laut.de-Kritik
Gruppentherapie mit Ansage.
Review von Elias RaatzDie Antilopen Gang veröffentlicht mit "Anti Alles Aktion" ihr erstes Live-Album. Aufgenommen im März 2025 in der Berliner Columbiahalle, erscheint der Mitschnitt als Karrierequerschnitt mit 21 Songs – von frühen Klassikern bis zu neueren Stücken. Laut Werbetext habe sich die Gang damit "endgültig zum objektiv spannendsten, um nicht zu sagen besten Live-Act Deutschlands und vielleicht sogar Europas erhoben". Das ist, nun ja, ambitioniert und doch etwas hoch gegriffen. Fest steht: Die Antilopen können live. Aber längst nicht alles, was hier dokumentiert wird, ist auch zwingend Gold wert.
Der Einstieg mit "Nichts Für Immer" gelingt stark. Emotional, nahbar, am Ende wird konstatiert: "Das ist ein Antilopen-Gang-Konzert und damit automatisch eine Gruppentherapie." Das holt ab, erdet und schafft genau die intime Atmosphäre, die ein gutes Live-Album braucht. "Patientenkollektiv" schiebt direkt Energie hinterher. Stabiler Antilopen-Rap, politisch aufgeladen, mit Druck nach vorne. Dramaturgisch ein kluger früher Platz in der Setlist – hier sitzt das Zusammenspiel aus Beat, Text und Crowd.
Mit "Auf Sie Mit Gebrüll", "Direkter Vergleich" und "Muttertag" pendelt sich das Album dann im bekannten Antilopen-Kosmos ein: bissig, ironisch, stellenweise laut, stellenweise clever. Live funktionieren diese Songs routiniert, ohne neue Facetten zu eröffnen. "Oberbürgermeister" und "Enkeltrick" zeigen die satirische Stärke der Gruppe, während "Gestern War Nicht Besser" und "Mir Kann Nichts Passieren" für die gewisse Abwechslung sorgen – aber eben auch für nichts darüber hinaus. Bei letzterem Song gibt's zumindest am Ende noch eine recht lustige Ansage.
Mit "Wünsch Dir Nix" und "Das Leben Ist Schön" kippt die Stimmung leicht ins Nachdenkliche. Gerade hier wird deutlich, warum Antilopen-Konzerte oft mehr sind als bloße Rap-Shows: Zwischen Zynismus und Ernst blitzt immer wieder echte Verletzlichkeit auf. "American Fitness am Hermannplatz" und "Der Romantische Mann" funktionieren live solide, bleiben aber im Albumkontext eher Mittelmaß. Ähnlich "Weg Von Hier" und "Army Parka" – ordentlich gespielt, aber ohne besonderen Mehrwert gegenüber den Studiofassungen.
Spätestens bei "Sympathie Für Meine Hater" ist das Publikum wieder voll da, bevor "Beate Zschäpe Hört U2" den politischen Mittelfinger hebt. Der Song funktioniert live nach wie vor als klare Ansage nach rechts – wütend, direkt, ohne Relativierungen. Mit "Für Wenige", "Verliebt" und "Pizza" geht es zum Ende hin noch mal durch verschiedene emotionale Register: ironisch, verspielt, albern – das gehört zur Antilopen-DNA, wirkt hier aber etwas zerfasert. Wenigstens "Pizza" hätten sie uns ersparen können. Der Abschluss mit dem Titeltrack bildet ein programmatisches Finale, das Haltung und Selbstverständnis der Gang zusammenfasst.
"Anti Alles Aktion" ist ein ordentlich produziertes Live-Album, das die Energie eines Antilopen-Konzerts gut einfängt. Als Dokument für Fans funktioniert es hervorragend. Als eigenständiges Album bleibt es jedoch hinter seinen Möglichkeiten zurück: Zu viele bekannte Songs ohne neue Interpretation, zu wenig echte Überraschung. Der Anspruch aus dem eigenen Werbetext ist deutlich höher als das, was hier tatsächlich geliefert wird. Eine gute Live-Platte, kein Meilenstein.


1 Kommentar mit 8 Antworten
Anti Alles (außer Zionismus)
Ein spannender Aufschlag. Ich lege mit der Behauptung nach, dass du als israelischer Jude dich nicht als Zionist bezeichnen würdest, weil diese Zuschreibung in Israel einen stark rechtskonservativen Touch hat und deine Posts eher nicht in diese Richtung gingen.
Oder habe ich dich falsch verstanden?
Nein nein, das war ein Joke gegen die Antilopen lol
Die sind auch bei anderen Sachen "pro". Z.B. Pro-Friedliche-Demonstranten-Knüppeln.
Schön, dass das übliche Bullshit-Bingo immer noch so zuverlässig klappt. Und dann gleich der erste Kommentar!
Wtf, wieso hat Zionismus einen rechtskonservativen Touch?
Anti Völkermord sind die Antilopen auch nicht, btw.
So zuverlässig, wie das Thema Heike Eldenreich heraufbeschwört.
Einen ganz leichten rechtskonservativen Touch hat der Zionismus als staatstragende Ideologie. Homöopathisch, quasi.
Die Hebrew University hat aktuelle Umfragen herausgebracht, nach denen nur 76% der Israelis finden, es gebe keine Unschuldigen in Gaza. Ein Gebiet, in dem überproportional viele Babies und Kleinkinder leben. Andererseits finden stolze 3%(!), man solle sich um Frieden bemühen.
Ne, alles bestens da drüben, yippieh deutsche Staatsräson, yam Israel chai, usw.
Ach, ist immer noch ergiebiger als über die Bausparvertragsgesichter der Antilopen zu tippen.