laut.de-Kritik
Die Dave Matthews Band bittet in Frankfurt zum Tanz.
Review von Yan VogelTrotz Multiplatin-dekorierter Wohnzimmerwände betritt Dave Matthews in seiner kumpelhaft, zurückhaltenden Art vor Beginn des Konzertabends die Bühne, begrüßt das Publikum und wünscht der Vorband Alberta Cross gutes Geleit. Diese rocken sich in Slow-Motion und an eine meckernde Ziege erinnernde Vocals durch einen knapp einstündigen Auftritt. Das Publikum quittiert die kurzweilige Performance zum Ende hin mit fast schon enthusiastischem Applaus, auch wenn an diesem Abend alle Augen auf einen Mann und dessen Multikulti-Orchester gerichtet sind.
Schnodderig und mit Schlafzimmerblick schlurft Mr. Matthews um kurz nach acht an den linken Rand des überdimensionalen Schlagzeuges, um die dort postierte Akustik-Gitarre ihrer einzig wahren Bestimmung zuzuführen. Bereits mit den ersten Takten einer sehr dynamischen Version von "Granny" erzeugt eine meterdicke Gänsehaut, die die kommenden zweieinhalb Stunden locker überdauert. Stichwort Dynamik: Teilweise baut die Band über mehrere Minuten Spannung auf und schüttet in den mit einem hohen Dezibel-Wert versehenen Parts ihr ganzes Glück über den Köpfen der Zuschauer aus.
Auf der gesamten Tour liegt der Fokus auf einem Großteil des neuen Materials, das bis auf wenige Ausnahmen nah an der Albumfassung gespielt wird. Daneben geizt die Band nicht mit Hits, die in den meisten Fällen jedoch als Fundament für ausgedehnte und gleichsam inspirierte wie inspirierende Jam-Session genutzt werden. Jeder einzelne Musiker hält mit einer konzentrierten, technisch einwandfreien, aber immer das gewisse Etwas versprühenden Rhythmus-Arbeit den magischen Vocals des Frontmanns den Rücken frei. Gleichzeitig fällt das gleißende Spotlight in den variantenreichen Improvisations-Parts auf jeden einzelnen Musiker.
Neben der Rhythmus-Sektion, bestehend aus einem coolen, zurückhaltenden Stefan Lessard und dem nicht nur hinter einem extraterrestrisch anmutenden Schlagzeug sitzenden, sondern auch entsprechend spielenden Carter Beauford, macht vor allem Gitarrist Tim Reynolds auf sich aufmerksam. So verleiht er der Band im Vergleich zur (Live-)Besetzung mit Butch Taylor am Piano einen wesentlich rockigeren Sound. Gleichzeitig bringt der kleine, unscheinbare Mittfünziger die an seinen Fingern hängenden Zuschauer in den Genuss einer großen stilistischen Vielfalt an Gitarrensounds.
Die dezenten sphärischen Einsprengsel während der ersten Zugabe "Sister", die Dave Matthews ansonsten alleine intoniert, stehen der träumerischen Nummer gut zu Gesicht. Auch das Brass-Duo Rashawn Ross (Trompete) und Jeff Coffin (Saxophon) befördern tight und harmonisch die Bläsersätze ins Hörzentrum. Ross glänzt zwischenzeitlich auch als Backroundsänger. Coffin, Nachfolger des 2008 verstorbenen Saxophonisten LeRoi Moore, zieht alle Register seines Könnens und spielt sich insbesondere mit seinen Soli bei "Bartender" (mit Blockflöte!) und "Lying In The Hands Of God" in die Herzen der Fans. Einzig Boyd Tinsley geht an diesem Abend ein wenig unter. Spätestens während "Ants Marching" erhält aber auch er die Möglichkeit, seiner Fidel die charakteristischen Folk-Soli zu entlocken.
Die Band variiert jeden Abend sowohl die Abfolge als auch die Songs an sich. Da zeigt sich zum einen die unbändige Spielfreude, die sich in einer vielseitigen Kommunikation und fast schon blindem Verständnis zwischen den einzelnen Bandmitgliedern äußert und zum anderen die daraus resultierende bedingungslose Hingabe an die Musik, die sich adäquat selbst einem tauben Konzertbesucher durch die "magischen" Frequenzgänge äußern würde. Mit der Jahrhunderthalle in Frankfurt bekam dieses Event sowohl einen klanglich ansprechenden Raum zur Verfügung gestellt, so dass auch Sound-Nerds nur anerkennend mit dem Kopf nicken konnten.