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laut.de-Biographie

The White Stripes

Rot-Weiß sind die Vereinsfarben des FC Bayern München. Außerdem kennt man Anfang der Nullerjahre Redman, White Zombie, "Red Red Wine" und White Russian. Bei den White Stripes ist zwar rein namenstechnisch nur von weißen Streifen die Rede, doch ihr Image ist mindestens so rot-weiß wie Oberhausen. Man werfe nur einen Blick auf ihre frühen Albumcover oder Pressefotos.

The White Stripes: Die besten 20 Songs im Ranking
The White Stripes Die besten 20 Songs im Ranking
Die Zukunft des Rock'n'Roll als Tinnitus-Blues: Die Jahrtausendwende ist ohne Jack und Meg White nicht denkbar. Heißer Scheiß in rotweiß.
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Im Detroiter Underground schon seit der Debütsingle "Let's Shake Hands" von 1998 ein Name, entsteht erst um das dritte Album "White Blood Cells" des angeblichen Geschwisterpaars Jack und Meg White 2001 auch in Europa ein Hype, dass es bald rote Rosen auf das Duo regnet. NME-Titelstory ("The Sound Of Now"), Geheimtipp der Sun (!), Einladung von John Peel, kurz: England zeigt sich mehr als verzückt. Selbst David Letterman bekommt einen wässrigen Mund. Ob Jack und Meg nun tatsächlich Geschwister sind oder doch einmal miteinander verheiratet waren, bekommt allerdings niemand aus ihnen heraus. Jack verrät später, dass man mit der tatsächlichen Ehe nicht von der Musik ablenken wollte. Das Paar lässt sich im Jahr 2000 nach vier Jahren still und heimlich scheiden.

Der Wirbel um die Zwei erinnert die Rockfans 2001 ein wenig an die kurz zuvor erlebten Umjubelungs-Arien bei den Strokes, deren rauh-ungestümes Proberaum-Soundbild auch im Ton der White Stripes dominiert. Doch Fräulein White ist an der Drum-Fußmaschine etwas anders trainiert. Blues-Wurzeln, Garage Rock-Vorlieben und Rockabilly-Wiederbelebungsversuche; dass eine Platte der White Stripes durchgehend einer Sound-Richtlinie folgt, darf nicht erwartet werden.

Jack und Meg selbst kriegen Muffensausen, als sie zu jener Zeit im Bezug auf sich plötzlich Dinge lesen wie "Is Detroit the new Seattle?". Denn ihre Ein-Mann-Plattenfirma heißt zwar Sympathy For The Record Industry, aber so war das ja auch nicht gemeint. Doch wie soll sich ein Hype vermeiden lassen, wenn ein angekündigter White Stripes-Gig im kultigen 100 Club in London Menschenmassen mobilisiert, wie laut Clubinhaber das letzte Mal Oasis 1994?

Angeblich geht die Bandgründung exakt auf den Tag zurück, an dem die Franzosen den Sturm auf die Bastille feiern. Meg an den Drums, Jack an der Gitarre, Mikrofon aufgedreht und Rock'n'Roll aus den Boxen. Die ersten Singles mit rot-weißen Süßigkeiten auf dem Cover bergen rauhen Inhalt, der auf verschwitzten Detroiter Clubgigs reißenden Absatz findet. Punk-Blues mal ganz anders als bei Jon Spencer, minimalistisch und rotzig eben, energiegeladen und jeden Moment anders. Tourneen mit Pavement (1999) und Sleater Kinney (2000) folgen. Word spreads.

Enthusiastische Japaner und Australier nach dem Zweitwerk "De Stijl", benannt nach der holländischen Künstlerzeitschrift (u.a. Piet Mondrian), deren Bestreben es war, dem modernen Menschen etwas Neues in der schöpferischen Kunst näherzubringen. Die Entwicklung eines neuen Schönheitskonzeptes als Ziel. Die White Stripes bringen nichts radikal Neues, doch was sie erschaffen, könnte Bestand haben. Ein Rückgriff auf einfache, klare Strukturen ist jedenfalls unschwer auszumachen.

So richtig ins Rollen kommt der Stripes-Zug aber erst zwei Jahre später mit "Elephant", dem kommerziellen Durchbruch für die Band. Die Ohrwurm-Single "Seven Nation Army" wird bald zu groß für den Fan-Kreis der Bluesrocker - ein Evergreen für den Mainstream ist geboren, der in den Folgejahren Eingang in Fuß- und Baseballstadien weltweit findet. Die Tournee zum "Elephant"-Album gerät zum Triumphzug.

The White Stripes - Greatest Hits
The White Stripes Greatest Hits
Rock'n'Roll-Gesamtkunstwerk in rot-weiß.
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Eine unschöne Geschichte ereignet sich noch im Sommer 2003, als Jack seinem ehemaligen Kumpel Jason Stollsteimer (Sänger der Detroiter Kollegen Von Bondies) in einem Detroiter Club die Fresse poliert. Aus Notwehr, wie White behauptet. Stollsteimer hingegen besteht darauf, dass er von White angegriffen wurde, nachdem der ihm ein Gespräch verweigerte. Der Disput endet in einem 500 Dollar-Bußgeld für den reumütigen White Stripes-Sänger. Zusätzlich muss er Kurse besuchen, um seine Aggressionen in den Griff zu bekommen.

Mit seiner Bandkollegin taucht Jack Anfang 2004 im Film "Coffee And Cigarettes" von Jim Jarmusch auf und obendrein dürfen sich beide über zwei Grammys freuen: einen gibts für das "Best Alternative Album" und Jack erhält den "Best Rock Song"-Pott für "Seven Nation Army". Im Spätsommer sind in Deutschland bereits 100.000 "Elephant"-Einheiten abgesetzt, was zur Verleihung einer Goldenen Schallplatte führt. Die weltweiten Verkäufe des Albums belaufen sich im Juni 2005 auf vier Millionen Einheiten. Derweil freuen sich die Fans an der Live-DVD "Under Blackpool Lights", einem in 8 Millimeter gedrehten Konzert-Film, der den Live-Wahnsinn der "Elephant"-Tournee noch einmal wohnzimmergerecht nachstellt. Die Live-Single des Dolly Parton-Klassikers "Jolene", längst ein Konzert-Highlight der Band, verkauft sich ebenfalls blendend.

In der Bandauszeit kümmert sich Jack mit Loretta Lynn um ein weiteres Country-Idol aus alten Jugendtagen. Er produziert ihr Album "Van Lear Rose" und heimst dafür prompt zwei Grammys in den Sparten "Best Country Album" und "Best Country Collaboration With Vocals for 'Portland, Oregon'" ein. Anfang 2005 beschließen die White Stripes, den ganzen Album-Promotion-Tournee-Zirkus ein wenig neu zu justieren. Heißt: keine Superstar-Bequemlichkeiten, sondern harte, konzentrierte Arbeit. Anstatt sich also zwei Jahre coldplaygleich ins Studio zu verkrümeln, nehmen Jack und Meg in weniger als zwei Wochen das Album "Get Behind Me Satan" auf, das im Juni 2005 erscheint.

Eigentlich ein wahres Wunder, denn das Werk ist eine Art Mini-Oper, für die die Band erstmals massig Piano, Marimbas und Xylophone zusätzlich einspielt. Nicht von ungefähr klingt das experimentelle Ergebnis ein wenig nach Brecht/Weill, Nick Cave, und auch Queen, da Jack mächtig mit Falsetto-Gesang operiert. "Es war das erste Album, das wirklich einen schweren Entstehungsprozess hatte", resümiert Jack in einem Interview mit der L.A. Times kurz nach der Veröffentlichung. "Nicht weil uns die Inspiration ausgegangen wäre, sondern weil ich mich gezwungen habe, jeden Tag Songs zu schreiben, was ich normalerweise nicht tue. 35 kamen dann ungefähr zusammen." Außerdem seien im Laufe des Aufnahmeprozesses mehrere Bandmaschinen und Mikros kaputt gegangen und es tropfte ständig Wasser vom Dach; alles Dinge, die die Band allmählich zur Verzweiflung brachte.

Zur Inspiration des kompromisslos "Get Behind Me Satan" betitelten Albums nennt Jack überraschend die Schauspielerin Rita Hayworth, die auch den zentralen Charakter des Songs "Take, Take, Take" darstellt. "Sie fasziniert mich seit langem", so White. "Früher, als ich noch meinen Laden mit Autositzbezügen hatte, hingen Fotos von ihr in meinem Van. Bei diesem Album hatte ich unzählige Bilder in meinem Kopf, ich musste mich auf eines konzentrieren und schließlich wurde sie mein Anker. Sie war eine Schönheit, eine Liebesgöttin. Das rote Haar, die Unschuldigkeit, und dann die Tatsache, dass sie aufgrund der Alzheimer-Krankheit ihr Gedächtnis verloren hat ... sie war ein Model, hat sich meines Wissens aber nie um die Fotos gekümmert."

Im wahren Leben gibt Jack am 1. Juni 2005 - natürlich auf Tournee - seiner Freundin Karen Elson in Brasilien das Ja-Wort. Elson spielt auch die rothaarige Dame im "Blue Orchid"-Video, für das Floria Sigismondi Regie führte (u.a. Marilyn Manson - "Beautiful People"). Ihr Album promoten die White Stripes, der düsteren Ausrichtung folgend, denn auch nicht in den gängigen Medienmetropolen, sondern neben Brasilien auch in Mexiko, Chile, Russland, Polen und Griechenland.

Im Jahr 2006 hört man von den White Stripes zwar nix, Mister White musiziert trotzdem fröhlich weiter und zwar mit der ebenfalls nicht unerfolgreichen Gruppe The Raconteurs. Vor allem ihre Single "Steady As She Goes" beschert dem Star-Quartett auch in Alternative-Discos einen festen Platz im Abendprogramm. Anfang 2007 trifft sich Jack wieder mit seiner Trommlerin Meg und gemeinsam spielen sie im Blackbird Studio in Nashville ein neues Album ein.

Als Titel wandelt Jack den nordenglischen Ausruf "Ecky Thump", der im Moment der Überraschung ausgesprochen wird und so viel bedeutet wie "Was zur Hölle?", um in "Icky Thump". Klingt ja auch mehr nach Iggy und also mehr Rock'n'Roll. Die Aufnahmedauer der Platte beansprucht die Band nach guter alter Tradition nicht allzu lange. Schon nach drei Wochen ist das Ding im Kasten - noch nie hat das Duo im Studio länger (!) an einer Platte gearbeitet. Mit dem Song "Conquest" haben Jack und Meg eine Coverversion der Countrysängerin Patty Page mit aufs Album genommen. Page (Jahrgang 1927) hatte mit "Tennessee Waltz" einen der größten Hits der 50er Jahre.

Für das Video zur Single "Icky Thump" bereisen die White Stripes das Tennessee State Gefängnis, wo u.a. der Film "The Green Mile" mit Tom Hanks gedreht wurde. Der Clip selbst spielt allerdings in Mexiko, wie an den Kulissen unschwer zu erkennen ist. Vielleicht kommt Jack damals schon die Idee, nach Nashville umzusiedeln, wo er kurz darauf seinen Lebensmittelpunkt hinverlegt. 2010 bringen die Stripes mit "Under Great White Northern Lights" ihr Abschiedswerk heraus, ein eindrucksvolles Dokument ihrer Live-Qualitäten von 2007. Am 2. Februar 2011 verkündet die Band auf ihrer Website die Auflösung der Gruppe. Grund sei kein künstlerischer Disput oder Gesundheitsprobleme, aber man wolle das Andenken an die Musik und die Band einfach so lassen, wie es ist, so das Statement.

Dies ist dennoch nur die halbe Wahrheit: Bald stellt sich heraus, dass Meg an einer Angststörung leidet. Man kann sich vorstellen, dass sie als schüchterne Person lange dagegen ankämpfen musste, mit ihrem Leben in der Öffentlichkeit klar zu kommen und zum Wohl der Gruppe Auftritte vor tausenden Menschen zu absolvieren. 2011 entscheidet sie sich dafür, dieser Zeit ein Ende zu setzen und sich ins Private zurück zu ziehen. Bereits 2009 heiratet sie Jackson Smith, den Sohn von Patti Smith und Fred "Sonic" Smith. Die Scheidung erfolgt 2013. Seither gelingt ihr ein Leben abseits von Paparazzi und Internet-Headlines. 2020 hievt Jack, mittlerweile Bluesrock-Entrepreneur mit dem Label Third Man Records, die musikalischen Errungenschaften der Gruppe wieder ins Rampenlicht. "Greatest Hits" feiert 26 Song-Momente dieser besonderen Karriere, zunächst nur im Streaming, im Februar 2021 dann auch auf CD und standesgemäß auf farbigem Vinyl.

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Live 2007 The White Stripes bei Rock Am Ring 2007.

The White Stripes bei Rock Am Ring 2007., Live 2007 | © LAUT AG (Fotograf: Nils Grobmeier) The White Stripes bei Rock Am Ring 2007., Live 2007 | © LAUT AG (Fotograf: Nils Grobmeier) The White Stripes bei Rock Am Ring 2007., Live 2007 | © LAUT AG (Fotograf: Nils Grobmeier) The White Stripes bei Rock Am Ring 2007., Live 2007 | © LAUT AG (Fotograf: Nils Grobmeier)

Live in München 2005 Get behind me Munich: Detroit überrollt die bayerische Metropole.

Get behind me Munich: Detroit überrollt die bayerische Metropole., Live in München 2005 | © laut.de (Fotograf: Daniel Straub) Get behind me Munich: Detroit überrollt die bayerische Metropole., Live in München 2005 | © laut.de (Fotograf: Daniel Straub) Get behind me Munich: Detroit überrollt die bayerische Metropole., Live in München 2005 | © LAUT AG (Fotograf: Daniel Straub) Get behind me Munich: Detroit überrollt die bayerische Metropole., Live in München 2005 | © laut.de (Fotograf: Daniel Straub) Get behind me Munich: Detroit überrollt die bayerische Metropole., Live in München 2005 | © laut.de (Fotograf: Daniel Straub) Get behind me Munich: Detroit überrollt die bayerische Metropole., Live in München 2005 | © laut.de (Fotograf: Daniel Straub) Get behind me Munich: Detroit überrollt die bayerische Metropole., Live in München 2005 | © laut.de (Fotograf: Daniel Straub) Get behind me Munich: Detroit überrollt die bayerische Metropole., Live in München 2005 | ©  (Fotograf: Daniel Straub) Get behind me Munich: Detroit überrollt die bayerische Metropole., Live in München 2005 | © laut.de (Fotograf: Daniel Straub)

Live in Köln 2003 Magische Geschwister-Power am 17. Mai 2003 in Köln.

Magische Geschwister-Power am 17. Mai 2003 in Köln., Live in Köln 2003 | © LAUT AG (Fotograf: Martin Mengele) Magische Geschwister-Power am 17. Mai 2003 in Köln., Live in Köln 2003 | © LAUT AG (Fotograf: Martin Mengele) Magische Geschwister-Power am 17. Mai 2003 in Köln., Live in Köln 2003 | © LAUT AG (Fotograf: Martin Mengele) Magische Geschwister-Power am 17. Mai 2003 in Köln., Live in Köln 2003 | © LAUT AG (Fotograf: Martin Mengele) Magische Geschwister-Power am 17. Mai 2003 in Köln., Live in Köln 2003 | © LAUT AG (Fotograf: Martin Mengele) Magische Geschwister-Power am 17. Mai 2003 in Köln., Live in Köln 2003 | © LAUT AG (Fotograf: Martin Mengele) Magische Geschwister-Power am 17. Mai 2003 in Köln., Live in Köln 2003 | © LAUT AG (Fotograf: Martin Mengele)

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