es einmal darum, sich "einen gewissen Lebensrhythmus anzugewöhnen", der sich durch tägliche Textarbeit auszeichnet. Ein Studium im Bereich Audio Engineering soll ihm dazu ein zweites Standbein verschaffen. "Man denkt immer, ein großer Hype kann eine Karriere pushen, aber oft geht es danach nur nach unten und nicht nach oben", warnt er sich selbst vor trügerischen Erfolgsaussichten. "Oft hat sich gezeigt, dass ein gleichmäßiges Wachstum über die Zeit für alle besser ist".
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