Porträt

laut.de-Biographie

And You Will Know Us By The Trail Of Dead

Tatort Mythenbildung: Planoe. Ein winziges, verschlafenes Provinznest, irgendwo in Texas. Es ist eine dieser Hundert-Seelen-Gemeinden, in denen jeder jeden kennt und – mehr oder weniger – gottesfürchtig durchs Leben läuft. So kommt es, dass Neil Busch (ab 2004 durch Ex-The Rise Danny Wood ersetzt), Conrad Keely, Jason Reece und Kevin Allen sich quasi automatisch kennen lernen - die drei Ersteren durch Gottes Fügung in der Sonntagsschule.

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Später stößt mit Doni Schroader (früher Forget Cassettes) ein zweiter fester Drummer zum Line-Up. Die Jungs wachsen nahe beieinander auf und teilen neben wohlbehüteten Verhältnissen auch ihre Interessen für Wissenschaft, Literatur und besonders ihre Liebe zum Gesang. So kommt es, dass sie in der Junior-Highschool flugs dem Kirchenchor beitreten und bei internationalen Gesangswettbewerben mitmachen und einige davon auch gewinnen.

Nachdem die vier auf dem College zeitweise getrennte Wege gehen, treffen sie sich in Austin/Texas wieder, wo Neil die Universität besucht. Dort frönen sie erneut ihrer Liebe zum Gesang und treten eine Zeit lang zusammen bei Kirchenveranstaltungen als Gesangsquartett auf. Ebenfalls in Austin treffen sie den Produzenten Mike McCarthy, mit dem sie sich schnell anfreunden und der sie anspornt, ins Studio zu gehen und Musik aufzunehmen. Die Idee einer Band nimmt Gestalt an.

Zeitgleich widmen sie der Maya-Forschung einen Großteil ihrer Zeit. Sie untersuchen alte Schriften von unterschiedlichen Völkern, studieren Handlungsweisen und Rituale. Ihr Ziel: Die verschiedenen Kulturen durch ein gemeinsames Thema zu verbinden, somit also für die Menschheitsgeschichte das zu finden, was in der Physik die Einheitlichkeitstheorie darstellt.

Dabei stoßen sie auf den Satz "... And You Will Know Us By The Trail Of Dead", der in Schriften verschiedener Kulturen wiederholt auftritt. Diese Glyphe gibt den Ausschlag, ein Experiment zu starten: Sie wollen auf musikalischem Wege darstellen, was die Theorie der Einheitlichkeit der Kulturen aussagt, verschiedene musikalische Mittel sollen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden.

Auf ihrer ersten US-Tour hinterlässt die Band eine Schneise der Verwüstung: Neben einer erstklassigen Live-Performance werden TOD im Zuge des selbstbetitelten Debüts (1998) vor allem dafür bekannt, ihr gesamtes Inventar während ihres Gigs zu verschrotten und in die Menge zu donnern, so dass jeder froh ist, wenn er ein Konzert lediglich mit ein paar Schrammen verlässt.

Von 2002 bis 2008 kommt man beim Label Interscope/Universal unter, bei dem bekanntlich auch Fred Durst die Fäden zieht, und veröffentlicht das dritte Album "Source Tags & Codes": Für die (Alternative-)Musikwelt ein derart vielseitiges und grandioses Hörerlebnis, dass sie sich vor Lob und Höchstwertungen nur so überschlägt (Interscope selbst spricht von einem "romantischen Post-Emocore-Kunstwerk"). Die Frage bleibt, ob das restliche Volk auch intellektuell folgen kann.

Denn Sänger und Zeichentalent Keely verfasst regelmäßig musikphilosophische Essays und ruft für interessierte Fans gar eine virtuelle Trail Of Dead-University aus. Ob es sich dabei um ein ernsthaftes didaktisches Anliegen handelt, bleibt unersichtlich. Schließlich sind die unberechenbaren Texaner, die eine Vorliebe für zerstörte Bühnen und Hotelzimmer hegen, dafür bekannt, sich bei Journalistenfragen zwischen Analyse, Wahrheit und absolutem Mumpiz einzupendeln.

Ein weitere, zunehmend poplastiges Werk erscheint ("Worlds Apart"), bis TOD mit dem fünften Album "So Divided", so will uns Keely jedenfalls Glauben machen, mit den Ammenmärchen früherer Tage brechen: "Diese Songs wollen das exakte Gegenteil - Sie wollen aufdecken, wollen offenbaren!" Aber wie wir alle wissen: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht...

Drei Jahre später verabschieden sich TOD von Interscope Records und veröffentlichen ihr sechstes Studioalbum "The Century Of Self" auf dem bandeigenen Label Richter Scale Records. Die Songs erinnern wieder vermehrt an den brachialen Sound der Anfagstage und bescheren der Band größtenteils euphorische Rezensionen.

"Tao Of The Dead" veröffentlichen die Texaner im Frühjahr 2011 via Superball Music, einer Company mit Sitz in Dortmund. Im Vergleich zum Vorgänger präsentiert sich "Tao Of The Dead" wieder wesentlich progressiver, ohne an Durchschlagskraft zu verlieren.

Die Verschnaufspausen werden erstaunlicherweise mit zunehmendem Alter immer kürzer: TOD überraschen ihre Anhängerschaft bereits im Jahr darauf mit einer weiteren Veröffentlichung. Neben Keely und Reece gehören mittlerweile Autry Fulbright II und Jamie Miller zum Line-Up.

Das in Hannover aufgenommene Album "Lost Songs" erscheint im Oktober 2012, den Track "Up To Infinity" widmen sie Pussy Riot. "Wir sind kreative Menschen, die relativ selten einem Zeitplan folgen. Wenn die Ideen kommen, dann muss man sich auch damit auseinandersetzen, auch wenn das letzte dicke Package vielleicht erst einige Monate auf dem Markt ist."

Auch in der Folge bleiben die Texaner sehr produktiv: während "IX" das Quartett in alter Stärke zeigt, veröffentlichen Conrad Keely ("Original Machines", 2016) und Autry Fulbright ("Departures", 2015) jeweils Soloalben. Mit ihrem zehnten gemeinsamen Album "X: The Godless Void And Other Stories", das im Januar 2020 erscheint, beweisen sie rückblickend ein Händchen für gutes Timing. Kurz darauf spielen sie die Tournee in Europa, bevor im März weltweit der Vorhang fällt.

Wie so viele andere Künstlerinnen und Künstler nutzen die Texaner die Auftrittssperre für neue Songs. Als 2022 dann wieder Club-Konzerte möglich sind, legen Keely und Co. mit "XI: Bleed Here Now" einfach 21 neue Tracks vor. Bei einem speziellen Event in Berlins Musikbrauerei zeigen Keely und Reece im Juli zunächst neue Artprints, bevor Fans in den Genuss des neuen Albums kommen, das die Band im quadrophonischen Surround-Sound aufgenommen hat. Anschließend geben die Musiker noch ein Akustik-Konzert zum Besten. Ein würdiges Programm für die Feier ihres 25-jähriges Bandbestehens.

Interviews

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Alben

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  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2014 IX

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Fotogalerien

Berlin, Festsaal Kreuzberg, 2020 Conrad Keely und Jason Reece öffnen die gottlose Leere.

Conrad Keely und Jason Reece öffnen die gottlose Leere., Berlin, Festsaal Kreuzberg, 2020 | © Manuel Berger (Fotograf: Manuel Berger) Conrad Keely und Jason Reece öffnen die gottlose Leere., Berlin, Festsaal Kreuzberg, 2020 | © Manuel Berger (Fotograf: Manuel Berger) Conrad Keely und Jason Reece öffnen die gottlose Leere., Berlin, Festsaal Kreuzberg, 2020 | © Manuel Berger (Fotograf: Manuel Berger) Conrad Keely und Jason Reece öffnen die gottlose Leere., Berlin, Festsaal Kreuzberg, 2020 | © Manuel Berger (Fotograf: Manuel Berger)

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1 Kommentar mit 6 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    ...AYWKUBTTOD-Album mit Amanda Palmer Feature? Take my fookin money! (Hab in die Songs noch nicht reingehört)

    https://www.brooklynvegan.com/trail-of-dea…

    • Vor 2 Jahren

      Ich jetzt schon, klingen beide ganz geil mMn. 15.7 ist angemarkert, danke f d Hinweis!

    • Vor 2 Jahren

      Huch, das ist jetzt stilistisch doch recht unerwartet. Deutlich straigther und...besser gelaunt? Plus Keely in neuem Look. Da bin ich ja jetzt tatsächlich mal gespannt, was da auf Albumlänge bei herumkommt.

    • Vor 2 Jahren

      In meiner Wahrnehmung sind sie eigentlich schon immer - zugegeben sicher anteilig unpassenderweise - eine ziemliche Gute-Laune-Mitsing-Kapelle, vielleicht empfind ich den Soundschwenk deshalb als gar nicht soo einschneidend. Gut, dieses Riffrock-Led-Purple-mäßige hatten sie bisher vielleicht wirklich so nicht im Rezept, aber fühlt sich trotzdem recht natürlich an irgendwie. Die Matte dagegen finde ich auch gewöhnungsbedürftig :D

    • Vor 2 Jahren

      Kurzer Einwurf, dass ich schon vor eurem Kränzchen dazu durch Gleep darauf aufmerksam wurde und es zur nachträglichen Teilnahme an selbigem definitiv sofort heute nach Feierabend anchecken werde!

    • Vor 2 Jahren

      "eigentlich schon immer - zugegeben sicher anteilig unpassenderweise - eine ziemliche Gute-Laune-Mitsing-Kapelle"

      Joa. Mensch beachte die wiederkehrenden Schöngeist-Melodiebögen auf bspw. "Worlds Apart", die einerseits immer wieder hymnisch Vereinigungs- und Zusammenhalt-Spirit in durchaus gröhlfreudig interpretierbare Hooks gießen und im selben Moment nie das letzte bisschen Rotz und Trotz vermissen lassen, aus dem sie mutmaßlich ursprünglich geboren wurden. Der Breitwand-Sludge-Einschlag vom Lyric-Video holt mich natürlich ziemlich genau dort ab, wo ich musikfanatisch nach wie vor relativ stabil stehe.

      Keely mit helmischer 70s Gedächtnis-Matte somit unerwartbarer als das musikalisch durchaus begeisternde Produkt am Ende ihrer jüngsten Unternehmung, von der Palmer erwarte ich wie in den allermeisten Fällen auf jeder Ebene denkbar untadeliges auf dem kollaborativen Endprodukt in Albenlänge.

    • Vor 2 Jahren

      Das immer wieder gern gehörte "Gegenteil" dieses jüngsten aywkubttod-Experiments - nämlich lyrisch so tun als wäre alles gerade echt super spitze am laufen während die begleitende Musik eine ganz andere Geschichte dazu zu erzählen weiß - finde ich immer wieder gerne bei ähnlich schrägen Truppen wie dem Universum hoffentlich stets nach ihrer Auflösung heilig gebliebenen Aereogramme und ihren antipopstrukturellen Meisterwerken wie "Zionist Timing" von der "A Story in White":

      https://m.youtube.com/watch?v=NzbfI4z6Orc