laut.de-Kritik
Neulich in Wien: Ein Zwei-Zentner-Mann zieht sich aus.
Review von Stefan JohannesbergMit seinem dritten Album "The Struggle" und einer Menge neuer Erfahrungen als Taxifahrer in der Bronx im Gepäck, zog es Cappadonna im Januar ins alte Europa, um dort nach allen Regeln der Kunst die Bühnen zu zerlegen. Zur Freude der österreichischen Außenredaktion von LAUT gastierte der Straßenprophet auch in den alpenländischen Gefilden und kündigte sich für den letzten Tourauftritt im Wiener WUK an.
Was konnte man von Cappadonna nach seinem eher enttäuschenden Album erwarten? Und wie war das jetzt eigentlich mit seiner Verbindung zum Wu-Tang Clan? Ist er noch dabei? Oder hatte er dem großen "W" abgeschworen? Für Werbemaßnahmen musste es allemal herhalten, denn auf Tourplakaten war das Logo ebenso häufig präsent wie die Wu-Tang-Rufe am Abend. Als Vorgruppe heizten die Stuttgarter PF Squad neben ihrer respektablen Show das Publikum vornehmlich mit immer wiederkehrenden Shout-And-Respond-Spielchen ein: "Ich sag WU, ihr sagt TANG!"
Bei Cappadonna selbst schien die Frage nach der Zugehörigkeit zum Clan schnell beantwortet zu sein. Zum Auftakt ließ er die Menge erstmal mit dem Wu-Tang-Klassiker "C.R.E.A.M" springen. Das sollte es jedoch für den restlichen Auftritt gewesen sein, denn nachfolgend gab es kein weiteres "Shaolin Shadowboxing" oder den "Wu-Tang Swordstyle". Trotzdem flogen die Arme bei Cappadonnas beinharten Streethammern in die Luft, und der Kopf nickte.
Gedämpft wurde die Freude deutlich durch den Zustand von Cappadonnas Stimme. Ausgezehrt von der Tour krächzte der Rapper mit seinem heiseren Organ die Texte runter, überließ den Großteil der Arbeit seinem mitgebrachten Kumpel und griff sogar teilweise auf enttäuschende Playbacks zurück. Schlimmer kam es noch, als die Mikrophone an überhebliche "Nachwuchstalente" aus dem Publikum überreicht wurden. Schnell drängte sich Dendemanns Vergleich auf: "Du in deinem Wu-Wear erinnerst eher an Winnie den Pouh Bär."
Als die Amateure die Bühne wieder verlassen hatten, legte sich der Protagonist dafür umso mehr ins Zeug. Getreu dem Motto des Kollegen Nelly hieß es jetzt "It's getting hot in here so take of all your clothes." Erst flog die Hose in einen sogar für Hip Hop-Verhältnisse zu tiefen Bereich und dann der Schuh ins Publikum. Auch die genreübliche Halskette wollte nicht gefallen und folgte dem Weg von Jacke, T-Shirt und Mütze in die Umkleidekabine. Mit jedem abgelegten Teil mehr steigerte sich augenscheinlich die Wut Cappadonnas, so dass schließlich ein beängstigend starrender Zwei-Zentner-Mann in Boxershorts über die Bühne stampfte. Den Höhepunkt erreichte die Darstellung, als Cappadonna gröhlend auf das DJ-Pult einschlug und so die Akustik kurzzeitig außer Kraft setzte. Der DJ reagierte schnell und versuchte das Gemüt des Rappers zu beruhigen, doch der Einsatz des traurigen Soul-Samples erwies sich als zuviel des Guten. Tränenschwer taumelte Cappadonna bei diesem emotionalen Tönen Richtung Bühnenmittelpunkt, ließ sich wimmernd nieder und weinte um seine Mama.
Die Show gehörte jetzt komplett dem noch ganz angezogenen Kollegen. Während sich Cappadonna an den Bühnenrand schleppte und gleich von Fans belagert wurde, füllte sich die Bühne mit tanzenden Ladys. Derweil konzentrierte sich das Interesse der Menge aber eher auf Cappadonna, der die Zeit für Autogramme und Erinnerungsfotos nutzte. Mit Hilfe der PF Squad versuchte man die Aufmerksamkeit des Publikums noch einmal zu ködern. Und die Fans sprangen auch ein letztes Mal. Der vermeintliche Haupt-Act des Abends zog sich dann in eine hintere Ecke der Bühne zurück und setzte sich, nachdem er die harte Aufgabe bestanden hatte seine Hose wieder anzuziehen, schmollend nieder. Die Aufmunterungsversuche einiger Fans schienen Wirkung zu zeigen und nach wenigen Minuten stand Cappa mit hochgerissener Faust da und setzte somit den Abschluss, nicht nur für das Konzert in Wien, sondern auch für die gesamte gelungene (?) Europa-Tour.