4. November 2013

"Hip Hop ist der wahre Crossover"

Interview geführt von

Nach der Single "I Need A Dollar" aus dem Jahre 2010 freuten sich viele auf einen zeitnahen Nachschlag aus dem Hause Blacc. Doch der kalifornische Sänger wollte nichts übers Knie brechen. Und so dauerte es drei lange Jahre, ehe sich Aloe Blacc im Sommer dieses Jahres mit dem Song "Wake Me Up" zurückmeldete. Die Geduld zahlte sich aus; denn in diversen Ländern landete die Avicii-Co-Produktion gleich in der Veröffentlichungswoche auf Platz eins der Singlecharts.

Fünfzehn Jahre lang wartete Aloe Blacc auf diesen einen Moment. 2010 war es endlich soweit. Mit der Single "I Need A Dollar" katapultierte sich der Kalifornier praktisch über Nacht ins internationale Rampenlicht. Drei Jahre später präsentiert der Sänger sein mittlerweile drittes Album "Lift Your Spirit", das mit reichlich hochwertigen R'n'B- und Soul-Vibes aufwartet. Kurz nach der Veröffentlichung des Albums verabredeten wir uns mit dem Sänger und Songwriter zum Gespräch und plauderten über Liebe, Liebe und nochmals Liebe.

Hi Aloe, dein neues Album "Lift Your Spirit" ist seit ein paar Tagen auf dem Markt. Die Reaktionen der Presse sind ja überschwänglich. Du wirst mittlerweile als der neue R'n'B- und Soul-Superstar gefeiert. Das sah vor einigen Jahren noch anders aus. Vor dem Erscheinen deiner zweiten Platte "Good Things" hatten dich nur Insider auf dem Schirm, obwohl du seit 1995 musikalisch aktiv bist. Was hast du fünfzehn Jahre lang "falsch" gemacht?

Aloe: Manchmal brauchen die Dinge einfach ihre Zeit. Wichtig ist nur, dass man an sich und das, was man tut, glaubt. Daher würde ich eher sagen, dass ich alles richtig gemacht habe (lacht). Wer weiß, ob ich heute überhaupt mit dir sprechen würde, wenn ich gleich zu Beginn meiner Karriere als MC durchgestartet wäre. Nicht, dass ich es damals nicht toll gefunden hätte, aber ich denke, dass ich einfach noch nicht bereit war. Diese Lehrjahre waren unheimlich wichtig für meine musikalische und persönliche Entwicklung. Ich war viel unterwegs, habe viele Leute getroffen und unheimlich viel ausprobiert. Während dieser Zeit habe ich viel gelernt.

Was denn?

Nun, in erster Linie habe ich gelernt, dass man als Musiker erst mal mit sich selbst im Reinen sein sollte, bevor man die Öffentlichkeit im großen Rahmen mit einbezieht.

Das klingt ein bisschen schwammig ...

Wenn man sich langfristig etablieren will, dann muss man an sich arbeiten. Man muss herausfinden, was man will. Denn erst dann erreicht man die Leute wirklich. Natürlich kann man den Weg des geringsten Widerstands nehmen, sich ein hippes Image aufdrücken lassen und sich ins Business einkaufen. Das wollte ich aber nicht. Ich wollte immer mit meiner Musik begeistern. Und die war einfach lange Zeit nicht ausgefeilt genug.

Fünfzehn Jahre ist aber eine ganz schön lange Zeit. Nicht viele Kollegen halten so lange durch.

Ja, das stimmt. Und die, die es nicht schaffen und stattdessen vor Abschluss des Lernprozesses ins Business springen, die halten sich dann meist auch nur eine Saison ganz oben. Ich habe damals sehr schnell gemerkt, dass das ein langer Weg werden wird, um dahin zu kommen, wo ich jetzt bin.

"Im Folk geht es um die wirklich wichtigen Dinge im Leben"

Die Leute haben Probleme damit, eine passende Schublade für dich zu finden. Nervt dich dieses ewige Hin und Her zwischen Blues, Soul und R'n'B? Oder erfreust du dich am scheinbar nicht enden wollenden Puzzeln?

Oh, darüber freue ich mich total. Denn nichts ist für langfristig geplanten Erfolg gefährlicher als künstlerische Eindimensionalität. Dabei sollte man aber natürlich darauf achten, dass man nicht irgendwann an Glaubwürdigkeit verliert. Das ist der Schlüssel. Ich versuche nur das in meine Musik einfließen zu lassen, an was ich selbst auch glaube. Ich würde niemals irgendwas ausprobieren, nur um irgendeinem Hype gerecht zu werden. Das wäre der völlig verkehrte Weg. All die Dinge, die man jetzt in meiner Musik findet, haben sich über Jahre hin bei mir angestaut, verstehst du? Egal ob Blues, Soul oder R'n'B – ich habe in jedem dieser Genres ein Zuhause gefunden.

Woher kommt diese musikalische Offenheit?

Aus dem Hip Hop. Ich habe ja als MC angefangen. Im Hip Hop ist der Crossover-Gedanke am weitesten verbreitet. Wenn man beginnt sich mit Hip Hop zu beschäftigen, dann wird man automatisch mit fast jedem anderen Genre konfrontiert. Das ist das Faszinierende an dieser Branche, auch wenn sich die Rap-Community immer gerne als eigenständiger Zirkel betrachtet. In Wahrheit herrscht aber in keinem Genre so viel Offenheit wie im Hip Hop. Da findet man Beats und Samples aus allen Bereichen. Hip Hop ist der wahre Crossover. Für mich war das der Schlüssel. So konnte ich mich in vielen unterschiedlichen Bereichen ausprobieren, ohne dabei einen klaren Weg verlassen zu müssen.

Ich habe gelesen, dass du dich im Großen und Ganzen als Folk-Sänger bezeichnen würdest.

Ja, absolut. Folk ist die Basis. Dabei geht es aber weniger um die Musik als vielmehr um die Botschaft.

Welche Botschaft?

Beim Folk geht es schon seit jeher mehr um die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Dicke Autos, teure Schuhe und nicht enden wollende Parties spielen im Folk nur selten eine Rolle. Daher bezeichne ich mich am liebsten als Folk-Sänger, denn auch mir ist es wichtig, eine Message zu transportieren.

Die wäre?

Liebe.

So?

Ja, Liebe ist alles. Ich versuche den Leuten zu vermitteln, dass man mit Liebe alles erreichen kann.

Harmonie und Bescheidenheit, statt Raffgier und Machtbesessenheit?

Genau.

Klingt schön.

Ja. Und weißt du was? Es ist eigentlich so einfach.

"Ich will auf das aufmerksam machen, was falsch läuft"

Wenn man sich die Nachrichten anschaut, hat man eher ein anderes Gefühl.

Das liegt daran, dass viele einflussreiche Personen und Künstler dieser Welt noch zu selten mit gutem Beispiel vorangehen.

Demnach ärgert es dich, wenn Leute wie Justin Bieber, Lady Gaga oder Katie Perry nur übers Partymachen singen, anstatt sich mit relevanten Themen auseinander zu setzen?

Nein, gar nicht. Partymachen und eine gut Zeit haben, ist immens wichtig. Wer würde denn auch einem Justin Bieber zuhören, wenn er plötzlich von der allumfassenden Kraft der wahren Liebe singen würde? Das ist schon völlig in Ordnung so. Ich meine eher die Leute, die die Massen generationsübergreifend erreichen. Dort müsste noch mehr passieren. Es muss den Menschen einfach klarwerden, dass man auch ohne Ellbogen und dem stetigen Verlangen nach mehr, Ziele erreichen kann. Und genau das versuche ich mit meiner Musik und mit meinen Texten zu vermitteln. Das Leben hat weitaus mehr zu bieten als schicke Schuhe, dicke Uhren und große Häuser.

Klingt nach einem regelrechten Masterplan.

Es ist mehr ein Verlangen oder ein Wunsch als ein Plan. Wer zu viel plant, der verliert sich irgendwann in Kompromissen und versteckten Klauseln. Mir geht es um reine Gedanken. Mir geht es darum, bei meinen Fans ein Bewusstsein für die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu entwickeln. Ich will anstubsen und anregen. Ich will auf Dinge aufmerksam machen, die einfach falsch laufen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um wirtschaftliche, politische oder gesellschaftliche Angelegenheiten geht. Der Schuh drückt überall. Ich finde einfach, wenn man sich in einer Position befindet, in der man viele Menschen erreichen kann, dann sollte man das auch nutzen und versuchen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Es kann mir doch keiner erzählen, dass es ihm egal ist, dass seine Klamotten irgendwo in Asien hergestellt werden, wo kleine Kinder unter menschenverachtenden Bedingungen zwölf Stunden am Tag schuften müssen. So etwas lässt doch niemanden kalt. Dass der furchtbaren Erkenntnis aber dennoch nur selten Taten folgen, liegt am täglich erzeugten Druck der Gesellschaft. Wir leben in einem Vergleichs-Zeitalter. Was du hast, will ich auch haben – mindestens. Und dieser Gedanke schiebt alles andere ganz schnell wieder beiseite, weil heutzutage Job, Geld und Ansehen davon abhängen, ob und wie man andere hinter sich lassen kann.

Was entgegnest du Leuten, die eine Unterhaltung mit dir mit folgendem Satz beginnen: 'Na, du hast gut reden ...

Ich sage ihnen, dass Geld allein nicht glücklich macht - auch wenn es noch so platt klingt. Außerdem muss die Tatsache, dass jemand Geld besitzt nicht zwangsläufig bedeuten, dass derjenige nicht weiß, um was es wirklich im Leben geht. Es gibt genug Beispiele von großen Künstlern, die stinkreich sind, aber dennoch den Blick fürs Wesentliche nicht aus den Augen verlieren. Ich versuche alles, um demselben Weg zu folgen.

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3 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 11 Jahren

    für alle Scheuklappen-only-Rap-Hörnchen und ganz speziell für meinen Sodi-Brudi, hier das ganze HipHop-Zitat:

    "Aus dem Hip Hop. Ich habe ja als MC angefangen. Im Hip Hop ist der Crossover-Gedanke am weitesten verbreitet. Wenn man beginnt sich mit Hip Hop zu beschäftigen, dann wird man automatisch mit fast jedem anderen Genre konfrontiert. Das ist das Faszinierende an dieser Branche, auch wenn sich die Rap-Community immer gerne als eigenständiger Zirkel betrachtet. In Wahrheit herrscht aber in keinem Genre so viel Offenheit wie im Hip Hop. Da findet man Beats und Samples aus allen Bereichen. Hip Hop ist der wahre Crossover. Für mich war das der Schlüssel. So konnte ich mich in vielen unterschiedlichen Bereichen ausprobieren, ohne dabei einen klaren Weg verlassen zu müssen."

    So und nicht anders, Leute. :)

  • Vor 11 Jahren

    Lass dieses Interview bloß nicht Sodhahn lesen!

  • Vor 11 Jahren

    sehr schönes interview,mehr davon :)