laut.de-Biographie
Rocko Schamoni
"Rocko Schamoni war, ist und wird für mich immer der King sein", sagt Blumfeld-Sänger Jochen Distelmeyer über ihn. Schamoni genießt in den Hamburger Subkulturzirkeln und auch darüber hinaus einen durchgängig guten Ruf. Mit unzähligen Projekten hat es der Post-Punk-Entertainer als Musiker, Clubbetreiber und Autor längst zum Ikonenstatus gebracht.
"In meiner Heimatstadt Lütjenburg war ich 1981 einer der ersten Punks", erzählt Rocko. Schon früh übt sich der 1966 Geborene in absonderlichen Spaß-Punk-Aktionen. Die Legende berichtet, dass Rocko einstmals einen Punk-Ausweis vergab, "mit dem man zum Beispiel überall hinpissen darf." Campino von den Toten Hosen soll den Pass heute noch stolz in seinem Portemonnaie aufbewahren.
In den frühen 80er Jahren huldigt er mit seiner ersten Band Warhead dem Punkrock. Später nennen sie sich um in Public Enemy, dann aufgrund nachvollziehbarer Motive in Die Götter. Touren mit den Toten Hosen und den Goldenen Zitronen folgen.
Später zieht die Stimme der Dissidenz auf Solopfaden mit glamourösen Popshows oder der Band Seine Eltern durch die Lande, ist mit seinem Projekt Connection Point (das er u.a. gemeinsam mit Zitronen-Sänger Schorsch Kamerun betreibt) in Sachen elektronischer Musik unterwegs oder treibt ansonsten in dem von ihm mitbegründeten Golden-Pudel-Club in Hamburg, St. Pauli, Schabernack.
"Du wählst CDU, darum mache ich Schluss", heißt es in einem programmatischen Rocko Schamoni-Stück 1991. "Ich glaube nicht, dass irgendwas durch Wahlen zu ändern ist. Eher durch Taten, durch Spektakel oder vielleicht durch Kunst", erklärt der Pop-Linke. Seine Platten sind voll von dementsprechend maßlosen Trash-Installationen: "Edutainer" wird Rocko deshalb gerne als Beiname angehängt.
Mit skurrilen Schlagerprojekten, Poptrash oder auch als Co-Moderator des 3sat-Fernsehdreiteilers "Pudel-Overnight" hat sich der ungekrönte König der Hamburger Popkulturszene bereits auf die Suche nach der Alternative zum System gemacht. Manchmal wird er sogar verstanden. Jan Müller von Tocotronic hat sein Album "Showtime" von 1999 auf eine ihm würdige Art kommentiert: "Jedes Stück ist super. Die meisten sind sogar duper."
Mit den Kollegen Jacques Palminger und Heinz Strunk (Autor von "Fleisch Ist Mein Gemüse") betreibt er ab Ende der Neunziger das humoristische Studio Braun. Im Jahr 2000 erscheint mit "Risiko Des Ruhms" sein erstes Buch, gefolgt vom Album "Der Schwere Duft Von Anarchie". Ein Jahr später kommt eine Werkschau der Jahre 1988 bis 2003 auf den Markt. Danach widmet sich King Rocko wieder dem Schreiben.
"Dorfpunks" (2004) und "Sternstunden der Bedeutungslosigkeit" (2007) werden zu Hits der deutschsprachigen Popliteratur. Der Wortpunk verteilt damit fleißig literarische Harken. Die von auflagenstarker Publikumsbegeisterung getragenen Romane vermehren sich schnell über das Format Hörbuch hinaus. "Dorfpunks" landet über eine Inszenierung am Hamburger Schauspielhaus gar im Kino. "Rocko Schamoni & Little Machine" erscheint 2007 und bleibt für lange Zeit sein letztes Soloalbum. Rocko hat vom ewig gleichen Albumveröffentlichung-Tour-Zyklus erst mal die Schnauze voll. In Interviews spricht er davon, nie mehr Musik zu veröffentlichen.
Er hält erstaunlich lange durch: Erst 2015 erscheint wieder Musik vom King. Auf "Die Vergessenen" versammelt er zahlreiche persönliche Lieblingslieder von Ennio Morricone über Manfred Krug, Jeans Team bis Ton Steine Scherben und setzt sie mit einem Orchester neu in Szene. Der Künstler selbst spricht von "13 zu Unrecht vergessenen Perlen deutscher Popgeschichte". Und wer außer ihm könnte (oder wollte) obskure ZickZack-Songs ins Swing-Format übersetzen? "Angela" ist eine von zwei Eigenkompositionen, die der damaligen Kanzlerin Merkel unsanft auf die Pelle rückt: "Dein Körper ist zu Marmor geworden / Dein Busen ist ein Friedhof für Orden / Angela, was hat die Macht aus dir gemacht?"
2019 feiert Rocko Schamoni sein 35-jähriges Bühnenjubiläum und präsentiert das neue Album "Musik für Jugendliche", auf dem er u.a. Talk Talk-Legende Mark Hollis besingt, als auch die eigene Vergangenheit ("Ich und mein Pudel"). 2021 erscheint "Der Jaeger und sein Meister", ein Roman über den Hamburger Humoristen Heino Jaeger und seine Freunde. Doch die Pandemie nutzt Schamoni auch wieder musikalisch, wenn auch erzwungenermaßen alleine im heimischen Studio. Der Titel des Werks ist folgerichtig "All Ein". Auf seinem zwölften Solo-Album verdingt sich der Meister in erster Linie mit 80s-Pop und New Wave, wobei das Gesamtpaket wie immer von Schamonis weiterhin glockenklarer Knabenstimme und der Begabung für wunderbar abseitig-melancholische Texte zusammengehalten wird. Ende 2022 stellt er das Album auf einer Tournee vor.
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