laut.de-Kritik
Punk-Rock im Gehrock/am Gehstock.
Review von Martina SchmidVom Spaß-Punk der Achtziger zum großspurigen Entertainer im neuen Jahrtausend. "Der Schwere Duft Von Anarchie" verweist nur noch im Titel auf vergangene Tage: der Punk ist gegangen, der Spaß ist geblieben. Punk-Rock im Gehrock/am Gehstock sozusagen.
Glamourös gibt sich der 38-Jährige auf seinem neuesten Streich. Ganz bieder instrumentalisiert er seine Songs mit Bass, Schlagzeug, Orgel, Bläsern und Streichern und stattet das Ganze nicht zu knapp mit Background-Gesang von Bernadette Hengst aus. Theoretisch würden manche Sch(a)monzetten ("Hier kommt die Nacht") bestens für einen Traumschiff-Soundtrack herhalten: Rocko im Smoking am weißen Flügel, während die Kellner die Torte mit Wunderkerzen reintragen. Aber nun weiß man ja von wem das kommt, und wie ernst es zu nehmen ist.
Ungewöhnlich soulig und zahm ist das vierte Soloalbum musikalisch geworden. Der Humor ist grandios wie eh und je. Die Heiterkeit, mit der Rocko seine teils bissigen Kommentare düdelt, ist an sich schon ein Fest. "Geld ist eine Droge, und ihr seid alle drauf" ist eine solche Botschaft in Fahrstuhlmusik gehüllt. Neben Gesellschaftskritik hält der Hamburger auch einfach inhaltsleere Blödeleien parat: "Berlin Woman, deine Haare sind wie Mauern, schneid sie ab und du bist frei... die U-Bahn ist ein Schminktisch, los, steig ein und du bist dabei".
"Der Schwere Duft Von Anarchie" hält reichlich witzige Skits bereit, einen ziemlich mutigen Disco-Track ("Diskoteer II - Die Demaskierung"), sowie ein recht gelungenes Falco-Cover mit "Junge Römer". "Heart Of Plastic" erweckt die Vocoder Stimme des Computers zum Leben, der seiner angebeten Besitzerin seine Liebe gesteht.
Die Kombination aus perfekt inszenierten, ernstzunehmenden Kompositionen und manchmal grenzdebilen Texten und Inhalten amüsiert auf erstklassige Weise.
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