Porträt

laut.de-Biographie

Falco

"Was glaubst, wie hoch dir ein Nummer-eins-Hit in Amerika die Latte hängt?" Wie viele andere Musiker zur Zeit der Neuen Deutschen Welle konnte sich Falco nie mehr richtig aus dem Schatten des frühen Erfolgs befreien. Der charismatische Wiener, der im Februar 1998 in der Dominikanischen Republik bei einem Autounfall ums Leben kommt, war wohl der innovativste Rockmusiker Österreichs. Noch heute kennt man in den Staaten seinen Namen.

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Für den am 19. Februar 1957 geborenen Hans Hölzel fällt der Startschuss im Alter von vier Jahren. Der kleine Hans, wohnhaft im 5. Wiener Bezirk, schwingt den virtuellen Taktstock zum Radio so begeistert, dass ihm die Mutter Klavierunterricht verpasst. Mit fünf Jahren hat der Knirps 30 Schlager zweihändig drauf und muss dies zu seinem Missfallen gar dem elterlichen Besuch vorführen. Bei einem Musikwettbewerb attestiert ihm ein Professor gar ein absolutes Gehör. Er soll von einem "kleinen Mozart" geredet haben. Doch überliefert ist, dass Hans immer nur eines werden wollte: Popstar!

Im Alter von elf Jahren macht der Möchtegern die ersten bitteren Erfahrungen. Der Vater verlässt die Familie, und wenige Jahre später stirbt die Großmutter, zu der Hölzel einen innigen Kontakt pflegt. Die Mutter arbeitet viel und so findet er Obhut bei einer Nachbarin. Der Schule gewinnt er zu der Zeit wenig ab, ganz im Gegenteil zur Gitarre, die ihm sein Vater schenkt. Der notorische Schwänzer bricht die Schule mit 16 ab, jobbt wenig später bei einer Versicherungsanstalt und wechselt das Instrument: Bassgitarre.

Mit 17 Jahren tritt er in der ersten Band bei: Umspannwerk. Parallel kündigt Hans den Job und geht mangels Alternativen zur österreichischen Armee. Danach besucht er drei Semester lang das Wiener Jazz-Konservatorium. Dass Ziel, Musiker zu werden, kristallisiert sich immer deutlicher heraus.

Vom Punk der Siebziger fasziniert, ruft der Wiener David Bowie zu seinem Idol aus ("Heroes" aus Bowies Berlin-Trilogie beschreibt er später als persönliche Initialzündung) und zieht für ein Jahr nach West-Berlin. Zurück in Wien gibt Hölzel schon mal den Straßenmusiker und wird bei der Gelegenheit vom Szene-Original Wickerl Adam entdeckt.

Auf der ersten Tour mit dessen Hallucination Company gebiert Hans 1977 den Rockstar Falco. Eines Abends soll er beim Chef im schicken Anzug, Sonnenbrille und gegeeltem Haar auftaucht sein: "Sag heut Abend bitte nicht 'Am Bass Hans Hölzel' sondern 'Falco Gottehrer'." Wenige Tage später bleibt es bei Falco - inspiriert vom ostdeutschen Skispringer Falko Weißpflog.

Hans will sich abheben - ein Popstar eben. Trotzdem engagiert ihn Stefan Weber für die Neuauflage der Polit-Rock Combo Drahdiwaberl. Diese agiert so chaotisch, dass Falco seinen Versace-Anzüge auf der Bühne mit Plastikfolie schützt - geradezu obercool in diesem Kontext.

1979 verlässt Falco Hallucination Company und tritt im kommerziellen Drahdiwaberl-Ableger, dem Unterhaltungs- und Cover-Projekt Spinning Wheel, erstmals ans Mikro. Im Mai desselben Jahres spielt er seine ersten beiden eigenen Stücke ("Chance To Dance", "Summer") ein, die allerdings nie veröffentlicht werden.

1980 schleppt er bei Drahdiwaberl seinen ersten kleinen Hit an: "Ganz Wien" mausert sich zum Kultsong in der Wiener Szene - nicht zuletzt, weil die Nummer wegen ihrer Drogen-Assoziation mit Radioverbot belegt wird. Der Wiener Label Chef Markus Spiegel (GIG Records) bietet ihm prompt einen Solovertrag an.

Dort landet Falco mit dem Produzenten Robert Ponger 1981 den ersten richtigen Hit: "Der Kommissar". Im November besetzt der Song die Poleposition der österreichischen Charts, Deutschland folgt. Die Nummer, die ein anderer GIG Records-Sänger zuvor ablehnt, steht plötzlich in vielen europäischen Ländern in der Hitparade, aber auch in Kanada, USA oder Guatemala und verkauft sich millionenfach.

Afrika Bambaataa legt das Stück in seinen New Yorker Sets gar regelmäßig auf. Die Welt scheint bereit für Falcos ganz persönlichen Sprachmix aus Hochdeutsch, Englisch und Wienerisch. Das erste Album "Einzelhaft" kommt 1982. Der Wiener hebt Österreich auf die Weltlandkarte des Pops, macht Promo rund um den Globus - und kehrt als ein anderer zurück, wie manche meinen. Von null auf hundert.

Mittlerweile belagern Fans seine Wiener Wohnung. Falco zieht um und besorgt sich einen neuen Manager, den Deutschen Horst Bork. Mit dem plötzlichen Erfolg kommt der Perfektionist Hölzel aber nur schlecht klar: Er gilt als arrogant, verfällt dem Alkohol und prompt spaltet der immer wieder nach hinten geschobene Zweitling "Junge Römer" (1984) Fans und Kritiker - der internationale Erfolg bleibt aus.

Falco kämpft verbissen gegen die Angst vor dem Karriereende. Er produziert das TV-Special "Helden Von Heute", koppelt "Kann Es Liebe Sein" im Duett Désirée Nosbusch aus und arbeitet intensiv an seinem Image: Nur das feinste Tuch ist gut genug, Hölzel lässt sich auch auf dem Wiener Opernball blicken.

Als der Leistungsdruck unerträglich zu werden scheint, bricht Falco ein: Er sagt eine Tournee ab und flüchtet sich in Alkohol und Drogen, bevor er Mitte der 80er in Thailand eine Auszeit nimmt.

Zurück ihn Wien trifft er die folgenschwerste Entscheidung seines Lebens: Falco wechselt nach anfänglichem Widerstand zum holländischen Produzenten-Duo Rob und Ferdi Bolland. In dieser Zeit lernt Hölzel auch seine spätere Frau Isabella Vitkovic kennen - eine unglückliche Beziehung, wie sich heraus stellen wird. Die Bollands verpassen der legendären dritten Scheibe "Falco 3" (1985) eine übermächtige Popproduktion, die den Österreicher dank seiner einzigartigen Texte auf den Karrierezenit katapultiert.

Und wer anders als der Wiener hätte dem genialen Wolfgang Amadeus Mozart ein besseres Denkmal im schnelllebigen Popgeschäft setzen können? Andere sprechen zwar vom schamlosen Anküpfen an den aktuellen Erfolg des Films "Amadeus". Die Single "Rock Me Amadeus" wird im März 1986 dennoch der erste Nummer-eins-Hit eines deutschsprachigen Musikers in den USA. In Großbritannien, Japan oder Südamerika geht es nicht anders zu. Der Longplayer mit überwiegend deutschsprachigen Titeln geht bis auf Position drei der US-Billboard-Charts. Auch die zweite Auskopplung "Vienna Calling" chartet weltweit.

Im Zuge des globalen Durchbruchs bestreitet Hölzel als erster Popmucker überhaupt ein Eröffnungskonzert vor dem Wiener Rathaus, was bis dato nur klassischen Musikern vorbehalten ist. Falcos "Emotional"-Tour wird zum Triumphzug - hilfreich auch der Skandal um die dritte Single "Jeanny". Der deutsche Nachrichtenmann Dieter Kronzucker sieht eine Verherrlichung sexuellen Missbrauchs und ruft zum Boykott auf - der Track führt bald die meisten Hitlisten im deutschsprachigen Raum an.

Der frischgebackene Vater (Kathrina Bianca kommt im März zur Welt, die Mutter Isabella heiratet er heimlich 1988 - die Ehe hält nicht einmal ein Jahr) betritt auch fragwürdiges Neuland, etwa mit einem Kurzauftritt in Mike Krügers Klamaukstreifen "Geld Oder Leber". Der mentale Druck wird nach dem Erfolg in Amerika nicht weniger, Drogen und Alkohol bleiben Hölzels dunkle Verbündete. Mittlerweile arbeitet das erprobte Team Falco/Bolland/Bolland am Nachfolge-Album "Emotional". Hölzel unterbricht die Aufnahmen für eine Festspieltournee, für die er ein Ensemble des Tanztheaters Wien bucht: ein Kreuzüber aus Pop und Klassik ist geplant.

Nach dem Release des Albums 1987 folgt die erste Welttournee. Die Termine in den USA werden allerdings abgesagt - dem Veranstalter erscheint das Risiko doch zu groß. "Emotional" kann auch nicht an den weltweiten Erfolg des Vorgängers anknüpfen. Dafür sahnt Hölzel zuvor einen Bambi und das goldene Verdienstzeichen des Landes Wien ab.

Gegen Ende desselben Jahres kollaboriert Falco mit Schauspielerin Brigitte Nielsen für die Single "Body The Next To Body" - ein Flopp. Später lästert der Österreicher selbst über den Track. Die vorübergehende Trennung im Streit von den Bollands wird mit dem Album "Wiener Blut" (1988) rückgängig gemacht.

Vier Stücke der Platte stammen allerdings von Gunther Mende und Candy De Rouge, der Titeltrack stammt noch aus den "Falco 3"-Sessions. Mit der Platte gelingt das Comeback jedoch genauso wenig wie mit "Data De Groove" (1990), eine weitere Kollabo mit Falcos erstem Produzent Ponger. Doch der Musikgeschmack des Wieners ist nicht mehr mit dem der Massen kompatibel.

Allein "Nachtflug" (1992, die Platte wird wieder von den Bollands produziert) toppt noch einmal für zwei Wochen die österreichischen Albumcharts. Die Single "Titanic" geht auf vier. Im folgenden Frühjahr geht der Nachtfalke zum ersten Mal nach sechs Jahren wieder auf Tour - mit Erfolg: Am 27. Juni 1993 tritt er beim Wiener Donauinselfest vor 100.000 Fans auf, ein Ereignis, von dem die DVD "Falco - L.I.V.E. Donauinsel + Stadthalle Wien" (2004) zeugt.

Im selben Jahr bewahrheitet sich nach einem Vaterschaftstest Hölzels schlimmste Befürchtung: Töchterchen Katharina ist gar nicht sein eigenes. Alkohol, Drogen, Depressionen, aber auch Arbeiten an neuem Material lauten seine Antworten.

Am erfolgreichsten wird die unter dem Aka T-MA veröffentlichte Single "Mutter, Der Mann Mit Dem Koks Ist Da" (1995), deren Clip auf VIVA rotiert. Der technoide Track beruht auf einer Coverversion. Im selben Jahr leitet er an der Wiener Schule für Dichtung ein Werkstattgespräch zum Thema "Schreibt Falco Texte? Wenn ja, wie?".

Anfang 1996 verlegt der Wiener dann seinen Wohnsitz in die Karibik und mietet eine Villa in Puerto Plata im Norden der Dominikanischen Republik. Mit der letzten Single zu Lebzeiten, "Naked", landet er in Österreich noch einen Hit. So richtig klappt es mit dem Neuanfang aber nicht, kein Wunder: "Zum Beispiel mit Cover-Versions von Jimi Hendrix, Cream, Police. Wenn ich sowas in Österreich anfangi, fragen's mich, ob ich deppert bin", bedauert er einmal.

Stattdessen versucht Falco einen fragwürdigen Outfit-Wandel, u.a. mit blond gefärbten Haaren. Die Veröffentlichung des kompletten Albums "Out Of The Dark" (27. Februar 1998) erlebt Falco nicht mehr: Am 6. Februar 1998 stirbt er nachmittags bei einem Autounfall auf der karibischen Insel. Alkohol (1,5 Promille) und Drogen werden später bei der Obduktion in seinem Blut festgestellt.

Welche Verehrung ihm in Österreich entgegenschlägt, lässt sich noch lange in den Kondolenzbüchern der trauernden Fangemeinde nachlesen. Posthume Ehrungen und Veröffentlichungen folgen jahrelang auf dem Fuß, ob Falco-Musical, Falco-Briefmarken, Re-Releases, Single-Collections, DVDs oder die Gründung der Falco-Stiftung (seine Mutter Maria Hölzel ist als Erbin beteiligt). Das nach 1986 solange erhoffte wirkliche Comeback gelingt tragischerweise erst nach dem Tod.

Anno 2003 benennt die Stadt Wien eine Treppenanlage in Wien-Margareten nach dem Popsänger, drei Jahre später wird immer noch darüber nachgedacht, seine Villa im österreichischen Gars am Kamp als Falco-Gedenkstätte zu öffnen.

Am 19. Februar 2007 wäre Falco 50 Jahre alt geworden. Diesen Ehrentag sehen auch hochwertige Veröffentlichungen: Am 2. Februar erscheint die Doppel-CD "Hoch Wie Nie", auf der sich 34 Stücke aus Falcos gesamter Karriere finden. Die gleichnamige DVD bringt in einer 120-minütigen Dokumentation sowohl seine ersten Auftritte als auch das letzte Interview vor seinem Tod zusammen. Zudem kommen Freunde und Weggefährten zu Wort, u.a. Smudo, Peter Maffay und Arnold Schwarzenegger.

Auch zum 60sten gibts es natürlich Veröffentlichungen, wie üblich auch fragwürdige, in Ton und Bild. Fans freuen sich 2023, als endlich das komplette Berlin-Konzert aus dem Jahr 1986 erscheint: "Live Forever - The Complete Show". Mit Falcos Erbe lässt sich immer noch Geld verdienen, viele Millionen verkaufte Tonträger und 75 Goldene Schallplatten gehen aufs Konto des Falken. Längst beziehen sich auch junge, über die Landesgrenzen hinaus erfolgreiche, österreichische Bands wie Bilderbuch und Wanda auf den Wiener.

Fast 20 Jahre zuvor begleiten Falco eine Woche nach dem Tod Tausende zur letzten Ruhestätte auf dem Wiener Zentralfriedhof. Oberbürgermeister Helmut Zilk hält ein Trauerrede, Falcos Bob Dylan-Cover "It's All Over Now Baby Blue" ist zu hören. Die allerletzten Begleiter konnten aber nur ganz bestimmte Leute sein: Wiener Motorradrocker trugen seinen Sarg, Mitglieder desselben Clubs, die einst im "Rock Me Amadeus"-Video mitspielten. Sein Grab im Ehrenhain wird das mit Abstand am meisten besuchte. Hans Hölzel, der einzige Popstar Österreichs.

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