laut.de-Kritik
Metal-Party mit Machine Head, In Extremo und Co.
Review von Michael EdeleDie beste Nachricht gleich mal vorneweg: Das Rock Hard-Festival wird nächstes Jahr zur gleichen Zeit an der selben Stelle statt finden und wenn alles gut läuft, wird es zu einer festen Institution im Festival-Kalender werden. Wie eigentlich nicht anders zu erwarten, war auch das diesjährige Festival ein voller Erfolg. Zwar mussten Marduk und Malevolent Creation kurzfristig absagen, aber mit Destruction und Ilsosposed konnten zwei würdige Ersatzbands verpflichtet werden. Die Location, das Gelsenkirchener Amphitheater, kann eigentlich von keinem anderen Open Air in der Lage übertroffen werden. Wenn dann auch noch das Wetter stimmt, wie es an diesem Pfingstwochenende fast durchgehend der Fall war, kann eh nichts mehr schief gehen. Von der Stadt aus lässt sich das Amphitheater mit dem Bus bequem und problemlos erreichen. Die Kontrolle verläuft zwar relativ lax, aber scheinbar ist strenges Durchgreifen auch gar nicht notwendig, denn selten sah man eine so ruhige und ausgeglichene Stimmung.
Day One:
Von Thunderstorm, der ersten Band am Samstag, bekommen wir nur noch die letzten Takte mit, jedoch scheinen die Italiener einen ganz ordentlichen, wenn auch unspektakulären Gig hingelegt zu haben, denn das Publikum applaudiert brav, verzieht sich dann aber auch schnell Richtung Bierstände. Anders sieht das dann bei Deadsoul Tribe, der Nachfolgeband des ehemaligen Psychotic Waltz-Sängers Devon Graves (aka Buddy Lackey) aus, der trotz seiner ruhigen Art beim Publikum punkten kann. Mit der recht seltsamen Bühnenaufstellung (Devon steht links auf der Bühne und schließt den Abstand zur Band nur selten bei Soli) sorgen sie bei den Fotografen zwar für erstaunte Mienen, an der Performance, der in Wien beheimateten Band, gibt es aber nichts auszusetzen. Als sie dann noch dem Psychotic Waltz-Klassiker "I Remember" anstimmen, haben sie die Fans komplett auf ihrer Seite.
Dann durften Naglfar auf die Bühne, die letztes Jahr zwar eine sehr gute Scheibe abegliefert haben, aber mit dem gleichen Problem zu kämpfen hatten, wie jede Black Metal-Band. Bei strahlendem Sonnenschein kommt es einfach hundsdämlich, wenn man versucht, besonders evil auszusehen. Besonders der Basser setzt in dem Bereich neue Maßstäbe. Dass die Mucke der fünf Schweden einfach nicht richtig zünden will, liegt aber mit Sicherheit nicht an den Fähigkeiten der Musiker. Die anschließend spielenden Gluecifer gingen dann im dringend notwendigen Flüssigkeitsausgleich der Herren Redakteure unter, jedoch scheint die Stimmung bei Band und Publikum dem Gehör nach ganz gut gewesen zu sein.
Für die ausgefallenen Marduk traten dann Destruction auf die Bühne, mit denen man als Booker eigentlich nicht viel falsch machen kann. Schmier, Mike und Marc sind einfach eine sichere Bank und der Fronthüne vor allem ein Posingmeister vor dem Herrn. In einer Stunde Spielzeit verpackten sie dann eine gesunde Mischung aus neuem Material und alten Klassikern. Der Aufruf von Schmier zum kräftigen Umtrunk folgten wir dann auch, weshalb die eidgenössischen Uraltrocker von Krokus ohne die nicht mehr ganz so wachen Augen der LAUT-Redakteure auskommen mussten.
Zu Exodus war man aber wieder am Start und bekam von dem Bay Area-Fünfer (von denen übrigens Steve und Gary den Destruction-Gig sehr interessiert aus dem Bühnenhintergrund betrachteten) ordentlich eine vor den Latz geballert. Sogar der sonst eher sehr introvertierte Basser Jack Gibson lässt sich das ein oder andere Mal zu etwas Headbanging hinreißen. Souza, Holt und Hunolt stehen eh nie still und mancher Jungspund könnte sich noch 'ne Scheibe an den alten Säcken absäbeln.
So langsam bricht die Dämmerung an, man sollte meinen, dass schon wieder eine Band zur falschen Tageszeit spielt, denn die Gamma Ray-Fritzen strahlen doch eh immer mit der Sonne um die Wette. Exakt so verhält es sich natürlich auch und Kai, Henjo, Daniel oder Dirk müssste man wahrscheinlich schon in die Klöten treten, um das Grinsen aus den Gesichtern zu bekommen. Grund zur Freude hatten sie aber allemal, da sie einen klasse Gig ablieferten und das Publikum eigentlich von Anfang an auf ihrer Seite hatten.
Gleiches gilt auch für die Mittelalterhelden von In Extremo. Für diese Band gibt es eigentlich nichts besseres als ein Festival, denn hier können sie sich voll und ganz entfalten. Ein Open Air ist quasi genau die Mitte aus ihren akustischen Auftritten bei Mittaltermärkten und ihren elektronisch verstärkten Konzerten in Clubs. So befand sich jeder der sieben Musiker fast ständig in Bewegung, was einen Schnappschuss schon beinahe zu einem Ding der Unmöglichkeit machte. Den Fans war das natürlich egal, die freuten sich über die feurige Show der Berliner. Da sich die Jungs vom Rock Hard aber strikt an ihren Terminplan halten, ist um viertel vor eins Schicht im Schacht und die Bangerschaft macht sich auf den Heimweg.
Day Two:
Nach angehmer (?) Nachtruhe und einem gemütlichen Frühstück sorgt einer der Musiker von Metal Inquisitor (traten am Freitag schon im Biergarten des Festivals auf) für Erheiterung, denn als er sich am Schuhputzautomat von uns ertappt fühlt, schaut er betroffen drein und meint: "Irgendwie untrue, oder?" Recht haste, mein Alter. Da einer der beiden Redakteure die Nacht auf der Kardiologie verbracht hat, weil ein einfacher Hitzschlag gleich mal als Herzryhthmusstörung interpretiert wurde, fällt der Desaster-Auftritt gleich mal flach und als wir auf dem Gelände eintreffen, werden die Fotografen schon aus dem Graben getrieben, denn Into Eternity sind bereits beim vierten Song. Das relativ komplexe Material findet beim Publikum jedoch Anklang und man sieht die Jungs auch später noch oft mit Fans plauschen.
Dann waren Illdisposed dran, die für Malevolent Creation eingesprungen sind. Die Dänen gingen für meinen Geschmack etwas zu cool und zu desinteressiert vor. Der Sänger machte seine Ansagen zwar immer in einem recht witzigen deutsch, jedoch muss man das Stageacting der Jungs schon beinahe gelangweilt nenen. Da sind Pink Cream 69 schon ein anderes Kalliber, denn die Truppe um Fronter David Readman und Gitarrist Alfred Koffler hat sichtlich Spaß an ihrem Auftritt und bringt diesen auch souverän auf die anwesende Meute rüber. Die Songs der letzten "Thunderdome"-Scheibe fügen sich nahtlos in die Setlist ein und es gab eine gute Stunde Heavy Rock zu hören.
Mit Metal Church kam dann für viele eine der Überraschungen des Festivals auf die Bühne. Neben den Urmitgliedern Kurdt Vanderhoof (g) und Kirk Arrington (dr) standen der ehemalige Malice-Gitarrist Jay Reynolds, Steve Unger (b) und Sänger Ronnie Munroe vor den Fans. Da sich die Setlist ausschließlich auf Songs aus der David Wayne-Ära konzentrierte, machte Munroe eine ganz gute Figur, da seine Stimme ähnlich gelagert ist. Keine einzige Mike Howe-Nummer war zu hören und ohne John Marshall und dem Duke am Bass fehlt für mich ein wichtiger Teil der Band. Das Publikum sah das anders und machte den Metal Church-Auftritt für die Band zu einem Erlebnis.
Dark Tranquillity hatten anscheinend 'ne ganze Palette Red Bull vernichtet, denn die Schweden standen keine Minute lang still. Mikael Stanne schreit sich mit einem Grinsen im Gesicht die Lunge aus dem Hals und kann dennoch später im Set auch bei den klaren Gesangspassagen punkten. Basser Hendriksson macht klare Aussagen mit seinem T-Shirt und die beiden Klampfer Sundin und Niklasson lassen die Rüben kreisen. Auch wenn In Flames deutlich bekannter sind, Dark Tranquillity stehen ihren Kollegen in nichts nach.
Für Rage trifft eigentlich dasselbe zu wie für Destruction. Mit den Jungs macht man alles richtig. Wer einen Drummer wie Mike Terrana und einen Klampfer wie Victor Smolski in der Band hat, kann sich eigentlich beruhigt zurück lehnen Dass Peavy das aber nicht tut, ist wohl klar, immerhin ist seine Stimme das Markenzeichen von Rage. Ob es aber notwendig ist, sogar auf einem Open Air die Gitarren- und Drumsoli beizubehalten, ist Geschmackssache. Drumtier Terrana ist schon allein mit seinem Drumset das Geld wert, aber am besten funktionieren Rage nunmal, wenn sie zusammen ihre Songs spielen.
Von den Stratovarius-Musikern war den ganzen Tag über nichts zu sehen und auch die Labelleute waren nicht sonderlich gesprächig. Um halb zehn ging das Licht aus und Timo Tolkki und Gefolge betraten tasächlich die Bühne. Das Publikum war begeistert, die Band in dieser Besetzung nochmal zu sehen, jedoch war es auch überdeutlich, dass die Stimmung auf der Bühne sehr unterkühlt war. Zwar gab es durchaus mal Blickkontakt zwischen Tolkki und Kotipelto, jedoch schien das eher Teil der Show zu sein. Musikalisch gab es an dem Auftritt nichts zu meckern, ob es aber Sinn macht, unter solchen Umständen eine Einheit präsentieren zu wollen, ist fraglich.
Was eine Einheit ist, machten dann Machine Head ein um's andere Mal klar. Mit Phil Demmel scheint endlich der richtige zweite Klampfer in der Band zu sein, denn es hat den Eindruck, als würde die Band schon seit Jahren in dieser Besetzung spielen. Rob ist ein exzellenter Frontmann, Drummer Dave kloppt so tight wie kein Zweiter, Basser Adam ist einfach ein Waldschrat vor dem Herrn und Phil genießt es sichtlich, die Killerriffs in die Menge zu feuern und dabei eine Riesen-Party zu feiern. Die Fans fressen der Band eh aus der Hand und das zu Recht. Machine Head waren definitiv der würdige Headliner des Sonntags und es gibt wohl keinen, der an diesem Abend nicht mit einer metallischen Vollbedienung nach Hause, ins Zelt oder ins Hotel gegangen ist.
Das Rock Hard Festival 2004 hat seinen guten Ruf vom letzten Jahr also erfolgreich verteidigt, denn an Band-Auswahl, Essen und Merchandise, sowie der überaus benutzerfreundlichen Toilettenbereiche, gibt es kaum ein anderes Festival, das da mithalten kann. Auch die Security sollte lobend erwähnt werden, selbst wenn zwei Mitarbeiter nach dem ersten Tag gefeuert wurden, weil sie einem lästigen Crowdsurfer zu einem unfreiwilligen Bad im Rhein-Herne-Kanal verholfen haben. Jungs, in Mainz bekommt ihr für so 'ne Aktion 'nen Job.