laut.de-Biographie
Maximilian Hecker
Anfangs lachen alle über Maximilian Hecker. Bald lieben sie ihn. Den jungen Berliner, der mit Gitarre und Verstärker zunächst noch in der Hauptstadt am Hackeschen Markt steht und Lieder von Oasis, Beck und Tocotronic covert. Er ist ein Allround-Talent, alle Instrumente (Klavier, Schlagzeug, Bass, Gitarre) auf seinen Songs spielt der Sänger selbst ein. Als sehr selbstbewusster Songwriter im Parka macht er sich im Viva Zwei-Zeitalter einen Namen. Schnell halten ihn viele für talentierter als Liam Gallagher und Benjamin von Stuckrad-Barre zusammen.
1994, im Todesjahr von Kurt Cobain, beginnt Maximilian mit dem Gitarrespielen und lässt seine Haare wachsen. Der scheinbar sanfte, schmächtige Romantiker, der so lieb aussieht, als habe er damals auf dem Schulhof immer sein Pausenbrot abgeben müssen. Lange musiziert er auf der Straße. Mit eisernem Willen. Bei klirrender Kälte und schweißtreibender Sonne. Er will unbedingt bekannte Menschen treffen, die ihn, Maximilian Hecker, von der Straße holen. Die ihn und seine eigenen Kompositionen berühmt machen.
Oh Wunder, so kommt es auch: Almut Klotz, Ex-Sängerin der Lassie Singers und später für Flittchen Records verantwortlich, entdeckt den Knaben und nimmt ihn in ihre Obhut. Sie gründet eine Band mit Jim Avignon, in der Maximilian Schlagzeug spielen soll. Maxi (unter Menschen) nennt sich das Trio; der Beginn der Geschichte vom Straßenmusiker, der zum Popsternchen mutiert. Bald wünscht sich Maximilian, auf eigenen Füßen zu stehen. Die Geschichten, die er jeden Tag fleißig in sein Notizbuch schreibt, endlich in kitschige, traurige Popsongs umzuwandeln.
Neben der Musik zählt das Fußballspiel zu seiner Lieblingsbeschäftigung. Dort tritt auch jemand gegen den Ball, der Beziehungen zu einer Plattenfirma hat. Schon wieder: Maximilian im Glück. Zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, steht er wenig später beim Berliner Szenelabel Kitty-Yo unter Vertrag, wo sein Solodebüt "Infinite Love Songs" mit einem Dutzend Liebeslieder erscheint. Die Single "Cold Wind Blowing" ist 2001 neben Peaches und Surrogat Teil des Soundtracks von "alaska.de", einem Film über die Orientierungslosigkeit der Post-"Wall"-Generation der Ghettos des Berliner Ostens.
Für Maximilian sind die Zeiten auf der Straße nun gezählt. Er spielt als Support von Stereolab und im Herbst 2001 schließlich seine erste eigene Konzertreise. Auf dem Nachfolgealbum "Rose" findet sich ein Song über Supermodel Kate Moss, der natürlich entsprechend für Schlagzeilen sorgt. Musikalisch entfernt sich Hecker ein wenig vom Britpop-beeinflussten Debüt und driftet in eine langsamere und traurigere Richtung. Als Produzenten holt er sich den Briten Gareth Jones (Neubauten, Depeche Mode, Moby) ins Studio. Anschließend schickt ihn das Goethe-Institut zusammen mit Barbara Morgenstern auf Welttournee.
Heckers drittes Werk "Lady Sleep" spinnt den Verlauf weiter in die dunklen Tiefen seiner Seele: Das Album gerät noch langsamer als sein Vorgänger. Im Jahr 2006, die Bekämpfung der Musikpiraterie ist auf einem Höhepunkt, wechselt er vom wankenden Indie Kitty-Yo zu V2 Records, wo sein viertes Werk "I'll Be A Virgin, I'll Be A Mountain" erscheint. Nach eigenen Angaben die positivste Platte, die er je gemacht habe.
Hier lernt der Zuhörer die etwas andere Glückseligkeit kennen. Die Heckersche Befreiung von der Last, die das Leben ständig bietet. Eine Reise durch den Singer/Songwriter-Kosmos eines Individuums mit klaren Vorstellungen. Immer dabei: Freund und Produzent Guy Sternberg, der ihm seit "Rose" treu die Hand hält. Doch so richtig zufrieden mit seinem Leben als Musiker ist er nicht, Hecker leidet mitunter an seinem Dasein. Das ändert sich, als er in Tokio der Prostituierten Nana über den Weg läuft. Auf einmal fährt der Blitz in ihn, er lässt sich Gesichtswolle stehen, wandert in Jogginghosen umher und veröffentlicht 2010 das Album "I'm Nothing But Emotion, No Human Being, No Son, Never Again Son" auf seinem eigenen Label Blue Soldier Records.
Neben der Musik tritt er auch als Schriftsteller in Erscheinung: "The Rise And Fall Of Maximilian Hecker" lautet der Titel seiner Autobiografie. Das Album "Mirage Of Bliss" führt ihn auch nach China und Südkorea. Für die 2013 anstehende Europatour gewinnt er Polarkreis 18-Sänger Felix Räuber als Mitstreiter. Der 2015 erscheinende Longplayer "Spellbound Scenes Of My Cure" beinhaltet künstlerische Umsetzungen seiner Reisen um die Welt, in betont ätherisch und minimalistisch-softpoppig angelegten Sound-Strukturen.
Zentrales Thema seiner Texte bleiben (gescheiterte) Liebesbeziehungen, wie es der Albumtitel "Wretched Love Songs" 2018 unverhohlen offenlegt. Gleichzeitig will Hecker mit seiner traurigen Musik Hoffnung spenden. In Ostasien klappt das wunderbar: Dort wird Hecker als Superstar gefeiert und gar auf der Straße erkannt. Ein schräge Doppelexistenz, die der Songwriter auch in seinem Buch beschrieben hat. Als "Wangzi" wird Hecker dort bezeichnet, als "melancholischer Prinz". 2024 erscheint mit "Neverheart" sein zehntes Studioalbum. Der Titel spielt auf den Klassiker "Neverland" von J. M. Barrie an, der die Insel beschreibt, auf der Peter Pan ewige Jugend beschert ist.
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