laut.de-Biographie
Afrika Bambaataa
Die Suche nach den Ursprüngen einer ganzen Kultur ist ein schwieriges Unterfangen. Stellt man die Wer-hat's-erfunden-Frage bezogen auf Hip Hop, herrscht allerdings weithin Einmütigkeit. Unsere eidgenössischen Nachbarn haben ausnahmsweise die Klappe zu halten. Die Grundsteine für eine seit über 30 Jahren präsente und immer noch wachsende Bewegung legten drei Herren: Kool DJ Herc, Grandmaster Flash - und Afrika Bambaataa.
Kevin Donovan kommt am 10. April 1960 in der South Bronx zur Welt. New York in den 60ern, frühen 70ern ... ein hartes Pflaster. Donovan gerät rasch ins Umfeld der Straßengang Savage Seven, die später unter dem Namen The Black Spades zu einiger Bekanntheit kommen soll. Immenser Mitgliederzulauf führt zur Unterteilung der Spades in mehrere Divisionen; eine davon steht unter dem Kommando Donovans.
Daneben spielt die Musik die Hauptrolle. An der Stephenson High School erlernt Donovan das Trompete- und Pianospiel. Seine Besessenheit von Schallplatten (er sammelt, was er kriegen kann, von Rock bis R'n'B) zeigt bald erste Auswirkungen: Bereits um 1970, nebenbei bemerkt zu einer Zeit, als der Crossfader noch nicht einmal erfunden war, legt er bei Partys auf.
Es muss etwa 1972 sein, als Kool Herc beginnt, mit seinen Blockpartys die West Bronx zu rocken. Herc arbeitet als einer der ersten mit zwei Plattenspielern und einem Mixer. Er spielt hauptsächlich Funk-Platten, davon vorwiegend die Instrumentalteile (die Breaks!), um der Gruppe von Tänzern, mit denen er unterwegs ist - den Herculoids - eine möglichst ausgedehnte, tanzbare Grundlage zu schaffen. Kool DJ Herc erfindet so im Grunde Breakdance; auch die Wortschöpfung "B-Boy" wird ihm zugeschrieben.
Inspiriert von Kool DJ Herc organisiert Donovan seit den 70ern in der South Bronx ebenfalls Blockpartys. Er spielt selbst ähnliche Platten, bedient sich allerdings aus einem breiteren Repertoire: Salsa, Reggae, Funk, Soul, GoGo, Soca, Jazz, Rock, aber auch Ausschnitte aus Reden von Malcolm X oder Martin Luther King Jr. - kaum etwas findet man nicht, in Kevin Donovans Plattenkisten. Der "Master of Records" erspielt sich als einer der ersten Breakbeat-DJs bald den Ruf des Besten im Geschäft.
Die Beschäftigung mit afrikanischer Geschichte sowie eine Reise auf den schwarzen Kontinent verändern Donovans Leben vollständig. Deutlichstes Anzeichen: Er wechselt seinen Namen. Inspiriert von Michael Caines Film "Zulu" nennt er sich fortan Afrika Bambaataa Aasim, was (salopp übersetzt) in etwa "gütiger Anführer" bedeutet.
Bambaataa kommt zu dem Schluss, in seinem von Gewalt geprägten Umfeld seine Position in der Gang zu etwas anderem, positiverem nutzen zu müssen. Er gliedert einen Großteil der verbliebenen Black-Spades-Mitglieder in seine Bronx River Organization (später schlicht "The Organization") ein. In dieser Zeit legt Bambaataa bereits mit eigenem Soundsystem auf, mit von der Partie sind unter anderem Mr. Biggs, Queen Kenya und und Cowboy.
Ein Jahr später reformiert Bambaataa seine Gruppe ein weiteres Mal. Das Ergebnis: die Zulu Nation. Ursprünglich bestehend aus Bambaataa und der gemeinsam mit ihm auftretenden fünfköpfigen B-Boy-Truppe, den Shaka Zulu Kings, wächst die Zulu Nation unaufhaltsam. Bambaataa nimmt DJs, Rapper, Breaktänzer und Graffitikünstler, auf die er bei seinen Auftritten stößt, unter seine Fittiche. Über Jahrzehnte hinweg bildet die Zulu Nation den größten Zusammenschluss politisch motivierter Hip Hop Artists. Knowledge, Peace, Love, Unity and Having Fun gehören zu den hochgehaltenen Werten.
Soundsystem-Battles gibt es bereits im Jahr 1976. Zwei rivalisierende DJs spielen gleichzeitig, es "gewinnt" derjenige, der das bessere Equipment, beziehungsweise der die zahlen- und lautstärkemäßig überlegene Crowd auffährt. Bambaataa beschließt für sich neue Regeln, die sich im Battlegame durchsetzen: Die Wettstreiter wechseln sich künftig im Ein-Stunden-Rhythmus ab.
Seine erste offizielle Battle zieht Bambaataa an der Junior High School 123 gegen Disco King Mario durch. Viele weitere sollen folgen, darunter (etwa 1978) ein Duell gegen Grandmaster Caz, der sich damals noch Casanova Fly nennt und später als Mitglied der Cold Crush Brothers einen Großteil der Lyrics zu "Rapper's Delight" verfasst (wofür er - Schande über die Sugarhill Gang! - niemals irgendwelche Credits bekommen soll).
In einer legendären Teambattle, für die sich Bambaataa mit Disco Mario King und Tex DJ Hollywood (beides ehemalige Black-Spades-Kollegen) zusammentut, geht es gegen Grandmaster Flash und Genossen. Bambaataa bestreitet mit seinen "Earthquake Systems" an der Seite von DJ Superman und DJ Jazzy Jay etliche Schlachten, Rapper aus den Reihen der Zulu Nation messen sich in ungezählten MC-Battles.
Afrika Bambaataa betätigt sich als DJ, Veranstalter (gemeinsam mit Kool DJ Herc steckt er hinter "Nubian Productions") und Produzent. Mit den Cosmic Force nimmt er 1980 "Zulu Nation Throwdown" auf, im selben Jahr entsteht auch "Death Mix". Beides erscheint bei Winley Records, einer Firma, der Bambaataa danach sofort den Rücken kehrt, da er mit den Ergebnissen alles andere als zufrieden ist.
Beeinflusst von James Brown, Sly & the Family Stone und George Clinton stellt sich Bambaataa aus Mitgliedern seiner Zulu Nation die Soul Sonic Force zusammen. Bambaataas Partys ziehen mehr und mehr Aufmerksamkeit auf sich. Tom Silverman verfasst für sein Magazin "Dance Music Report" einen Artikel über die Zulu Nation. Er und Bambaataa freunden sich an. "Let's Vote" und "Having Fun" von Soul Sonic Force und Cotton Candy bilden Bambaataas erste Veröffentlichungen auf Silvermans Tommy Boy Records. Als noch Produzent Arthur Baker dazu stößt, ist ein Dream Team komplett.
1982 produzieren Silverman, Baker und Bambaataa mit Jazzy Fives "Jazzy Sensation", einer Version von Gwen McCraes "Funky Sensation", einen Alltime-Klassiker. Auf Einladung von Fab 5 Freddy spielt Bambaataa im Manhattaner Mudd Club - zum ersten Mal wird Hip Hop einem überwiegend weißen Publikum präsentiert. Der Zulauf ist enorm, die Locations werden größer und größer. Bambaataa tritt im Ritz, der Peppermint Lounge, schließlich im Roxy auf. In dieser Zeit stößt die Rock Steady Crew zur Zulu Nation.
Noch im selben Jahr organisiert Bambaataa die erste von vielen Tourneen nach Europa: Der "Botschafter des Hip Hop" trägt seine Kultur in die Welt. Unter anderem im LineUp der Tour: Rapper und Graffitikünstler Rammellzee, Grandmixer DST, die B-Boys der Rock Steady Crew sowie die Writer Fab 5 Freddy, Phase 2 und Futura 2000.
Es ist ebenfalls das Jahr 1982, das eine der meist gesampleten Platten der Musikgeschichte hervorbringt. Über die Entstehung und Auswirkungen von "Planet Rock" ließe sich alleine schon ein Buch schreiben. "Planet Rock" benutzt Kraftwerks "Trans Europa Express", den Techno-Pop-Track "Vena Carva", den John Robie ins Spiel bringt, sowie Teile aus Ennio-Morricone- und Captain-Sky-Platten und gilt als die Geburtsstunde des Elektro-Funk.
"Planet Rock" etabliert die Technik des Sampling und nimmt erheblichen Einfluss auf die weitere Entwicklung von Electro- und Dancemusik. Ausgehend vom Elektro-Funk-Sound von "Planet Rock" entstehen Miami Bass, Latin Freestyle, Electronica, Hip House und House sowie Techno.
"Looking For The Perfect Beat" und "Renegades Of Funk" (beide 1983) bilden zwei weitere Klassiker der Soul Sonic Force. Mit Bill Laswell macht Bambaataa etliche Aufnahmen für Celluloid Records, darunter "Wildstyle" mit der Gruppe Time Zone, Produktionen mit Shango, sowie "World Destruction", eine Kollabo mit Punk-Rocker John Lydon. Hip Hop meets Rock - und das lange bevor Run DMC auf Aerosmith treffen. Des weiteren ist Afrika Bambaataa im Hip Hop-Kult-Film "Beat Street" zu sehen.
Der nächste ganz große Wurf gelingt 1984: Godfather of Soul und Hip Hop vereint, welchen anderen Titel hätte die gemeinsame Nummer von James Brown und Afrika Bambaataa verdient, wenn nicht "Unity"?
Bambaataa gilt als einer der "hardest working men in hip hop". Er veröffentlicht ununterbrochen, solo, mit Time Zone oder Shango, mit seiner "Family" oder der Soul Sonic Force. Daneben engagiert er sich in Anti-Apartheid-Kampagnen, schiebt die Karrieren zahlloser Künstler an (New Edition, Maurice Starr, die Jonzun Crew...), kollaboriert mit George Clinton, Bootsy Collins, UB 40, Sly & Robbie, Boy George, Sting, Westbam (der sich, nebenbei bemerkt, nach Bambaataa benannt hat) - wo anfangen, wo aufhören?
Berührungsängste gibt es nicht, Bambaataa experimentiert mit unterschiedlichsten Musikstilen und bringt damit auf den Punkt, was Hip Hop ausmacht. Er veröffentlicht bei verschiedenen Plattenfirmen, bis er 1992 sein eigenes Label "Planet Rock" startet. Im Grunde gibt es kaum etwas, das Bambaataa nicht gemacht hat: Radio-DJ (beim New Yorker Sender Hot 97 FM), Remixe, Werbung ...
Vollkommen verdient zieht er 1999 in die HipHop/Rock&Roll Hall Of Fame ein und nimmt den Pioneer Award der "Source", 2002 auch noch den Pioneer-of-HipHop-Award des Billboard-Magazines mit. Wie kaum ein anderer hat Bambaataa die Hip Hop-Kultur geprägt.
Wenn er selbst sagt: "Hip Hop hat mehr Menschen unterschiedlicher Hautfarben und Nationalitäten vereint als sämtliche Politiker der Welt zusammen" - dann kann er sich etwas darauf einbilden, und hat auch noch Recht damit. Peace, Love, Unity - and Having Fun!
1 Kommentar mit 11 Antworten
Hey, ich würde gerne wissen, wer diesen Artikel geschrieben hat. Ich müsste es bei meiner Arbeit angeben. Wäre eine große Hilfe!!
Stephan Meurer war das!
... das wüsste ich aber. sandra, schreib mal an dani(at)laut.de.
Da schreib ich gleich auch mal hin und rante ein Bisschen.
Lass dich nicht reinlegen Sandra, das ist ein bekannter Phishing-Trick.
Bei laut Mitarbeitern sind die Adressen immer Vorname.Nachname@laut.de
In diesem Fall wäre das also Daniel.Fromm@laut.de
@Gleep Glorp:
Herr.Daniel.Fromm@laut.de
Soviel Zeit muß sein.
Gruß
Skywise
Gleeps Variante war geschlechtsneutral. Nimm dir bitte ein Beispiel daran und sei zukünftig etwas rücksichtsvoller. Danke.
@BuddabeidieFische:
Da gab es die Diskussion, ob man "Redaktionsmitglied.Daniel.Fromm@laut.de" aufgrund des "Mitglieds" tatsächlich als "geschlechtsneutral" einstufen kann. Von irgendwelchen Testläufen à la "Redaktionsneutrum.Daniel.Fromm@laut.de" ist man meines Wissens auch abgekommen. Insofern spiegelt das alther(r)gebrachte "Herr.Daniel.Fromm@laut.de" meinen letzten Wissensstand wider.
Gruß
Skywise
Leute, eigentlich wünschen wir uns doch, dass die Doubletime-Kolumne wieder mit mehr Liebe und weniger Gossip gemacht wird. Meint ihr wirklich, es ist da eine gute Idee, sich über Dani lustig zu machen? Zumal Yo Grandpa Fromm doch wirklich nur helfen möchte.
RT: Das ist Lustigmachen über fanboy-hörnchen-Kommentaren, die das Herr Fromm etabliert haben hier. Nichts gegen Dani, aber das weiß er auch
Kommentatoren natürlich.