Rhythm and Blues bestimmt seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts die populäre Musik der Schwarzen in den USA. Da sich die Art der afroamerikanischen Unterhaltungsmusik im steten Wandel befindet, fasst man unter den Begriff Rhythm and Blues auch sehr unterschiedliche Genres zusammen. Grundlegend bleibt aber der Rückgriff auf die Wurzeln der schwarzen Musik, bestehend aus Gospels, Spirituals und Blues.
In den 40er und zu Beginn der 50er Jahre interpretieren schwarze Big Bands und Kneipen-Combos den Rhythm and Blues als eine Art Tanzmusik. Die treibenden Rhythmen verschmelzen mit den angesagten Vokals des Doo Woop und kirchlichen Gospel-Phrasen später zum Soul. Als Vorreiter der Soulmusik fungiert in dieser Zeit Ray Charles, später folgen dann Marvin Gaye, Barry White oder The Temptations.
Am Ende der 60er Jahre übernehmen schwarze Soulmusiker wie zum Beispiel Ike und Tina Turner Elemente des Rock. Andere Bands wie die Jackson Five vermischen Rhythm And Blues-Elemente mit schnellen, gradlinigen Pop-Rhythmen und kreieren so den Disco-Stil. Auch orchestrale Klänge sind möglich, wie der Philly-Sound zeigt.
In den 80er Jahren kommt der Begriff Rhythm and Blues für afroamerikanische Unterhaltungsmusik aus der Mode, auch interessieren nur noch sich wenige für Soul. Afroamerikanische Pop-Musiker wie Michael Jackson, Janet Jackson, Billy Ocean, Prince, Whitney Houston, Maxwell, Terence Trent D'Arby u.a. lassen zwar in den Melodien nach wie vor ihre musikalischen Ursprünge erkennen, doch der Sound und die rhythmischen Strukturen lehnen sich dagegen meist mehr an weiße Popproduktionen an. Resultat: alles klingt sehr glatt und perfekt. Die Rhythmen betonen nicht mehr so stark Synkopen und werden dadurch 'gerade'. Die technische Entwicklung der elektronischen Instrumente wie zum Beispiel Drum-Computer oder Syntheziser trägt dazu ihren Teil bei. Nur am Werdegang der Künstler zeigt sich der Ursprung in der schwarzen Kultur. Sie etablieren sich zuerst in den nach wie vor vorhandenen Rhythm and Blues-Charts, bevor die weiße Hörerschaft sie wahrnimmt und sich der Erfolg in den Pop-Charts einstellt. Diese Übernahme gipfelt in der Bezeichnung des Rhythm and Blues-Sängers Michael Jackson als King Of Pop.
Zusammen mit Produzent Quincy Jones definiert Jackson Ende der Siebziger auf dem Album "Off The Wall" die moderne Ausrichtung des R'n'B. Funkige Disco-Sounds vereinen sich mit guten, alten Soul-Tunes, heraus kommt eine sexy-groovende, oft schmalzige Version des Mainstream-Pop, die man auch in den späteren Werken eines Teddy Riley oder Puff Daddy wieder findet. Jacko selbst bleibt seinem Sound mit den beiden nächsten Werken "Thriller" und "Bad" zwar treu, doch dank überragenden Superstarstatus in der ganzen Welt und seinem Bestreben "weiß" zu werden, entfernt er sich von seinen afroamerikanischen Roots. Doch die Auswirkungen seines Erfolges sind bis heute spürbar. Die Geburtsstunde des R'n'B war die Revolution, die sich auch in dem Titel "King Of Pop" ausdrückt: Die von der weißen Popkultur Mitte der Achtziger vollzogene Krönung des 'Königs' Michael Jackson war erst möglich, nachdem dieser die Klassenschranken zwischen schwarzer Tanzmusik und weißem Amüsierbetrieb nieder gerissen hatte.
Gegen Ende der 80er Jahre drängt der Hip Hop in den Mainstream, und so kommt auch der R'n'B nicht mehr an der musikalischen Ausrichtung der Subkultur vorbei. Tone Loc, Young MC, DJ Jazzy Jeff and The Fresh Prince sowie später MC Hammer und Vanilla Ice nehmen eingängige Stücke auf. Sie bestehen meist aus Samples, die von großen vergangenen Hits stammen (zum Beispiel MC Hammers "U Can't Touch This" mit Samples von Rick James "Super Freak") und Raps, die nicht mehr von den Schwierigkeiten in den Gettos handeln, sondern von Partys.
In den 90er Jahren kommen zu den unkomplizierten Raps meist im Refrain noch eingängige Melodien. Durch die Verwendung von Gesang im Refrain und Rap-Parts in der Strophe entsteht eine klare traditionelle Songstruktur, die ursprünglich im Hip Hop in Anlehnung an den Funk und Blues nicht vorhanden war. Rap-Musik findet so ein größeres Publikum. Naughty By Nature, Coolio, Will Smith oder Salt-N-Pepa sind typische Vertreter dieser erfolgreichen Richtung, die einen weiteren wichtigen Grundstein für den heutigen R'n'B setzt.
Teddy Riley, Produzent und Mitglied von Guy, ist auf den beiden Platten "Guy" und "The Future" von 1988 und 1990 der erste, der Hip Hop-Beats samplet und darüber reinen, sprich ohne Raps unterbrochenen Soul-Gesang legt. Der Stil erinnert noch an Pop der 80er oder seichte Funkstücke, doch die technisch Verbindung zwischen Hip Hop und Soul ist durch das Samplen vollzogen. Den neuen Stil bezeichnet man zunächst als New Jack Swing. Mit körperbetonten Grooves, die sich in sexy Tanzvideos manifestieren und der im Rap typischen Selbstdarstellung avanciert der R'n'B zur Schlafzimmer-Mugge schlechthin. Ob heiß und schwitzend wie Rileys Blackstreet oder kuschelig wie die Boyz II Men, Marvin Gayes "Sexual Healing" findet im modernen Rhythm And Blues seine Erfüllung.
Vorreiter des New Jack Swing-Sounds ist Sex-Symbol Bobby Brown. Brown klingt mit seinem Album "Don't Be Cruel" zwar sehr nach Michael Jackson, doch auch hier zeigt sich schon die Verbindung der beiden Stile der schwarzen Musik. "My Prerogativ" ist ein internationaler Hit und damals an jeder Straßenecke zu hören. Eher für die ruhigeren Stunden ist Babyface geschaffen. Dieser macht in den 70ern seine ersten Schritte im professionellen Musikgeschäft als Backgroundsänger in der Band von Bootsy Collins. In den 80ern gründet er mit seinem Partner Antonio Reid seine eigene Funkband. Er ist also mit der Verschmelzung von harten Rhythmen und weichem Gesang vertraut. Gemeinsam gründen Reid und Babyface das LaFace Label, auf dem Bobby Brown, Sheena Easton und Karyn White Songs veröffentlichen. Stücke wie "It's No Crime", Whip Appeal, "Never Keeping Secrets", "When Can I See You", die Babyface unter eigenem Namen heraus bringt, sind Anfang der 90er Jahre schon sehr sparsam in der Instrumentation, die Rhythmen ticken langsam und die einzelnen Beats stechen stark hervor. Darüber liegt Gesang mit weichen Linien, Vibrato und gelegentlich gepressten Tönen, die das im Soul zum Ausdruck gebrachte Leid verdeutlichen sollen.
Doch das Paradebeispiel ist P. Diddy alias Puff Daddy. Er schafft es, mit Coverstücken aus den 80er Jahren ("Every Breath You Take" von The Police), die den Refrain des Originals bis auf den Text exakt übernehmen, und eingängigen, schleppenden Beats, Leute für Hip Hop zu begeistern, die sich eigentlich nicht für Sprechgesang interessieren. Seine Idee funktioniert: wochenlang dominieren seine Songs ab Mitte der 90er Jahre die internationalen Charts.
Davon inspiriert und ermutigt verwenden immer mehr schwarze Pop- bzw. Soul-Produzenten Elemente des Hip Hop. Die Fusion von Soul-Gesang mit Hip Hop-Beats wird in den 90er Jahren zum Inbegriff des R'n'B. Dabei kommen gelegentlich auch Raps vor, was die enge und dauerhafte Verwandtschaft zum Hip Hop begründet. Von diesen neg verwandten Stilen unterscheidet sich der R'n'B am deutlichsten durch seine Thematik: Wenn der Hip Hop Protest ist und der Soul für die Liebe steht, dann ist R'n'B der reine Sex.
Dass auch die Breakbeat-Hochzeit des Jungle und Drum'n'Bass Mitte der 90er Jahre nicht spurlos am R&B vorüber ging, beweist unterdessen die 'Rückkehr der Synkopen' (Akzentverschiebungen). Moderne R'n'B-Beats sind ein Meisterstück in Sachen Drum-Programming. Mit Hilfe moderner Sampling-Technologie und einer unglaublichen Vielfalt an synthetischen Tonerzeugungsverfahren strotzen sie vor intelligenten Klängen, Geräuschen und Sounds. Sie sind abwechslungsreich, aufwändig und Ami-phatt produziert und dürfen sogar zu den unmöglichsten Zählzeiten akzentuieren. Die Masse wurde während des Drum'n'Bass-Hypes bereits durch alle dunklen Gassen geschickt. In der Nach-Breakbeat-Ära bringen rhythmische (Raf-)Finessen deshalb niemand mehr aus dem Takt. Eindrucksvoll demonstrieren das z.B. Destiny's Child oder TLC. In London kreieren Craig David und Artful Dodger fast zeitgleich aus Drum'n'Bass-Rhythmik, der 4-on-the-Floor-Atmosphäre des Vocal House/Garage, der Gefälligkeit der "Blackness" und der Chartstauglichkeit des R'n'B einen neuen Stil namens 2Step.
Im Laufe der letzten Dekade erscheinen eine Flut von verschiedenen Bands, Sängern und Sängerinnen, die diese neue und kommerziell erfolgreiche Richtung einschlagen, die genannten Destiny's Child und TLC oder Boyz II Man sind nur die erfolgreichsten. R. Kelly erarbeitet sich über Jahre hinweg eine Fangemeinde, zählt heute zu den Superstars und gilt mittlerweile schon fast als idealtypischer R'n'B-Musiker. Mary J Blige macht zunächst mit hartem Image und deftigem Gesang auf sich aufmerksam. Mit der Zeit verändert sie ihr Auftreten und singt weichere Töne. Mittlerweile sind diese Kooperationen eine Selbstverständlichkeit: Mary J. Blige, Aaliyah und Missy Elliott arbeiten mit Timbaland, Destiny's Child mit Wyclef Jean und Beyoncé Knowles mit The Neptunes.
Derweil kümmern sich einige Newcomer um die Progession des Genres. Estelle sorgt mit "Shine" ebenso für euphorischen Applaus, wie die Musicalsängerin Elisabeth Withers mit ihrem Majordebüt "It Can Happen To Anyone".