laut.de-Kritik

Äh ... wozu jetzt der 'neue' Künstlername?

Review von

Da haben wir es: Das erste Album des ach so frischen Newcomers Felix Blume. Da könnte man meinen, dass Kollegah endlich mal einen stilistischen Wandel wagt, oder? Selbstverständlich nicht. Schließlich reden wir hier von einem der uninnovativsten Deutschrapper des Jahrzehnts. Erneut erhalten wir sinnlose Aneinanderreihungen von Reimketten, ausgelutschte Wortspiele und Punchlines, grottenschlechte Beats und fragwürdige Weltanschauungen.

Den Auftakt "Elder Statesman (Intro)" produziert Figub Brazlevič, der auf diesem Tape für einen Großteil der Boom-Bap-Produktionen verantwortlich ist. Ich verurteile niemanden, der noch ein Faible für Golden-Era-Beats hat, aber diese sind jetzt wirklich nichts Neues mehr. Doch vor allem hier wirken sie seelenlos und tragen null zur Stimmung bei. Umso schlimmer, dass Felix genauso unmotiviert beim Rappen performt. Diese müde, ausgelaugte Stimme zieht sich durch einen Großteil der LP. Das hat nichts mit Ignoranz oder Lässigkeit zu tun, wie es vermutlich einer seiner Jünger betiteln würde. Es klingt einfach lahmarschig.

Ah ja, glatt hätte ich seine Kanzlerambitionen vergessen: "Ein doper Mix aus Oberschicht und Bankenadel / Politik und manche hab'n 'nen hohen Sitz im Landtagssaal / Alle, sie supporten mich nach oben bis zur Kanzlerwahl / Auch wenn das für manche noch utopisch ist wie Shangri-La." Dies wird unglücklicherweise nicht das letzte Mal sein, dass er auf dieser Platte den höchsten Posten der Bundesregierung anstrebt.

Daneben verbringt Felix weite Teile des Albums damit, sich wie so oft mit seinem Erfolg und Business auseinanderzusetzen: "Bullen führ'n Razzien durch, macht die mal ruhig / Paragrafen kenn' ich nur von meinem Aktienkurs / Zeit ist Geld wie 'ne Taxiuhr, auf meinem Feld bist du Schachfigur / Ich verpass' meiner Machstruktur 'ne Wachstumskur", rappt er auf "Wahnsinn und Genie", während er förmlich stolpernd über den Beat flowt. Als ob wir nach zig Alben immer noch nicht verstanden hätten, dass er reicher und mächtiger als Gott ist.

Ab "Grosse Kunst" übernimmt Devabeats für die nächsten paar Nummern den Posten von Brazlevič. Hier fällt Felix in den nie endenden Moloch der austauschbaren Epic-Battlerap-Type-Beats, eine Falle, in die er seit mindestens einer halben Dekade immer wieder reintappt. Zwar fallen die Type-Beats auf diesem Tape subtiler als die üblichen bombastischen Schmonzetten aus. Das macht sie allerdings nicht besser, sondern nur noch langweiliger.

Doch damit nicht genug: Wer zur Hölle kam auf die Idee, drei Songs ("So Wie Kanye", "Die Krone Bleibt", "Unsterblich"), die alle im selben Key spielen, hintereinander auf dem Album zu platzieren? Alle drei in D-Moll, alle drei mit so ziemlich demselben Vibe und alle drei gleichermaßen scheiße. Darauf folgt "Dschungel" mit dem einzigen soliden Boom-Bap-Beat der ganzen Scheibe. Das war aber wohl zu viel des Guten, weswegen mitten im Track ein Beat-Switch stattfindet. Schon wieder ein lausiger Epic-Type-Beat. Und schon wieder D-Moll? Vier Stücke hintereinander D-Moll? Seid ihr bescheuert?

Die Texte entwickeln sich ebenfalls nicht zum Besseren. In der Hook von "Grosse Kunst" heißt es: "Hier kommt A-Prominenz / Ich bin das, was du 'nen A-Promi nennst / Du siehst mich und rufst: 'Ah, Prominenz'." Und ich dachte immer, Eko hat lächerliche Spits. Danach versucht Felix, mit einem Titel wie "So Wie Kanye" Kontroverse der Kontroverse willen zu erzeugen, nur um erneut komplett schnarchnasig abzuliefern: "Leben lang umstritten so wie Kanye / Push it to the limit wie am Butterfly-Gerät / Manchmal fühlst du dich allein auf deinem Weg / Wenn keiner zu dir steht, das ist die Realität." Versucht er hier gerade kläglich, die Aufmerksamkeit der Cancel Culture zu gewinnen, um der Irrelevanz zu entkommen? Ein bisschen Kanzler-Psychose nebenbei darf natürlich auch nicht fehlen: "Erster Kanzler-Kandidat ohne Partei / Mach' den Bundestag ungefragt zum Schloss von Versailles / Die Krone bleibt." Ah, Felix, sag doch gleich, dass du statt des Kanzleramts lieber ein absolutistisches Regime anstrebst.

Meine Lieblingszeile stammt aber aus "Paradies". Wer wäre ein Felix Blume, wenn er die Liebe zur Ehepartnerin nicht in Wie-Vergleichen ausdrückt: "Yeah, babe, I got your back wie'n siamesischer Zwilling / Du hast die Schönheit und Ästhetik italienischer Villen." Mal davon abgesehen, dass ich diese Zeile in die Kategorie '"Schlechteste Anmachsprüche'" einordnen würde: Chance vertan, den Wie-Vergleich so aufzubauen, dass der Reim "italienischer Drilling" auf "siamesischer Zwilling" gepasst hätte. Kleiner Insider-Joke am Rande.

Nachdem er auf "Punchlines Im Maritim", "Cote d'Azur" und "Sommerpause" auf trägen Boom-Bap-Loops weitere belanglose Bars über seinen unnahbaren Frührentner-Lifestyle ins Mic röchelt und auf "UNLEASHED" erneut beweist, dass seine Art des Doubletime-Flows im Jahre 2025 jenseits von antiquiert wirkt, kommen wir bei "Der Boss Flaniert" an. Der Beat klingt mit dem retroartigen Synth und den Choreinlagen schön trashig, im positiven Sinne. Felix Performance macht dagegen einen immer lustloseren Eindruck. Dafür kündigt er den Nachfolger seines berüchtigten Schwurbler-Epos "Apokalypse" aus dem Jahre 2016 an: "Komme heim und schreib' am Nachfolger von 'Apokalypse' / Wo ich seit Jahr'n schon dransitze." Ich glaube, da bevorzuge ich lieber meinen mit schizoiden Agartha-Shitpost-Edits zugemüllten Instagram-Feed als einen dritten Teil von diesem Aluhut-Reimketten-Gewichse.

Wenn wir uns schon langsam dem Politischen nähern, wird es höchste Zeit, über "Deutschland" zu sprechen. Da hat er es doch tatsächlich geschafft, die größten 0815-Wutbürger-Takes auf einen überaus schmalzigen Piano-Streicher-Beat zu klatschen: "Irgendwelche Psychos stechen Menschen ab mit Butterflys / Und die Politiker kippen sich entspannt daheim Champagner rein / Und grinsen wie'n verdammtes Schwein", oder "Heute fällt uns schwer, die Kinder draußen spielen zu lassen / Aus Angst, dass irgendwelche Pädophile sie packen", nur um ein paar Beispiele zu nennen. Aber natürlich regelt unser Monarchisten-Kanzler Felix das schon: "Langsam reicht's / Langsam ist genug / Wär' ich Kanzler, würd' ich für Deutschland kämpfen bis aufs Blut." Grundgütiger.

Die Strophen klingen zudem untypisch amateurhaft für einen Felix bzw. Kollegah und nicht so möchtegern-eloquent wie gewohnt, als hätte er sich das Ziel gesetzt, beim Schreiben der Texte nicht ein einziges Mal im MZEE-Forum zu spicken. Umso skurriler ist jedoch, dass er den Text des Refrains tatsächlich aus dem Gedicht "Nachtgedanken" von Heinrich Heine übernommen hat: "Denk' ich an Deutschland in der Nacht / Dann bin ich um den Schlaf gebracht / Ich kann nicht mehr die Augen schließen / Und meine heißen Tränen fließen / Deutschland hat ewigen Bestand / Es ist ein kerngesundes Land / Mit seinen Eichen, seinen Linden/ Werd' ich es immer wiederfinden."

Selbst wenn es nur als reine Hommage gedacht war: Die Art und Weise, wie Felix diese Hook vorträgt, erinnert an einen verfluchten 13-Jährigen, der gerade zum ersten Mal einen Rap-Text verfasst. Vielleicht sind bestimmte Gedichte nicht dafür geeignet, in Hip-Hop-Form wiedergegeben zu werden, oder Felix hat ein für alle Mal den Verstand verloren. Ich tippe auf beides. Alles in allem haben wir es hier mit einem Cringe-Meisterwerk zu tun, das Seinesgleichen sucht. Ich kriege Bock, für dieses Lied ein total behämmertes AfD-Musikvideo mit KI zu prompten, um mich noch mehr wegzucringen. Definitiv ein würdiger Anwärter für den Titel des schlechtesten Kollegah/Felix-Blume-Songs aller Zeiten.

Gibt es wenigstens noch etwas Positives zu diesem Projekt zu sagen? Der zweite Part von "Oktoberwind", wo er ein paar schöne Worte für seine Familie findet, klingt ganz angenehm, und das Album läuft mit 55 Minuten Spiellänge zum Glück bei weitem nicht so lang wie der über zweistündige Vorgänger. Davon abgesehen demonstriert dieses Tape einmal mehr den kreativen Bankrott des Felix Blume. Seit Jahren verwässert er mit jeder neuen Platte zunehmend die Wirkung seiner einst so erfolgreichen Formel aus luxuriös aufgezogenem, provokantem und technischem Punchline-Rap. Das Gute daran: Von dieser Verwässerung bleiben nicht mal seine Schwurbeleien oder seine stetigen Flirtversuche mit rechter Ideologie verschont. Provokant lässt sich das schon lange nicht mehr nennen, bestenfalls cringe.

Trackliste

  1. 1. Elder Statesman (Intro)
  2. 2. Wahnsinn und Genie
  3. 3. Grosse Kunst
  4. 4. So wie Kanye
  5. 5. Die Krone bleibt
  6. 6. Unsterblich
  7. 7. Dschungel
  8. 8. Paradies
  9. 9. Punchlines im Maritim
  10. 10. Cote d‘Azur
  11. 11. Sommerpause
  12. 12. UNLEASHED
  13. 13. Der Boss flaniert
  14. 14. 14 , Oktoberwind
  15. 15. Deutschland
  16. 16. Alles OK
  17. 17. Newcomer des Jahres (Outro)

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