laut.de-Kritik
Erbarmungslos und zärtlich zugleich.
Review von Rinko HeidrichDLC, Downloadable Content. Im Gaming-Bereich schon seit Jahren üblich, um ein Hauptspiel um noch weitere Kapitel zu erweitern. Health veröffentlichten vor zwei Jahren das bitterböse "Rat Wars", nun folgt mit "Conflict DLC" ein Album, dass laut Ankündigung der Band den Stil des Vorgängers nicht grundlegend verändert, aber noch einmal sowohl emotionaler als auch brutaler klingt. Was genau sie damit meinen, merkt man schon dem Opener "Ordinary Loss". Der Song beginnt noch zärtlich mit der weichen Stimme von Jake Duzsik, bis harte Metal-Gitarren hinein brechen und alles in einem fiesen Industrial-Hölle endet. Es gibt viele Bands da draußen, die diese Stile miteinander kombinieren, aber wohl nur wenige, bei denen man selbst nach so einem Teufelsritt durch sämtliche Abgründe noch von einem Pop-Song reden darf. Die feine Melodie von "Ordinary Loss" würde genauso gut zu Depeche Mode passen und bleibt trotz heftiger Attacken in ihren Grundfesten bestehen. Das ist im Grunde das Erfolgsprinzip von Health, die seit 2009 immer wieder schöne Pop-Skulpturen behutsam aufbauen, nur um sie in der nächsten Sekunde mit großer Freude mit allerhand Werkzeug-Materialien zu bearbeiten.
"Rat Wars" musste man schon verdauen, aber "Conflict" DLC" ist weniger einer Erweiterung als ein größere Update-Datei. Drew Fulk, der schon das letzte Knocked Loose-Album abmischte, arbeitet noch einmal die Wuchtigkeit der Songs heraus. So klingt der erbarmungslose Aggro-Techno noch einmal heftiger, während die Riffs noch schärfer klingen. Der inoffizielle Soundtrack für das Action-Rollenspiel Cyberpunk 2077, allerdings noch in der damals komplett verbuggten Anfangsversion. Das sechste Album von Health ist ein einziges Glitch-Fest, in dem alle NPCs komplett frei drehen und ohne Kontrolle ein einziges Chaos verbreiten.
Die Schlagzahl und Lautstärke der Beats führen in "Trash Decade" dazu, dass man wirklich eine Triggerwarnung für Earphone-Nutzer aussprechen sollte. Wer auch immer dem armen Androiden diesen Conflict DLC auf das System übertrug, möchte einfach pures Chaos auslösen. Klar, noch viel extremer geht natürlich immer und irgendjemand lacht gerade laut vor seiner noch heftigeren Japanoise-Sammlung auf. Health wissen auch, wie schnell der Effekt des immer weiter nach oben verschobenen Härtegrades auch bei Wiederholung verpufft und lassen mit "Torture II", "You Died" und "Antidote" eine Ruhepause zu, die aber nie besonders friedlich oder Angst lösend klingt. Es ist einfach ein Halbschlaf und pure Erschöpfung, dazu immer noch eine unterschwellige Bedrohungslage.
"Don't Kill Yourself" ist demnach schon ein zynischer Song-titel, denn "Conflict DLC" klingt absolut nicht nach einem Ort, der irgendwie lebenswert klingt."This life, night after the night, day after the day/I don't wanna kill myself, but I don't wanna live this way" fasst noch einmal diese ausweglose Endlosschleife zusammen, in der jegliche Hoffnung auf Veränderung verschwindet. Uff, dieses Album möchte ich wirklich nur bedingt Menschen empfehlen, denen die todesdeprimierende Weihnachtszeit mit seinem Wohlfühl-Diktat jegliche Energie raubt.
Ein Blick auf ihren Instagram-Account lässt immerhin durchblicken, dass Health zwar einen eigenwilligen, aber doch guten Humor besitzen. Ein Glück, denn "Conflict DLC" vermittelt nicht den Eindruck einer mental gesunden Band, oder sie lassen ihren destruktive Seite einfach auf Alben wie diesen aus und gehen später vergnügt Ponys streicheln. "Wasted Years" fügt als Finale noch einmal alle Elemente des Album zusammen. Dunkle Goth-Disco, scheppernde Drums und Stakkato-Riffs, die mechanisch und unaufhaltsam weiter bohren. Ganz am Ende nur noch ein paar Sekunden Ruhe. Health sind im Herzen kleine Trolle und haben hier einen ätzenden Haufen Industrial-Soße in die Weihnachtsstiefel gegossen. Ja danke auch, sollte wirklich gerade jemand seinen Frieden mit dem nervigsten aller Monate gesucht haben: dieses Album hat wirklich den Geist von Weihnachten erfolgreich vertrieben.


1 Kommentar
"Health" sind genau in der Mitte zwischen dem mordspeinlichen, cheesy, dümmlichen Teil der schwarzen Szenenmusik, und dem spannenden, noisigen, experimentellen. Und diese Art von Durchschnittlichkeit machts mir immer besonders schwer. Ich hätte so gern, dass es irgendeine Art von Gefühl in mir weckt. Aber weils so verflucht knapp daneben ist, muss ichs sehr schnell frustriert ausschalten.