30. August 2017

"Immerhin muss ich keine Flaschen sammeln"

Interview geführt von

Rapper, Sänger, Produzent, Musiker: BRKN ist ein vielseitig begabter Mann. Obendrein redet er gerne, natürlich über sein Album "Einzimmervilla", aber auch über vergessene Feature-Gäste, Geldmangel, Saxofon-Soli, das Herzblut von Würstchenfabrikanten oder ein Merengue-Album von Elton John.

Rapper, Sänger, Pianomann, Produzent, Entertainer, darüber hinaus noch ein verdammt charmanter Gastgeber: BRKN besitzt viele Talente, wie er unter anderem in seiner Show "BRKN, Dicker!" regelmäßig unter Beweis stellt. Die pausiert allerdings gerade, weil der Berliner Dringlicheres zu tun hatte: Sein Album "Einzimmervilla" forderte Einiges an Aufmerksamkeit.

Inzwischen ist die Platte erschienen und hat gezeigt: Der Aufwand hat sich gelohnt. Dass es derart wenig zu meckern gibt, konnte BRKN aber noch nicht wissen, als er - unterwegs, offenbar schwerstens beschäftigt, aber blendend aufgelegt - ans Telefon ging.

Hallo?

Hallo, BRKN. Danke, dass du dir Zeit nimmst. Ich halte dich für jemanden, der Kritik ganz gut wegstecken kann. Stimmt das?

Ich nehm' es auf jeden Fall alles andere als persönlich. Es kann ja nicht jedem gefallen. Ich weiß, dass es durchaus Leute gibt, die nicht unbedingt gut mit Kritik leben können. Aber für mich ist es das Normalste der Welt, dass es Leute gibt, die ein Lied nicht mögen oder die andere Musik feiern. So ist das Leben.

Es trifft einen wahrscheinlich aber trotzdem, wenn man wahnsinnig viel Herzblut in ein Projekt investiert hat, und dann kommt jemand und haut drauf.

Ja. Es kommt natürlich auch immer auf die Art an, wie. Ich hab' auch schon mal 'ne Review gelesen, in der jemand sich ganz komisch mit der Thematik auseinander gesetzt hat. So, als ob ich versucht hätte, irgendwas zu sein ... Es war nicht sachlich, er hat es irgendwo auch einfach nicht verstanden. Da regt man sich kurz drüber auf, und dann ist es vorbei. Es macht ja auch keinen Sinn, sich mit so negativen Sachen 'ne Stunde lang rumzuärgern. Da hat man Besseres zu tun. Zum Beispiel das nächste Album machen.

Wenn wir jetzt schon bei Kritik sind: Ich hatte bei "Einzimmervilla" den Eindruck, dass sich seit "Kauft Meine Liebe" thematisch nicht so wahnsinnig viel verändert hat.

Ja, das stimmt auf jeden Fall. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich .. hmm ... wie sag' ich das jetzt, ohne blöd zu klingen? Dass ich lebensnahe Texte schreibe und nicht so der Fan davon bin, mir großartig Metaphern auszudenken oder um irgendwas herumzureden. Ich bin da so 'n bisschen direkter. Aber, ja. Das stimmt schon. (Lacht) So können wir das stehenlassen.

Es geht auf jeden Fall auch hier wieder um die Existenz als Künstler, immer noch vor dem großen Durchbruch.

Ja. Jetzt, wo du es sagst, find' ich das auch irgendwie langweilig, damit schon wieder zu kommen. Ich muss mir da beim nächsten Album vielleicht was überlegen.

Vielleicht kommt jetzt ja auch der große Durchbruch, dann ist beim nächsten Album sowieso alles anders.

Stimmt. Vielleicht ärgere ich mich dann darüber, dass der BMW mit falschen Felgen geliefert wurde. Aber, ja: Das ist schon einigermaßen richtig.

Wieso, glaubst du, lässt der Durchbruch immer noch auf sich warten?

Du ... keine Ahnung. Vielleicht war es einfach noch nicht der richtige Song. Oder nicht die richtige Zeit. Warum ein Künstler komplett durchstartet, darüber kann man ja bestimmt Doktorarbeiten schreiben. Wie viele verschiedene Sachen da zusammenkommen müssen, vom richtigen Song über die richtige Inszenierung und den Zeitgeist zu tausend anderen Sachen, mit denen du dich als Musikjournalistin wahrscheinlich noch besser auskennst als ich. Woran hats gelegen? Weiß ich nicht. Für mich ist erstmal wichtig, dass es nach vorne geht. Und ich weiß, dass man nicht von heute auf morgen ... (unterbricht sich) Natürlich gibt es auch Leute, die es von heute auf morgen schaffen. In den meisten Fällen steckt aber jahrelange harte Arbeit dahinter, auch wenn viele Leute das vielleicht nicht sehen.

Ist ja auch immer Glück dabei.

Bestimmt auch, ja.

So viele kleine Faktoren, die man nicht oder kaum beeinflussen kann. Wer was zu welchem Zeitpunkt hört ...

Genau. Wo man zufällig landet. Was gerade in der Welt passiert, das vielleicht zu einem Song passt. Bestimmt ist auch 'ne Prise Glück dabei. Bestimmt ist aber auch sehr viel Nicht-Glück dabei - im Sinne von harter Arbeit und Können. Aber da könnte man vermutlich tagelang darüber diskutieren, was alles zu einem Durchbruch dazugehört.

Wobei Touren mit Alligatoah vermutlich keine ganz schlechte Ausgangsbasis bieten.

Das ist wahr, ja. Das ist auf jeden Fall nichts Schlechtes, das kann man so stehen lassen. Nee, war natürlich bombe. Da hab' ich nochmal 'ne ganz andere Reichweite bekommen, und den Luxus gehabt, bei so 'ner riesigen Tour mitzuspielen, komplett mit Nightliner und allem. Und der hat ja auch Leute um sich herum, die mit ihm zusammenarbeiten: Da hab' ich auch viele Leute kennengelernt. Und einfach das Glück gehabt, dass die Leute mich direkt auf dem Schirm hatten.

Du hast es wahrscheinlich schon tausendmal erzählt, mir ist es gerade trotzdem nicht präsent: Wie kam es eigentlich zu dieser Zusammenarbeit?

Das kam folgendermaßen: Massimo aus der Bookingagentur Boldt Berlin, die auch Alligatoahs Booking managen, den hatte ich zufällig schon vorher kennengelernt. 2014 hab' ich Vorgruppe für einen Kumpel gespielt, für Sadi Gent. Da hat er gesehen, dass ich eben auch am Piano sitze. Die haben damals für Alligatoahs erste Akustik-Tour, die nur von Gitarre begleitet wurde, jemanden gesucht, der auch ein Akustik-Vorprogramm bieten kann. So sind wir zusammengekommen, und mittlerweile ist das einer unserer wichtigsten Partner. Ich mag die Leute da alle sehr, und ich bin sehr froh, dass ich bei Boldt Berlin gelandet bin und dass sich das alles so entwickelt hat. Die kümmern sich jetzt um mein komplettes Live-Programm.

Deine Solo-Tour steht im Herbst an?

Im Oktober, genau. Im August ist Album-Release, im Oktober folgt die Tour.

Was für ein Programm steht da zu erwarten?

Ich bin ein Fan davon, die Leute mit schnellen Nummern zum Feiern und zum Tanzen zu bringen. Ich werd' im Set zwischendurch bestimmt auch mal ein paar Minuten am Klavier sitzen, mit den Leuten singen ... ey! Ich leg' einfach Wert darauf, dass die Leute, die kommen, was kriegen für ihr Geld, dass sie Spaß haben und sagen: 'Ey, BRKN live war geil, da nehmen wir nächstes Mal noch ein paar Kumpels mit.' Live krieg' ich eigentlich immer mehr Komplimente als auf Platte. Mir macht das einfach Spaß. Ich freu' mich drauf. Das wird geil.

Hast du, wenn du Songs schreibst, die Livetauglichkeit immer gleich mit im Kopf?

Nicht immer, aber manchmal schon. Manchmal sitz' ich schon da und denk' mir: Woah, ich hätt' gerne so 'n bisschen 'nen Beat, der nach vorne geht, wo man mal einen Schritt einlegen kann, oder so. Natürlich denkt man hier und da an die Livesituation, ja. Aber nicht ein ganzes Album über. Größtenteils gehts mir, wenn ich Musik mache, einfach nur ums Gefühl. Ich mach' das, was sich richtig anfühlt, für mich.

Die Herangehensweise ist also gar nicht so wahnsinnig unterschiedlich, ob du Songs für die Bühne schreibst - oder eben für die Konserve?

Nee. Gar nicht. Die Herangehensweise ist für mich gleich. Es ist mehr oder weniger Zufall, wie so ein Song entsteht. Vielleicht sitz' ich am Klavier oder im Studio. Ich bastel' irgendwas, bis mir gefällt, wie es klingt, und versuch' dann, irgendwas dazu zu schreiben. Oder vielleicht hab' ich irgendwie Blitz-mäßig im Alltag 'ne Songidee. Dann versuch' ich, die aufzuschreiben und nehm' sie ins Studio mit. Oder ich hab' eine Passage oder eine Zeile im Kopf, um die ich dann alles herumbaue. Wenns dann live-mäßig wird, wird das so. Und wenn nicht, dann nicht. Das ist immer unterschiedlich.

Die Leute tun sich schwer damit, dir ein Etikett aufzukleben, in vielerlei Hinsicht. Das geht bei den Funktionen los: Du bist Sänger, Rapper, Produzent ... Wo siehst du denn selbst deinen Schwerpunkt?

(Überlegt) ... (überlegt lange) Ich glaub', ich seh' mich selbst als ... als Musiker. Mir ist egal, ob ich rappe oder singe oder den Song komplett ausproduziere oder ob ich nur 'ne Klaviermelodie mitbringe, und jemand anders macht den Rest: Ich fühl' mich einfach als jemand, der Songs macht. Bei dieser Platte hab' ich jetzt zufällig wieder alles selber produziert. Ich hatte eigentlich vor, das nicht zu machen. Aber dann hat hier und da terminlich was nicht gepasst, und dann war die Platte fertig und ich hatte es allein gemacht. Was ja auch okay ist.

Was okay ist, wenn man das kann.

(Lacht) Ja. Bei der letzten Platte wars genauso. Aber natürlich gibt es auch Leute, die nur Produzent sind. Oder solche, die einfach zusammenarbeiten wollen. Aber wie gesagt: Ich seh' mich da selber nicht in einer Rolle. Ich seh' mich primär als Mensch, der am Ende vorne steht und einen Song singt. Für mich gilt immer: Wenns geil ist, ist es geil. Wenn mir dann jemand geholfen hat, beim Textschreiben, oder eben nicht ... Das war jetzt diesmal nicht so, ich hab' alles allein gemacht. Aber wenn es nicht so gewesen wäre, dann wär' mir das komplett egal. Es geht nur darum, dass wir auf der Bühne stehen und einen geilen Song haben, der die Leute mitnimmt, wo ich meinen Spaß dran habe und die Leute im besten Fall auch.

"Wenn Elton John Merengue macht, wird das bestimmt nicht scheiße"

Die Einsortierung in irgendwelche Genre-Schubladen ist dir dann vermutlich auch eher wurscht.

Ja, natürlich. Genre-Denken sowieso. Gerade für den Musikjournalismus braucht man das ja. Man muss ja irgendwas draufschreiben, worunter sich der Leser dann auch was vorstellen kann. Aber für mich gibt es Genres in dem Sinn nicht so. Ich glaube, wenn man einen Künstler mag, dann verlässt man sich nicht unbedingt auf ein Genre. Meiner Meinung nach, verlässt man sich da eher auf seinen Musikgeschmack. Oder auf sein Musikgefühl. Wenn Elton John morgen ein Merengue-Album rausbringt, dann wird das bestimmt nicht scheiße werden, weil: Er ist immerhin Elton John, und er weiß so ein bisschen, was er macht. Ganz blöd gesagt.

Wenn Elton John ein Merengue-Album rausbringen würde, fände ich das erstmal saumäßig interessant.

Siehste? Und er würde wahrscheinlich auch kein Merengue-Album machen, das kacke klingt, weil es ist ja nicht so, dass er auf einmal sein ganzes Musikgefühl verliert und Sachen macht, die blöd klingen. Wahrscheinlich. Vielleicht ist Merengue aber auch gar nicht seins und es geht komplett in die Hose.

Solche Sachen gehen ja gerne in die Hose, wenn es zu gewollt wirkt. Dann kommt das Jan Delay-Gefühl: Ich glaub', ich hätte dieses 'Rock-Album' nicht halb so kacke gefunden, wenn da nicht überall herumgeplärrt worden wäre, das müsse jetzt ein Rock-Album sein. Das war es halt einfach nicht.

Natürlich, wenn man sich selber in so einen Käfig steckt, aus dem man nicht rausdarf, dann ist das was anderes. Das muss schon was Natürliches sein. Ich hab' mich jetzt auch nicht hingesetzt und gesagt: Ich muss jetzt das oder das machen. Ich mach' das, was mir gefällt. Ich mach' etwas, das ich selber schön finde. Ob ich jetzt einen Beat nur mit Klavier mache, ob ich was Souliges mache, was Jazziges oder was Latinomäßiges: Es kommt drauf an, wie mir das gefällt. Welches Genre das ist, ist mir persönlich egal. Und am Ende kommt ja meistens der Hip Hop auch noch irgendwie durch. Wenn man will, kann man das alles unter dieser großen Sparte verbuchen. Muss man aber natürlich nicht, nur weil eventuell noch 'n paar Drops aus dem Computer reinkommen. Es sind dann viele verschiedene Einflüsse, gemischt. Ist eine komplizierte Diskussion. Vielleicht muss ich mir auch einen lustigen Namen für mein eigenes Genre ausdenken, den die Leute dann benutzen müssen.

Du als Musiker bist natürlich in der komfortablen Position, dass das wirklich nicht dein Job ist. Das müssen schon andere erledigen.

Genau. Genau! DU brauchst das! Wie gesagt: Die Leser müssen sich ja irgendwas vorstellen können. Es ist ja jetzt auch nicht so, dass ich das Rad komplett neu erfinden und Musik machen würde, die noch nie irgendjemand im Entferntesten in dieser Form gehört hätte. Man kann es ja am Ende so zusammenfassen: Es ist 'n bisschen Funk, 'n bisschen Soul, 'n bisschen Hip Hop, 'n bisschen Rap und 'n bisschen Gesang.

Die Erfahrung hat mir gezeigt, dass Musikjournalisten das Etikett sogar noch weniger dringend brauchen als Konzertveranstalter. Wenn du eine Show bewirbst, ist es ganz wesentlich, das eine oder andere Publikum anzusprechen. Wenn du da kommst mit "Das ist irgendwas zwischen Hip Hop und Jazz", dann kommen am Ende weder die Hip Hopper noch die Jazz-Leute.

Ja, klar. Das ist das Schwierige. Es gibt gerade so ein Phänomen mit R'n'B in Deutschland. Das hat noch nie richtig gezündet. Ein Xavier Naidoo war wahrscheinlich am nähsten dran, bis jetzt. Da ist vielleicht einfach das Publikum noch nicht erspielt. Vielleicht ist diese Stil-Mischung noch nicht etabliert. Zu sagen: 'Ich mach' jetzt ein Album voller Soul und Jazz, bisschen hier, bisschen Reggae, bisschen dies, bisschen das', statt mal zu versuchen, sich auf eine dieser Mischungen zu lenken, um den Kunden, den man anspricht, überhaupt festhalten zu können ... Das ist ja bei mir auch so: Ich hör' einen geilen Song von einem Typen und denk: 'Ey, cool! Ich hoffe, der hat noch mehr so geile Songs.' Und dann hat der komplett andere ... Ist ein bisschen schwierig.

Musikalisch find' ich das Zeug zwischen den Stühlen oft am interessantesten. Aber es ist echt schwer, damit ein Zielpublikum zu erwischen. Du musst dem Hip Hopper erzählen, es sei Hip Hop, und dem Jazz-Fan, es sei Jazz.

Wahrscheinlich. Wobei ich sagen muss, dass ich aus der Hip Hop-Szene, verglichen mit den anderen Künstlern, am meisten Zuspruch bekommen habe. Weil die vielleicht auch einfach wissen: Das ist Hip Hop. Also, für mich ist alles Hip Hop. Für mich ist wirklich so gut wie alles Hip Hop. (Lacht) Aber es gibt natürlich immer Strömungen und Trends. Wenn etwas Hip Hop ist, dann will jemand, dass da ein Trap-Beat drunterliegt und dass jemand mit Autotune drübersingt. Oder es will jemand, dass da 'n Boom-Bap-Beat liegt und dass da jemand Doppelreimketten reinhaut. Was auch immer. Das ist einfach ein Zeichen dafür, dass das, was ich mache, vielleicht ein bisschen was Eigenes ist. Dann müssen wir diese Musik den Leuten halt so oft in die Fresse schlagen, bis es der Letzte auch kapiert hat.

Du sagst, du kriegst viel Zuspruch aus der Hip Hop-Szene. Gerade da bist du ja ein bisschen ein Exot: Du spielst Klavier, du spielst Saxofon, du spielst Gitarre. Bass auch? Weiß gar nicht, was noch alles. Das ist im Hip Hop-Kontext jetzt ja nicht sooo üblich.

Ja, stimmt. Unter Rappern an sich, unter den Leuten, die am Ende auf dem Cover sind, ist das wahrscheinlich wirklich eher unüblich. Aber wie du schon gesagt hast: Ich produzier' die Sachen ja auch. Unter Hip Hop-Produzenten sind dann schon einige unterwegs, die auch wissen, wie man mit 'ner Gitarre, einem Klavier oder mit anderen Instrumenten umgeht. Bei mir ist es halt der Fall, dass ich meine eigenen Sachen selber produziere und die Songs selber schreibe ... ja. Wahrscheinlich ist das ein bisschen unüblich. (Lacht) Vielleicht werden dann die Leute beim Splash! kucken, wenn ich auf einmal ein Saxofon in der Hand habe. Wobei, wenn ich auf der Bühne Instrumente spiele, feiern die Leute das eigentlich immer stark ab. Ey! Vielleicht ist das auch was Positives, wenn jemand sagt: 'Ey, cool, der hat auch Saxofon gespielt.' Vielleicht sagen aber auch Leute: 'Saxofon, nee, damit will ich gar nichts zu tun haben, dieser Jazz-Scheiß. Lass' einfach nach Hause gehen.' Das wird sich dann rausstellen.

Gerade Saxofon hat ja oft so einen ganz üblen 80er-Vibe.

Ja. Vor zwei oder drei Jahren liefen ja die ganze Zeit irgendwelche Saxofonsample-House-Techno-Pop-Beats im Radio. Aber ich mach' jetzt auch keine schmusigen "I'm never gonna dance again"-Saxofon-Soli auf der Bühne. Das ist ja im Beat drin, wie es halt auch bei Dr. Dre oder bei jedem anderen im Beat sein könnte. Da wird auch gesamplet. Und wenn ich auf der Bühne Saxofon spiele, dann kommt es eigentlich immer sehr knackig.

Werd' ich mir wohl mal angucken müssen.

Bitte! Das sollten sich alle mal angucken.

Mit 'BRKN, Dicker!' hast du längst dein eigenes Showformat. Da singst du nicht nur und spielst Klavier, sondern erzählst auch mal was. Kannst du dir so eine Entertainertätigkeit auch vorstellen? Etwas, das über das reine Musiker-Sein hinausgeht? Mit Comedy- und Moderations-Elementen?

Also, wenn jetzt jemand kommen würde und sagen: 'Ey, wir haben 'BRKN, Dicker!' gesehen, fanden wir ganz lustig. Wir haben hier die Oscar-Verleihung. Willst du das nicht moderieren?', da würde ich auf jeden Fall nicht nein sagen. Natürlich geht es erstmal um die Musik. Aber ich meine, wenn jemand sagt: 'Willste nicht hier mal zu Gast sein?' ... Ich würde auf jeden Fall keinen Standup-Comedy-Gig annehmen oder so. Aber wenn jemand sagt: 'Willste nicht auch hier in so 'ne lustige Talkrunde?' oder ... ich weiß nicht, was es da überhaupt so gibt. Für Moderationen kamen jetzt, ehrlich gesagt, noch keine Anfragen rein. Obwohl, doch! Mein Manager hat gerade so 'ne Handbewegung gemacht, dass nicht ganz stimmt, was ich sage. (Lacht) Vielleicht hat er mir die auch gar nicht weitergeleitet. Ja. Blöd gesagt, jetzt, aber: Es kommt natürlich immer sehr stark drauf an: Was für ein Format, wofür, was genau. Wie gesagt: Ich würde keine Comedy machen. Ich bin auch kein Comedian. Aber wenn ich zwischen Songs was erzähle, kommts auch mal vor, dass ein paar Leute lachen. Aus dieser Motivation heraus haben wir auch aus 'BRKN, Dicker!' mehr gemacht als nur ein Klavierkonzert. Sondern versucht, das ein bisschen weiter zu denken. 'BRKN, Dicker!' hat jetzt gerade Pause, weil wir mit dem Album zu tun haben. Aber das wird auf jeden Fall noch weitergehen, und dann kucken wir mal, was passiert.

In der Show hast du regelmäßig Gäste begrüßt. Auf dem Album gab es dagegen kein einziges Feature. Wir kommt das?

Ich kann dir nicht genau sagen, woran es liegt. Unter anderem daran, dass ich dachte, ich werd' Songs anfangen und bei der Arbeit daran wird mir auffallen, dass bei dem Song der Kollege und bei dem Song der super drauf passen würde. Wenn ich dann aber einen Song mache, dann vergess' ich das komplett. Dann sind die Songs auf einmal fertig. Ich muss einfach direkt anfangen, mich mit den Leuten zu treffen. Ich kenn' ja Leute, mit denen ich gerne zusammenarbeiten würde und die auch Bock gehabt hätten, dabei zu sein. Ich saß dann aber vielleicht zu oft alleine in meinem Studio und hab' einfach durchgearbeitet und durchgepowert, und dann hab' ich am Ende einfach vergessen, dass ich noch ein paar Leute auf dem Album haben wollte - und dann war es auf einmal fertig. Ich glaube, das ist der Hauptpunkt gewesen. Aber ich hab' mega Bock, 'n paar Features zu machen. Ich glaube kaum, dass ich das beim nächsten Album wieder genauso machen werde.

Versehentlich die Gäste vergessen.

Ganz blöd gesagt. Ja.

"Privatsphäre ist eine kostbare Währung"

In einem Interview aus "Kauft Meine Liebe"-Zeiten hast du gesagt, du hast keinen Bock auf traurige Musik. Auf "Einzimmervilla" klangen aber durchaus melancholische Züge durch.

Auf jeden Fall. Bei "Kauft Meine Liebe" hatte ich tatsächlich gar keinen Bock auf traurige Musik. Nichtsdestotrotz ist ja auch dort sowas wie das "Krieg"-Interlude drauf, und "California 61" ist jetzt auch nicht unbedingt der Happy-Gute-Laune-Song. Aber damals hatte ich tatsächlich keinen Bock. Ich wollte einfach nur auf die Bühne gehen und Musik für ein gutes Gefühl und gute Laune machen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich keine traurigen Songs schreiben mag. Da muss man sich immer zu stark mit seinen Gefühlen auseinandersetzen, das ist schwierig, und da hatte ich nicht so Lust drauf. (Lacht) Aber diesmal ist es halt so gewesen. Wenn man 'ne Kackzeit durchlebt und Musik entsteht, und man sagt: 'Ey, das Lied ist eigentlich ganz gut geworden', dann kann man das doch auch fertigschreiben und auf die Platte packen. Aber ja, ich stimm' dir da auf jeden Fall zu: Diesmal sind ein paar melancholischere Dinger dabei. Mir war aber auch von Anfang an klar: Das wird nicht das letzte Album sein, und ich werd' nicht irgendwann dreißig Alben gemacht haben, die alle komplett nur aus Gute-Laune-Liedern bestehen. Und bevor ich ein "Black Album" mache, mit allen depressiven Seiten, machen wir das lieber so.

Wenn du sagst, für traurige Songs müsse man sich zu stark mit seinen Gefühlen auseinandersetzen: Bedeutet das, du willst dich auch nur bis zu einem gewissen Grad öffnen?

(Überlegt) Nee. Das würde ich jetzt nicht so sagen. Man macht das ja nicht so wie in einem Vier-Augen-Gespräch. Wobei, obwohl ... macht man eigentlich schon. Wenn man 'ne Scheißzeit durchlebt, dann weiß man das. Dann versucht man, das zuende zu bringen oder eine Lösung zu finden. Man hat vielleicht nicht unbedingt Lust, in diesem Gefühl zu baden, da einen Song draus zu schreiben und sich alles wieder aufzureißen. Das verstärkt ja auch dieses Gefühl. Natürlich verarbeitet man es so auch. Generell bin ich, was dieses Sich-Öffnen angeht, sehr bedacht, wem ich was erzähle, wem ich etwas anvertraue. Bei der Musik ist das allerdings anders. Ich mach' ja Musik nicht mit der Motivation, dass ich das unbedingt rausbringen will. Ich mach' Musik, weil das in mir drin ist und weil ich es liebe. Wenn dann solche Songs rauskommen, dann mach' ich die nicht, weil ich vorher dran denke, wer die hört und wer nicht. Wenn das jetzt so gewesen wäre, dass ich sage: 'Ey, das kann ich niemandem erzählen, da hab' ich zu viel preisgegeben, ich will nicht, dass das alle wissen' ... Ich finde, dass Privatsphäre 'ne kostbare Währung ist, vor allem, wenn man im Musikgeschäft ist und sich ein paar Ziele gesetzt hat. Aber jetzt bin ich schon wieder komplett raus aus der Frage.

Nö, mach' mal ruhig weiter.

Also, nö: Probleme damit, mich zu öffnen, hab' ich nicht unbedingt. Aber wenn ich Musik mache, gehts mir erstmal drum, den Song zu machen. Gefühle werden da verarbeitet, es ist auch ein bisschen Selbsttherapie. Womit ich mich aber nicht gerne auseinandersetzen möchte, in meiner Freizeit.

Statt um das große Leiden gehts in deinen Songs oft um Geld. Respektive um den Mangel an Geld. Ein großes Thema für dich?

Ja. Vor allem, wenn man regelmäßig unter die Nase gehalten bekommt, dass andere Leute richtig viel davon haben. Ich bin aber in der unfassbar glücklichen Lage, dass Geld das einzige ist, das mir fehlt. Ich meine, ich muss jetzt keine Pfandflaschen sammeln. Ich hab' die richtigen Leute um mich rum. Ich hab' ein Dach über dem Kopf. Ich hab' was zu essen. Also bin ich eigentlich reich. Dieses Thema zieht sich aber trotzdem sehr oft durch, und mir ist bewusst, dass einem das ein bisschen monoton vorkommen könnte. Deswegen hab' ich jetzt aber auch einen Song auf dem Album, in dem ich mich einmal komplett ohne noch was daneben, quasi, nur mit dem Geld befasst habe, um das mal irgendwie rauszuholen ... was war die ursprüngliche Frage nochmal?

Ob Geldmangel ein großes Thema für dich ist.

Ja! Natürlich! Bis ich da bin, dass ich sagen kann: Ich weiß jetzt, wie ich die nächsten zwölf Monate oder so meine Miete bezahle. Und darum gehts ja nicht nur. Es geht ja auch darum, dass man sich ein schönes Leben machen will. Ich will auch mal gern in den Urlaub. Ich will mir auch mal gern 'nen schönen Pulli holen. Mach' ich auch, weil sonst wär' das ja noch beschissener. Aber es ist ein Unterschied, ob man weiß, man ist einigermaßen abgesichert, oder man weiß, hey, nächsten Monat wird es knapp und ich muss mir überlegen, wo ich noch ein paar Hundert Euro herbekomme, um über den Monat zu kommen. Das kann mir niemand erzählen, dass das keine Dauerbelastung ist. Dass man dann ganz zufrieden und happy rumliegt.

Fändest du erstrebenswert, deinen Lebensunterhalt komplett mit deiner Musik zu bestreiten?

Ja, klar. Das muss das Ziel sein. Das ist das Ziel. Es gibt keine andere Option für mich. Mein Team und ich, wir machen das nicht, weil wir irgendwann gerne einen Nebenjob UND das hier machen wollen. Das geht auch nicht, weil wenn ich schon wieder sehe, wie wir uns gerade in der Promophase abrackern, da denk' ich mir: 'Boah, Alter. Gut, dass meine Jungs genau so motiviert sind wie ich.' Wenn ich mir ankucke, wie wir erst morgens aus dem Studio rauskommen, oder ich nachts um was weiß ich wie spät noch da bin und dann morgens um acht Uhr dreißig zu meinem Job gehe, dann muss das auf jeden Fall nicht das Ziel sein. Es gibt auf keinen Fall eine andere Option, als mit der Musik Kohle zu machen. Deswegen machen wir das auch.

Ich hab' auch schon mit Leuten gesprochen, die sagen, sie möchten das auf gar keinen Fall. Diese Leute sagen, sie würden ein Stück künstlerische Freiheit aufgeben, sobald die Kunst zum Broterwerb wird.

Mir hat mal jemand gesagt: Wenn du jeden Tag erst um 17 Uhr von der Arbeit nach Hause kommst und dann Musik machst, dann klingt die Musik auch so. Natürlich kann man da ein bisschen das Leid zur Kunst machen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass man, wenn man sich von der Musik ein Lotterleben machen kann, jeden Tag erst um zwölf aufsteht und frühstückt, dass einem dann so ein bisschen was fehlt. Dass man sich dann sagt: Hey, vielleicht such' ich mir mal noch 'nen Bedien-Job, damit ich in der Woche noch ein paar andere Sachen zu tun habe. Oder ich fang' an zu töpfern. Aber bei mir ist das so: Ich sitz' auf Arbeit und merke: Hey, diese Zeit ist so verschwendet. Ich könnte im Studio sitzen und voll die schöne Musik machen. Wenn man dann gezwungen ist, dann hat man vielleicht einfach zu früh gekündigt. Wenn ich kündige und weiß: Okay, wenn ich in sechs Monaten oder mit dem nächsten Album keinen Gewinn mache, dann muss ich mir wieder einen Job suchen, dann geht das natürlich auf Zwang, dann gehts auf Zeitdruck, und dann wirds wahrscheinlich eklig. Es ist immer das Wie, und jeder ist anders. Jemand, der einen Hit gemacht und deswegen jetzt 300.000 mehr auf dem Konto hat, der wird jetzt auch nicht den Zeitdruck haben. Ich glaube, der wirds schon bis zum nächsten Album schaffen. Wobei: vielleicht auch nicht! Es gibt ja Leute, die bringen sechs Jahre kein Album raus. Muss man kieken, wie man es macht.

In deinem Song "Promo" nimmst du genau diese verbissene Monetarisierung der Musik aufs Korn, diese ganzen Verkaufsstrategien, die Trendhurerei, die durchsichtigen Promomoves. Verkaufen willst du deine Platte aber schon gern?

Ja, klar. Sonst würden wir es nicht rausbringen. Ich häng' da ja zu einem gewissen Maß auch selbst drin, das ist ja ganz klar. Ich stell' jetzt vielleicht nicht mein halbes Privatleben auf YouTube oder versuche, irgendeinen Skandal um mich herum zu bauen. Teilweise findet da halt schon sehr starkes Kindergartentheater statt. Aber wenn jetzt jemand sagt: 'Ey, am Ende des Tages gehts mir nur darum, dass ich Kohle mache', dann ist das okay. Bei der Musiksache muss ich halt dahinter stehen können. Am Ende bin das, was ich verkaufe, ja ich. Wenn ich jetzt eine Würstchenfirma hätte, und die Leute sagen: 'Wenn du diesem anderen Würstchentypen aufs Maul haust oder dich in der Presse kurz über Ausländer auslässt, dann verkaufst du bestimmt mehr Würstchen', dann würd' ich sagen: Okay, machen wir. Weil da gehts wahrscheinlich nur ums Geld. Wobei es bestimmt auch Leute gibt, die ihr Herzblut in Würstchen stecken, das will ich jetzt gar niemandem absprechen. Aber weil ich am Ende ja auch immer noch in den Spiegel kucken muss, muss man natürlich abwägen, wie wiel man mitmacht und was nicht. Natürlich gibts zu meinem Album auch 'ne Box. Aber ich mach' jetzt keine Pranks oder so auf YouTube.

Kann ja noch kommen - zusammen mit dem Comedy-Programm.

Dann hab' ich wahrscheinlich Schulden. (Lacht)

Na, ich bin gespannt, was noch kommt.

Ich auch!

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