laut.de-Kritik

Die Hollywood-Furie rockt sich ein männliches Genital an.

Review von

Danke Juliette! Danke, dass du endlich die feuchten Träume eines damaligen Spätzwanzigers (meine!) erhörst und wie in deinem Film "Strange Days" die Rock-Bühne empor steigst! Danke! Es ist, als wenn plötzlich Filmgeschichten wahr werden, als wenn eine höhere Macht endlich auch mal auf den kleinen Mann hört! Und freilich, diese Frau hat's voll drauf, so viel war (mir) damals schon klar und ist es heute erst recht.

Kann es denn schaden, ein großartiges schauspielerisches Talent mit auf die Bühne zu nehmen und dort ausgiebig spazieren zu führen? Juliette ist jedenfalls Quereinsteigerin, was das Rockbusiness anbelangt. Sie muss also an anderem Maß gemessen werden. Aber Vergleiche muss sie sich trotzdem gefallen lassen. Hole? Kannste vergessen. L7? Wer? Das ist doch alles schwanzloser Rock, Parallelen sind da nicht auszumachen. Außer vielleicht, dass hier eine Frontfrau singt, eine Furie, so viel verrät der Titelsong.

Juliette will uns wissen lassen, dass sie eine von uns ist und aus den Reihen des Publikums kommt. Sie spricht dessen visuelle und auch akustische Sprache. Schon immer vom Cockrock begeistert, legt sie sich jetzt mächtig ins Zeug, sich ein männliches Genital anzurocken. "I Never Got To Tell You …" hat alles, was man dazu braucht. Und ich mutmaße, dass dies das (nicht ganz so geheime) Mittelchen ist, was findige Spammer über diverse E-Mails als Penis-Enlargement anboten.

Juliettes Gesangscoach (Linda Perry, u.a. 4 Non Blondes) scheint sich jedenfalls bestens bezahlt gemacht zu haben. Bei "Pray For The Band Latoya" klingt sie verdächtig nach Melissa Etheridge, zu der sie eine enge Beziehung haben soll. Im Mittelteil erinnert dieser Song verdächtig an die bekannte Hookline von Ina Deters "Neue Männer braucht das Land" (sic!). Trotzdem ein klasse Song, und in Amerika spielt es eh keine Rolle, sollte sie da ein wenig abgekupfert haben.

Freundschaftliche Bande zu Musikern alleine bügeln jedoch noch keine gesanglichen Schwächen aus. Vor allem Balladen stehen Juliette weniger gut zu Gesicht. Dafür ist ihre Technik noch zu mager. Außer bei "Long Road Out Of Here", wo die große Dolly Parton nicht weit ist - allerdings nicht ganz so voluminös. Bei dem Powerpaket, dass sie sich selbst auf die Stimmbänder schnürt, braucht sie aber vor allem bei Live-Auftritten ausgiebige Verschnaufpausen, und da kommen Balladen gerade recht.

Juliette selbst meint, es gebe tauglichere Mittel als Orgasmen, um überschüssige Energie abzulassen. Die findet sie hauptsächlich im klassischen amerikanischen R'n'R, der auf "You're Speaking My Language" zu hören ist. Ganz schlicht und auf straight forward getrimmt ("So Amazing"), und mit Songs wie "Got Love To Kill" oder "Money In My Pocket" sogar massenkompatibel. Die Platte hat jedenfalls genug Yeah-Attitude, dass auch Juliettes geistige Ziehväter Iggy Pop, David Lee Roth und MC5 stolz auf ihre Tochter (bzw. Enkelin) sein können.

Und was wäre der gute alte Rock ohne eine Hand voll knuffiger Balladen? Selbst wenn sie ein psychopathischer Ami-Teenager singt? Entschuldige Juliette, ich musste gerade an "Kap der Angst" denken ...

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. You’re Speaking My Language
  3. 3. Money In My Pocket
  4. 4. American Boy Vol. 2
  5. 5. I Never Got To Tell You What I Wanted To
  6. 6. This I Know
  7. 7. Pray For The Band Latoya
  8. 8. So Amazing
  9. 9. By The Heat Of Your Light
  10. 10. Got Love To Kill
  11. 11. Seventh Sign
  12. 12. Long Road Out Of Here

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