laut.de-Biographie
Massive Attack
Massive Attack gehen wie auch Tricky, Produzent Nellee Hooper oder später Smith & Mighty Ende der 80er aus dem Künstlerkollektiv The Wild Bunch hervor. The Wild Bunch sind ein ganzer Haufen von DJs, MCs und Graffiti-Sprayern, die ab 1983 die Kunst- und Musikszene im südenglischen Bristol gehörig aufmischen. Ihre Parties, auf denen sie alles von Punk über Reggae bis hin zu Dance und R'n'B miteinander vermischen, machen das Wild Bunch Soundsystem bald bis weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität angelangt, steht The Wild Bunch für den Sound von Bristol.
Als der Stern des Wild Bunch Soundsystem Ende der 80er zu sinken beginnt, beschließen die drei Mitbegründer Daddy Gee (Grant Marshall, geb. 1959), 3D (Robert Del Naja, 1966) und Mushroom (Andrew Vowles, 1968), ein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen: Massive Attack. Man arbeitet mit Samples, mischt Soul, Dance, Jazz und Rap und legt diese Melange über relaxte Dub-Sounds. Die erste Single "Daydreaming" erscheint 1990, neben Shara Nelson darf auch Tricky ans Mikrofon. Danach geht es Schlag auf Schlag. Die nächste Single "Unfinished Sympathy" wird zum Erfolg, "Safe From Harm" im Anschluss daran steigert die Popularität der Band noch weiter. Als schließlich 1991 ihr erstes Album "Blue Lines" erscheint, erreicht es schnell den Status eines Klassikers, und auch die Musikjournalie hat schnell eine neue Schublade für den frischen Sound aus Bristol kreiert: Trip Hop.
Im selben Jahr benennen sich Massive Attack um, der neue Name lautete schlicht Massive. Grund dafür ist der zu dieser Zeit tobende Golfkrieg. Massive Attack wollen verhindern, dass ihr Name missverstanden werden könnte, denn mit der UN-Politik im Bezug auf den Irak sind die Briten in keiner Weise einverstanden. Auch in späteren Jahren werden Massive Attack immer wieder gegen kriegerische Auseinandersetzungen protestieren. Der neue Name sorgt anfangs jedoch nur für Verwirrung, eine Tour durch die USA geht vollkommen in die Hose. Um Massive Attack wird es vorerst ruhig.
1994 melden sich die Jungs aus Bristol jedoch wieder zurück, mit dem alten Namen und einem neuen Album. "Protection" heißt das zweite Werk und es festigt den Status der Band als kreative Speerspitze des Trip Hop. Eine Handvoll Songs, darunter das Titelstück sowie das düstere "Karmacoma", tummeln sich im Radio und in den Clubs und einige Zeit später auch als Hintergrundsound in zahlreichen TV-Reportagen. Massive Attack scheinen vorerst ihren Höhepunkt erreicht zu haben, und es wird langsam klar, dass man die kreativen Möglichkeiten mit dieser Art von Sound ausgereizt hat. Im folgenden Jahr erscheint "No Protection", ein Remix-Album, das der Dub-König Mad Professor noch eine Spur träger und langsamer macht. Danach wird es erneut still um das Trio aus Bristol, einzig Remixe für Madonna und Garbage sorgen für Schlagzeilen.
Als 1997 eine neue EP namens "Risingson" erscheint, deutet sich schon an, wohin die musikalische Reise gehen wird. Die Sounds werden noch düsterer, auch härter, und zum ersten Mal verirren sich verzerrte Gitarren in den Massive Attack-Kosmos. Das Album "Mezzanine" stößt 1998 einige Fans und Kritiker vor den Kopf, braucht es doch viel Zeit, um sich dem Hörer zu erschließen. Trotzdem steigt "Mezzanine" zumindest in Europa in den Charts weit nach oben, die Tournee ist größtenteils ausverkauft. Es erfolgen Anfragen von Firmen, ob einzelne Songs für Werbespots verwendet werden dürfen, doch Massive Attack lehnen ab. Trotzdem lässt Adidas einen Spot anfertigen, der mit "Angel" aus "Mezzanine" unterlegt ist. Die Band klagt und gewinnt. Adidas muss eine nicht geringe Summe zahlen, die Band spendet diese wiederum an das britische Rote Kreuz. Zur selben Zeit steht Massive Attack auch eine personelle Änderung ins Haus: Mushroom (Andrew Vowles) steigt aus, da er sich weiterhin dem Hip Hop verbunden fühlt und mit dem neuen Sound seiner Kollegen nicht mehr zurecht kommt. Die Trennung läuft nicht ohne Streit ab, im Jahr 2006 erklärt Daddy G, dass man sich seit sechs Jahren nicht mehr gesehen habe. Nach der Tour wirkt der Rest der Band ausgebrannt, Trennungsgerüchte machen die Runde, werden jedoch auch immer wieder dementiert.
Neue Songs erscheinen nur sporadisch, hier mal eine Zusammenarbeit mit Mos Def auf dem Soundtrack zu "Blade 2", dort mal eine Kollaboration mit David Bowie. Ein neues Album wird jedoch wieder und wieder verschoben und entwickelt sich langsam zum running gag, da es beständig für das kommende Jahr angekündigt wird. Ende 2002 heißt es schließlich schlicht und ergreifend, das neue Album höre auf den Namen "100th Window" und stehe ab Anfang Februar in den Läden. Im Unterschied zu den Vorgängern hat nach ewigem Hin- und Her 3D die meisten Sachen komplett im Alleingang verfasst. Als Gastsängerin diesmal mit dabei: Sinead O'Connor.
"Danny The Dog", der Soundtrack zum gleichnamigen Luc Besson-Film, wird von den Fans eher verhalten begrüßt: obwohl unter dem Band-Label entstanden, mangelt es der Filmmusik doch an den typischen Massiv Attack-Zutaten. Auch Daddy Gs Auftritt im Rahmen der DJ Kicks-Reihe im selben Jahr taugt Anhängern der Band allenfalls zum Lückenbüßer.
Erst nachdem Massive Attack 2006 mit "Collected" ihr erstes Best Of-Album unter Volk gebracht haben, darf man sich wieder Hoffnung auf neues Studiomaterial machen. Am Rande einiger Deutschland-Konzerte im Spätsommer 2006 berichtet die zum Duo geschrumpfte Band von den Aufnahmesessions.
Dafür haben 3D und Daddy G wieder einige alte Bekannte ins Studio eingeladen, u.a. Horace Andy, der von Anfang an immer mal wieder mitmischt. Außerdem am Mikro stehen angeblich Damon Albarn, Mike Patton, Dot Allison und Elizabeth Frazer, die sich bereits als Sängerin von "Teardrops" unsterblich gemacht hat.
Mit Gästen wie Hope Sandoval, Martina Topley-Bird, Guy Garvey (Elbow), Tunde Adebimpe (TV On The Radio) und eben Albarn liefern die Briten 2010 dann endlich ab: Auf dem Produzentenstuhl von "Heligoland" sitzt neben Stammgast Neil Davidge erstmals auch David Andrew Sitek, Mastermind von TV On The Radio, die Massive Attack auf ihrer Tour 2006 begleiten. Das erste Studioalbum in sieben Jahren wird von Presse und Fans mit Begeisterung aufgenommen.
Außer mit regelmäßigen Liveauftritten machen Massive Attack in den folgenden Jahren auch mit politischen Aktionen und Statements auf sich aufmerksam. So gehen die Erlöse der Remixsingle "Atlas Air" an eine wohltätige Organisation, und die Band äußert sich auf Konzerten kritisch gegen die israelische Blockade des Gaza-Streifens. Konzerte in Israel sagt sie auf Druck der umstrittenenen Bewegung "Boycott, Divestment And Sanctions", kurz BDS, die zum Boykott Israels aufruft, ab.
Im Januar 2016 erscheint mit der EP "Ritual Spirit" das erste musikalische Lebenszeichen seit sechs Jahren. Sie enthält Gastfeatures von Roots Manuva, Young Fathers und Azekel. Außerdem arbeitet die Band wieder mit ihren alten Weggefährten Tricky zusammen. Noch im selben Jahr erscheinen zwei neue Songs mit Hope Sandoval und dem Rapper Ghostpoet.
Im Mai 2020 veröffentlichen Massive Attack mit "Eutopia" eine audiovisuelle Sammlung von drei Songs und Musikvideos auf ihrem YouTube-Kanal, mit der sie sich für den Klimaschutz stark machen. Für die gewinnen sie die beiden Bands Algiers und Young Fathers sowie den afroamerikanischen Autor Saul Williams. Zudem unterstützen sie seit 2018 die Klimaaktivisten von "Extinction Rebellion".
1 Kommentar mit einer Antwort
https://www.spiegel.de/panorama/leute/mass…
RIP