laut.de-Kritik

Ride The F-Train: Fanta Vierzig mit Augenrändern.

Review von

Fanta Vierzig taufte unser derzeitiger Praktikant kürzlich des Schwabenlands größte Popstar-Connection (sorry, Pur!) angesichts der bei allen Vieren unbarmherzig näher rückenden Alterszahl. Ein hübscher Einfall auch vor dem Hintergrund, dass Smudo, Thomas D, Michi Beck und And.Ypsilon mit "Lauschgift" gerade als größte Stars der gesamten Republik reüssierten, als sich Kollege Buntzel gerade erst für Musik zu interessieren begann.

Doch the future is now, das muss man den vom Hip Hop zum Pop konvertierten Berufsjugendlichen der Fantastischen Vier natürlich nicht erst predigen: "Sofort, Vollgas, volle Dosis / Du kannst schlafen, wenn du tot bist", rappen sie phonetisch gewohnt elegant auf dem demonstrativ soft perlenden Elektro-Opener "Mehr Nehmen", einer Art Pamphlet für das Leben im Jetzt und für gesundes Selbstbewusstsein hinsichtlich eigener, nur scheinbar unerreichbarer Visionen. Diese wurden im Übrigen auch von dem Quartett schneller umgesetzt als erwartet, schließlich liegt das letzte F4-Album "Viel" erst drei Jahre zurück.

Ein Leichtes wäre es ihnen gewesen, sich nach der mit einer Million Zuschauern äußerst erfolgreichen Album-Tournee 2004/2005 erst mal zurück zu lehnen und die Kinder groß zu ziehen. Stattdessen wählten die Schwaben, von denen nur noch Beatbastler And.Ypsilon in Stuttgart lebt, den kürzeren Weg, sicherlich geprägt von der schwierigen Kennenlernphase, die man im Vorfeld der Aufnahmen zu "Viel" durchleben musste. Entstanden ist bei den wieder in der Eifel, in Vorarlberg, Stuttgart und Berlin absolvierten Text- und Beatsessions ein Album, das ernst, kritisch, selbstironisch, erwachsen, mitunter aber leider auch betulich klingt.

Kurz: "Fornika" macht genau dort weiter, wo das houseige "Viel" aufhörte. Selten waren sich zwei Fanta-Alben in der Machart so ähnlich. Und warum auch nicht? Lustige Pubertätsraps ("Vier Gewinnt"), philosophische Autosuggestion ("Die Vierte Dimension") und Sample-Orgien ("Lauschgift") hat man ja schon hinter sich. Heute geht es, gänzlich loopfrei und zumeist live gespielt, um Sinnsuche und Einsichten in den Prozess des Älterwerdens, und zwar durchaus unter Bezug auf die eigene Rolle als Medienfigur oder auch um den selbst auferlegten Druck eines kreativen Künstlers.

"Es könnt alles so einfach sein, isses aber nicht", seufzen die Vier im dritten Song des Albums, und so konsequent wie überraschend fällt plötzlich Herbert Grönemeyer in die Leier mit ein. Nun gut, hat etwa jemand geglaubt, dass einem in London residierenden Nationalhelden das Ding mit der Kreativität schneller von der Hand geht?

Doch so lässig die Koop-Idee mit Deutschlands größtem Popstar und Obersympathen scheint, so wenig überzeugt der Song musikalisch. Die Beatprogrammierung (hier: Thomilla) verfährt zu sehr nach Schema F, und zwar durchaus im doppelten Wortsinn, denn der spannungsarme Elektro-Unterbau ist nicht nur Turntablerocker-Soundstandard, sondern ähnelt auch And.Ypsilons Beatverständnis. Dass es auch anders geht, belegen der pumpende Gaudisong "Yeah Yeah Yeah" und das zungenfertige "Nikki War Nie Weg", in denen die Vier wieder ungehemmt drauflos selbstreferenzieren. Props, oder wie das heißt, gehen dabei raus an Falco, Trio und mal wieder an den NDW-Marcus. Sowohl die "Rock Me Amadeus"-Text-Adaption als auch der beeindruckend minimalistische Big Band/Jazz-Groove von "Nikki War Nie Weg" gehört zu den stärksten Momenten der Platte.

Davon hätte es ruhig mehr geben dürfen. Oder von Zeilen wie: "Die Jungs ham sich kaum verändert / außer den Augenrändern". Irgendwann fiel mir beim Hören die Analogie der Fantastischen Vier zu den britischen Stereo MC's auf: Beide Bands waren am Start, als das Genre noch in den Kinderschuhen steckte, beide knackten ziemlich schnell den Mainstream-Markt und standen folgerichtig mit U2 auf einer Bühne. Und beide finden sich nach knapp 20-jähriger Karriere, von Hip Hop-Headz gern belächelt, im Pop-Segment wieder und stagnieren auf ordentlichem Niveau. Man kennt sie, man mag sie, man kriegt, was man erwartet. So ziemlich. Sprechgesangs-Pop.

Damits nicht langweilig wird, lädt man sich Gäste ein: Neben Herbert zum Beispiel die Münchener Freiheit, Michi Becks "Harmonie-Heroes". Die Bayern bestreiten den Backgroundgesang des eingängigen "Ernten Was Wir Säen", das als Single einen würdigen "Troy"-Nachfolger darstellt. Der Plattenpapzt produzierte das Interlude "Einsam Und Zurückgezogen", im melancholischen Schlusstrack "Was Bleibt" singt Max Herre den Refrain.

Die Platte strahlt insgesamt eine wohltuende Gelassenheit aus, ein paar mitreißende Stellen mehr hätten aber sicher nicht geschadet. So spannt der Titeltrack "Fornika" schön mysteriös den Bogen zum großartigen Albumcover, das Bela Lugosi- oder Fritz Lang-Filmen huldigt. Außerdem dabei: der Sexual- und Drogenliterat Günter Amendt. Die Thomas D-Ballade "Flüchtig" gerät dagegen sehr schmalzig. Spätestens hier wird klar, dass sich diese Band nicht mehr im Unterzucker befindet, sondern das 20-jährige Jubiläum vor Augen hat.

"Sieben Tage in der Woche hör ich Hip Hop" - der alte Leitsatz gilt für die Vier natürlich längst nicht mehr, aber was heißt das schon? Selbst ein Bushido gibt heute offen zu, privat A-ha und Depeche Mode zu hören. Veränderung mit dem Alter ist doch etwas Schönes, selbst wenn die Fantas an einer Stelle kreischen: "Wir werd'n nicht wie unsere Alten / Wir werd'n nicht wie unsere Alten / Wir werd'n nicht wie unsere Alten / Nicht wie dieser alte Sack!".

Trackliste

  1. 1. Mehr Nehmen
  2. 2. Ernten Was Wir Säen
  3. 3. Einfach Sein
  4. 4. Yeah Yeah Yeah
  5. 5. Nikki War Nie Weg
  6. 6. Fornika
  7. 7. Du Mich Auch
  8. 8. Mission Ypsilon (Instrumental)
  9. 9. Ichisichisichisich
  10. 10. Einsam Und Zurückgezogen
  11. 11. Flüchtig
  12. 12. Du Und Sie Und Wir
  13. 13. Was Bleibt

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33 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    Meiner Meinung nach ist der im Artikel so gelobte Track "Nikki war nie weg" einer der schwächsten. Zuvor noch die Ideenlosigkeit des Thomilla Tracks angeprangert wird der noch stumpfere Beat bei "Nikki war nie weg" gelobt.
    Das letzte gute Album war leider "4:99". "Viel" war nach der "Troy"-Vorlage extrem enttäuschend. Was will man da noch erwarten.
    Sie reißen nichts mehr. Wie denn auch. Die vier Einzelgänger noch eine Band zu nennen ist schon zu viel gesagt.
    Mein Fazit:
    Viel tiefer wird es musikalisch nicht gehen.

    Diese Meinung ist die eines Menschen der diese Band geliebt hat...bis "Viel" kam.

  • Vor 16 Jahren

    Ach, jammer jammer...

    Keine Frage...nicht unbedingt das stärkste, aber auch nicht das schwächste Album. Gebt den Vier Jungs ruhig etwas Zeit mit ihrem philosophischen Alter etwas mehr zurecht zu kommen.
    Diese "Band" hat mich wie keine andere seit dem ersten Album begleitet, durch alle Höhen und Tiefen. Völlig normal also, dass ich nicht jedes Mal beim "neuhören" eines erscheinenden Albums gleich die Messlatte ultrahoch hänge.
    Das Album ist einfach gediegen und wird sicherlich diesen Sommer seinen Weg sehr oft in meinen Player finden. Eine gelungene Fortsetzung des letzten Albums.

    Die Vier dagegen nicht mehr als Band zu nennen, kann nur jemand wagen, der sie nicht oft genug live gesehen hat. Hier läuft alles weiterhin perfekt wie vom Anfang an. Man muss sich sogar eher um die eigenen Knochen sorgen machen, wenn man, wie damals mit 16, weiterhin ganz vorne in der Reihe mithüpfen möchte ;-)

    MfG

    Michael

  • Vor 16 Jahren

    ich bin ja mal sehr gespannt. die viel fand ich sehr unterirdisch.