11. Januar 2001
"Lieber ein Publikum aus Teenagern als diese schlaffen Säcke!"
Interview geführt von Gregory BritschDas sollte sich mit dem Album "Enema Of The State" und dank Heavy Rotation des nacktesten aller Videos ("What's My Age Again") auf sämtlichen Musiksendern ändern. Die Zeit scheint nicht nur für ein wenig Zärtlichkeit, sondern auch für Blink 182 reif zu sein. Wir sprachen mit Sänger Mark Hoppus am Rande von Rock Am See 2000.
Hallo Mark. Wir sind vom Internet-Musikmagazin www.laut.de und würden gerne wissen, was Du denn so vom Internet hältst.
Ich finde es cool. Ich mag es, das Zeug, für das ich mich interessiere, online nachzulesen und die Möglichkeit, von jedem Punkt der Welt mit anderen Leuten in Kontakt treten zu können.
Was hältst du von Napster?
Es ist das gleiche, wie wenn sich Leute an der Kinokasse vorbeischmuggeln. Es ist cool, wenn man nicht erwischt wird. Aber am Ende soll niemand sagen dürfen, er habe das Recht dazu.
Du glaubst also auch, das z.B. Metallica recht hatten, wenn sie juristische Schritte gegen Napster einleiteten?
Ja, ich glaube diese Jungs haben die richtige Vorstellung von dem, was da abläuft. Napster ist eine derart wachsende Technologie, so das niemand jetzt schon sagen kann, was ein mal damit möglich sein wird. Aber ich sehe dabei beide Seiten der Medaille. Ich kann verstehen, wenn die Kids sagen, das es nichts anderes ist, als wenn man Songs aus dem Radio oder bei MTV aufnimmt. Aber ich kann auch die Meinungen der Künstler verstehen, die sich bestohlen fühlen. Die ganze Internet-Technologie entwickelt sich so schnell, das es manchen ziemlich schwer fallen wird, sich mit den neuen Umständen anfreunden zu können.
In eurem Video zu „What’s My Age Again“ rennt ihr nackt durch die Stadt. Seid ihr eigentlich exhibitionistisch veranlagt?
Wir dachten eben, es sei cool anzuschauen, wie drei Spinner nackt durch die Innenstadt von L.A. rennen. Wir glaubten, es sei eigentlich ein ganz guter Marketinggag, uns drei weiße Ekeltypen nackt vor der Kamera zu zeigen, um so mehr Platten zu verkaufen (lacht). Nein ernsthaft. In den USA ist so was ja nicht gerade normal. Hier drüben in Europa ist es viel liberaler und ihr geht ja viel offener mit eurer Sexualität um. Seltsamerweise hat uns trotzdem niemand verklagt. Aber während dem Dreh fuhren ein paar Typen an uns vorbei und riefen: „Ihr verdammten Schwuchteln!“ (allgemeines Lachen).
Erzähl uns doch noch was über euer neues Album.
Es ist ein Livealbum. Wir haben mehrere Shows in den Staaten aufgenommen. In der Hauptsache aber eine Show in San Francisco und eine in Los Angeles. Ein Livealbum hat jedoch nie den Status eines Studio-Releases. Es ist mehr was für die Kids und die Fans, die mit uns jetzt seit einiger Zeit um die Welt reisen.
Apropos Kids: Wie ist das Gefühl, vorwiegend vor einem minderjährigen Publikum zu spielen?
Wahnsinnig! Ich liebe es vor den jüngeren Kids zu spielen. Die haben immer so viel Spaß bei den Shows und die gehen 1000 mal härter zur Sache, als die Mitzwanziger, die zu unseren Konzerten kommen. Ich mag lieber ein Publikum aus Teenagern als diese alten schlaffen Säcke. Die kleinen Mädchen werfen ihre BHs auf die Bühne. Letzte Nacht hatten wir eine Menge davon rumliegen. Aber irgendwie verstehe ich das nicht ganz. So ein BH kostet mindestens 40 $ und was bringt so ein kleines Gör dazu, 40 $ auf die Bühne zu werfen? (lacht)
In eurem neuesten Video „All The Small Things“ macht ihr euch über Boygroups lustig. Was ist deine Meinung zu den Jungs von den Backstreet Boys oder N’ Sync?
Ich persönlich mag keine Boybands. Aber das ist wohl Geschmacksache. Wen kümmert’s eigentlich überhaupt, was ich mag (lacht)?
Welche Band hat euch denn am meisten beeinflusst?
Der größte Einfluss kam wohl von den Descendents. Die haben uns quasi auf die Punkrock-Schiene geleitet und haben auch nachträglich unseren Lebensstil dahingehend verändert. Von den moderneren Sachen höre ich zur Zeit viel Moby oder LTJ Bukem. Das ist wirkliche cooles Zeug. Ich versuche mich auch gerade ein wenig in die Drum'n'Bass Geschichten reinzudenken.
Plant Blink 182 ein elektronischeres Album für die Zukunft?
Nein, definitiv nicht. Vielleicht bauen wir irgendwann mal ein paar Keyboards im Background ein, um die Lücken zu füllen. Aber wir werden wohl niemals ein Dance-Album herausbringen. Die Leute würden über uns lachen, weil wir alle drei nicht tanzen können. Wir führen uns auf Tanzflächen wie Vollidioten auf. (lacht)
Ihr seid doch auch fleißige Snowboarder und Skater, nicht?
Ja, aber es ist nicht mehr so wie früher. Wir waren schon so lange auf Tour und hatten einfach keine Zeit mehr dafür. Ich würde gerne von hier aus in die Schweiz rüberfahren. Allerdings hab ich gehört, dass die im Moment ein kleines Lawinenproblem haben. Trotzdem, keine Zeit!
Bevor ihr in den Charts Erfolg hattet, war euer Leben also komplett anders. Wie ist das Leben als Rockstar?
Eigentlich gibt es keinen Unterschied zu unserem früheren Dasein. Wir sind eigentlich gar keine Rockstars. Wir sind nur drei Typen, die das Glück haben, dass ihre Band sich gut verkauft. Wir werden da soviel Spaß rausholen, wie irgendwie möglich. Aber, fuck, wer weiß schon, wie lang dieser Erfolg anhält und wie lange noch die Kids unsere Platten kaufen? Sich als Rockstar zu bezeichnen ist irgendwie doof, wir drei wären doch lieber normale Leute.
Beschreibe dich mit drei Worten!
Heute? Ich würde sagen ich bin heute gelangweilt, weil diese Herumreiserei auf Dauer wirklich ätzend ist. Dann würde ich sagen bin hauptsächlich hungrig. Und natürlich habe ich Lampenfieber, bin also aufgeregt. Aber dies ist immer noch der lustigste Part in unserem Leben. Jeden Tag in einer anderen Stadt zu sein, jeden Tag im Bus, Flugzeug oder im Hotel zu verbringen, ist weiß Gott nicht witzig. Aber jeden Abend vor den Kids zu stehen und zu spielen macht wirklich sehr viel Spaß!
OK, danke für’s Gespräch.
Das Interview führten Gregory Britsch und Martin Mengele.
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