laut.de-Kritik
Kritisch-historische Werkaugabe des Hamburger Szene-Papstes.
Review von Rainer Henze"Den verstehe ich nicht." Die knappe Erwiderung eines jungen Redaktionskollegen auf den Wunsch nach Würdigung vorliegender kritisch-historischer Werkaugabe sagt einiges über den Status Rocko Schamonis. Bei Nichtgefallen sucht der pokulturell Strebsame den Fehler im Zweifel bei sich selbst. Wird doch dieser Mann von so vielen berühmten Musikerkollegen noch immer schlicht "King" gerufen. Distelmeyer, Campino, Koze - um nur wenige zu nennen.
Rocko Schamoni ist, wie er in einem Interview treffend selbstreflexiv feststellte, ein "Musician's Musician". (Hamburger) Kollegen verehren ihn zutiefst: Als Erfinder dessen, was später unter dem Namen "Fun-Punk" unsäglich wurde. Als Gründer von etwas, das man heute nicht mehr "Hamburger Schule" nennen darf. Als Schlager-Revival-Vorwegnehmer und Disco-König.
Die Inbrunst zu teilen, fällt schwerer mit jedem Kilometer, den man sich von der schönen Hansestadt und seinen hafennahen Szenelokalen entfernt. Doch auch ohne diesen Kontext lässt sich das Werk des Rocko Schamoni goutieren. Die erste CD enthält frühe, angerockte Stücke aus der Zeit, in der die Plattenfirma Polydor Rocko Schamoni zum Thronfolger der frisch aufgelösten Ärzte auserkoren hatte und Herrn Felsenheimer als Produzenten engagierte. Dass der Plan nicht so ganz aufging, ist bekannt - dass Schamoni mit "Thorsten, zum essen gezwungen" dennoch den besseren Ärzte-Song einspielte und auf einer B-Seite versteckte, weniger.
Der Musiker-Musiker war auch früh ein Punk-Punk: Provokation der eigenen Szene hieß sein Programm. Und womit konnte man Punks Ende der Achtziger Jahre am Besten ärgern? Eben, mit Schlager. Das Gelingen dieses Plans dokumentieren Fanzine-Auszüge im Booklet. Und tatsächlich ist "Mendocino" auch heute noch schwer erträglich.
Die zweite CD zeigt Schamoni als Stylomat, Disco-Swing in Vollendung, stets ironisch gebrochen und komödiantisch aufgearbeitet, gesanglich derweil nah an Manfred Krug. Doch Schamoni auf politische Parolen und humoristischen Schenkelklopfer-Pop zu reduzieren hieße, sein songschreiberisches Talent zu übersehen: die ungeheure Musikalität, die sich mit himmlischen Melodien, wie im wunderbaren "Der Mond", ihren Weg bahnt. Dann ist alles so einfach.
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