laut.de-Biographie
Senor Coconut
Senor Coconut ist vielleicht das berühmteste Pseudonym von Uwe Schmidt. So schnell kann's gehen, wenn man sich an Coverversionen einer weltbekannten Band heran wagt, und die Presse dazu einhellig jubelt. Dass der Senor eigentlich schon seit 1985 in der Musikwelt herum wirbelt, wissen die wenigsten.
Mitte der 80er treibt sich Atom Heart, seine eigentliche Künstlerbezeichnung, in seiner Heimat Frankfurt/Main als Drummer und autodidaktischer Programmierer herum. 1986 gehört er zu den Gründern des Labels "n.g. medien" und vertreibt mit Freunden Tapes elektronischer Projekte.
Mit seinem 1988 gegründeten Projekt "Lassigue Bendthaus" und dessen EBM-beeinflussten, dunklen Ambientexperimenten erntet er erstmals landesweite Aufmerksamkeit. Als Anfang der Neunziger der Techno-Boom einsetzt, ist der Frankfurter mittendrin im Zentrum des Geschehens, veröffentlicht seine DJ-Kollaborationen (u.a. Bill Laswell, Marc Behrens, Tetsu Inoue) aber schon europaweit.
"Rather Interesting", Atom Hearts eigenes Label, kommt 1994 zur Welt. Ziel der neuen Existenzgründung ist die Verpflichtung verschiedener Visionäre, die Interesse und Talent am Erforschen bisher unergründeter Wege im elektronischen Sektor bekunden. Neben dem Produzieren findet Schmidt auch Zeit, seine eigenen Studioentwürfe weltweit einem Live-Publikum vorzustellen.
1997 sieht er sich am Ende einer Dekade. Gelangweilt von Gleichförmigkeit und Stagnation der elektronischen Musik Europas wandert er mit Sack, Equipment und Pack nach Santiago de Chile aus. Ihr werdet's erahnen: Nun kommt Senor Coconut ins Spiel. Erfrischt und inspiriert von völlig neuen Rhythmen und Klängen kreiert die Kokosnuss 1997 die Elektro-/Samba-Gratwanderung "El Gran Baile". Außer der Veröffentlichung auf Rather Interesting zeigt sich lediglich Towa Tei's Akashi Records in Japan vom Stilmix angetan und lizensiert die Scheibe.
Unter der Abkürzung "LB", was Schmidts früheres Bandprojekt bezeichnet, veröffentlicht er Anfang 1999 die Scheibe "Pop Artificielle". Die Rolling Stones, John Lennon ("Jealous Guy") und andere stellen sich hier dem Popverständnis des Frankfurter Musikfreaks.
Als ihm dann die Idee mit den Kraftwerk-Klassikern im Latino-Style kommt, denkt Schmidt zunächst nur daran, einer Latin-Band die Originale vor zu spielen und deren Interpretationen anschließend zum Spaß mit zu schneiden. Doch bald findet er Gefallen an der Idee: Ein Deutscher, der in Chile wohnt, programmiert Kraftwerk auf Latino.
Heraus gekommen ist mit "El Baile Aleman" eine ironiebehaftete, amüsante Verbeugung vor Deutschlands Elektro-Pionieren inkl. Vibraphon und Marimba. Auch um seine Plattencover kümmert sich der Meister übrigens persönlich: "Die Kombo auf dem Coconut-Cover bin jeweils ich, bis auf die Köpfe, die habe ich gesamplet!"
Außerdem ist Schmidt Gründer und Knotenpunkt von MACOS, einem weltweiten Netzwerk, das gegen das Copyrighting von Samples kämpft. Schon 1992 veröffentlichte Atom Heart mit Lassigue Bendthaus' zweitem Longplayer "Cloned" eine Beilage-CD, auf der alle verwendeten Samples isoliert abrufbar sind, so dass sich Sample-Fetischisten die mühsame Arbeit des Heraustrennens einzelner Strukturen aus seinen Kompositionen sparen können.
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