Details

Mit:
Datum: 24. November 2000
Location: Club Vaudeville
Von-Behring-Straße 6-8
88131 Lindau
Website: Offizielle Homepage des Veranstaltungsorts
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Die Apokalypse ist auch zu sehen ...

Review von Giuliano Benassi

"Es war cool, aber irgendwie doch nicht das Wahre," werden sich die Jungs von Apocalyptica gesagt haben, als sie schweißüberströmt nach fast zwei Stunden Konzert auf dem Weg zur Dusche waren.

Dabei schienen die Rahmenbedingungen für ein mitreißendes Konzert gegeben zu sein: Es war eine regnerische und kalte Herbstnacht, auf dem Programm stand eine gnadenlos talentierte Liveband, der Club war mit 600 Leuten ausverkauft, im Saal hingen örtliche Haschwolken und das Bier gab es zu Kneipenpreisen.

Als die Lichter über der essentiell gestalteten Bühne ausgingen und vier schwarzbekleidete Gestalten mit ungetümlich wirkenden Streichinstrumenten ihre Plätze einnahmen, ging ein erwartungsvoller Applaus durch die Menge, der sofort in einem Klanggewitter unterging. Ein Sturm, der allerdings recht weit entfernt zu sein schien, denn der Lärmpegel war eindeutig unter dem des Kassettenvorspiels. Eine Antiklimax, die auch nicht von "For Whom The Bell Tolls" oder einer herzzerreißenden, wenig schnulzigen Version von "Nothing Else Matters" verdrängt wurde. Die Band mühte sich ab, spielte abwechselnd Metallica und anderes, tobte herum, schaute ins Publikum wie ein BSE-infiziertes Rind und ließ die Schöpfe fliegen, aber außer lokalem Grölen und vereinzelten zum Metalgruß erhobenen Händen war die Reaktion eher bescheiden.

Nach einer kurzen, recht schnell eingelegten Pause hatte man sich schon so an die liebliche Stimmung gewöhnt, dass aus der Interpretation eigener Stücke und der zögerlich erhöhten Lautstärke nur langsam so etwas wie ein Erlebnis entstand. Ein recht kriegerisch wirkender Thrasher mit Kettenhemd, kajalunterlegten Augen und nach Shampoo riechender Mähne fragte sich mit ausgesprochener Höflichkeit seinen Weg nach vorne und bildete das Gegenstück zum 21-jährigen Neuzugang Perttu Kivilaakso, der auf sein Cello eindrosch wie auf ein sterbendes Pferd und wild über die Bühne hüpfte. Ein Spektakel, dass durch schwarze Lackhosen und seinem von einem Netzhemd dürftig verstecktem knabenhaften Oberkörper wenig glaubhaft wirkte.

Trotzdem kam endlich Stimmung auf. Stücke wie "Kaamos", "Path" oder "Romance," aus "Cult," der neuesten Veröffentlichung, bewiesen ihre Überlegenheit gegenüber den Metallica-Covers, die nach wie vor etwas hölzern wirken - sie sind eben nicht für Celli geschrieben worden. Als "Inquisition Symphony" von Sepultura angekündigt wurde kamen begeisterte Schreie, und bei dem kurz darauf folgenden "Unforgiven" wurde laut mitgesungen. Die letzte Phase des Konzertes hatte angefangen, doch ich kämpfte mich mittlerweile durch die hinteren Ränge, um mich mit Bier zu versorgen, erstaunt darüber, dass es in Richtung Ausgang beklemmend eng wurde. Vorne hatte ich bequem stehen können.

Ein paar Gläser später kam die letzte Zugabe, mit Grieg die einzige Klassikinterpretation des Abends. Der anhaltende Applaus und die glücklichen Gesichter der herausströmenden Zuschauer zeugten von einem guten Konzert. Eben nur gut; die Grenze zu "mitreißend" ist dünn, aber sie zu überschreiten ist das Schwierigste in diesem Gefilde. Trotz Begabung und erstaunlichem musikalischen Können werden die Mitglieder von Apocalyptica ein paar Dinge ändern müssen. Mehr Eigenmaterial und weniger Metal-Gepose wären zwei wichtige Schritte in diese Richtung. Vorne würde es richtig abgehen, und das Duschen danach wäre auch angenehmer.

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Artistinfo

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