laut.de-Kritik
"Ja nicht Stoiber wählen!"
Review von Alexander CordasDas muss man sich mal vorstellen: Die Sonne scheint, die Festivalbesucher stellen sich auf einen vergnüglichen Nachmittag ein und hinter den Kulissen jagt eine Unwetterwarnung die nächste. Sogar die Polizei versicherte sich - zwischen "gefährlichen" Haschisch-Beschlagnahmungsaktionen - beim Veranstalter, dass die Bühnenkonstruktion auch stärkere Winde aushalten und niemand bei eventuellen Orkanböen zu Schaden komme.
Witziger Weise bekam davon kaum jemand etwas mit und so war es nur konsequent von Petrus, dass er die Gewitter samt Hagel und Donner rund um die Bodenseeregion in Richtung Schweiz umleitete.
Unter solcher Schirmherrschaft lässt sich gut Open-Airen und das taten die Massen denn auch ausgiebig. Im Vorfeld gab es diverse Zu- und wieder Absagen, so dass es nicht so sehr verwunderte, dass zuerst Sum 41 und die angekündigten Default nicht auftraten. Nachdem Frenzel Rhomb die Menge mit ihrem punklastigen Material anheizten und The Shell für wenig mehr als akustische Untermalung sorgten, betraten Ingo und co von den Donots die Bühne. Wer glaubt, dass es ein Nachteil sein muss, zu früher Stunde bei einem Open Air auf zu treten, hätte sich ihren Gig unter die Lupe nehmen sollen. Die Donots hatten das Publikum mehr als nur im Griff - der Aufforderung, sich hüpfend an der Performance teil zu nehmen, kamen ungefähr zwei Drittel der Besucher nach und verursachten so ein mittleres Erdbeben, das Gerüchten zufolge auch noch am anderen Ende des Sees zu spüren war.
Gespannt wurde der Auftritt von Puddle Of Mudd erwartet. Vielleicht hatte Wesley Reid Scantlin nicht den besten Tag oder jemand hat ihm etwas in den Tee getan, der Gig ging nämlich etwas in die Hose. Nicht nur, dass es erstaunlich leise war, stimmlich konnte der Frontmann der Newcomer die positiven Eindrücke von "Come Clean" nicht bestätigen und so konnte der Gig nur den Preis für den langweiligsten Auftritt des Tages einheimsen.
Ganz im Gegensatz zu NoFX, die wesentlich lockerer und spielfreudiger erschienen als die anderen Bands. Die Punks aus Kalifornien bewiesen auch im neuen Jahrtausend, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören und konnten die Menge doch sichtlich mehr begeistern und mitreißen als zuvor Puddle Of Mudd. Fat Mike & Co zogen ihre übliche Show ab und über ihre Regierung her, die sie als die dämlichste weltweit bezeichneten. Passend dazu wurde einer ihrer Hits "Murder The Government" umgedichtet und an Bush und seine Freunde angepasst. Gegen Ende griff Gitarrist Eric Melvin zum Schifferklavier und verfiel in eine Endlosschleife von "Theme From A NoFX Album", bis man ihm das Mikro abdrehte.
Chad Kroeger und seine Nickelback-Mitstreiter ließen im Anschluss nichts anbrennen. Knackig auf den Punkt gespielte Riffs und massig Rockstar-Posen mit Geböller und Krachbumm ließen beim jungen Publikum kaum Wünsche offen.
Die Toten Hosen waren wiederum ein Garant für ein mit gut 25.0000 Gästen sehr gut besuchtes Festival. Zwei Stunden heizten Campino und Co in gewohnter Manier die Massen an, und es war deutlich spürbar, dass der überwiegende Teil der Besucher hauptsächlich wegen den Düsseldorfern nach Konstanz gepilgert war.
Vor und passend zu ihrem "Ich würde nie zum FC Bayern München gehn" griff Campino das gerade aktuelle Thema "Wahlkampf" auf und legte seinen Standpunkt dazu ganz klar offen, indem er alle aufforderte, ja nicht Stoiber zu wählen. Ober-Hose Campino war überhaupt glänzend aufgelegt: vor seinem Auftritt nahm er sich Zeit für Nachwuchs-Fans wie Sebastian (13) und Oliver (12), währenddessen divte er bis zum Mischer-Turm gut fünfzig Meter vor der Bühne und interpretierte viele alte Hits mit seltener Inbrunst.
Die kurioseste Geschichte ereignete sich jedoch erst, nachdem das Festival bereits gelaufen war: Konstanz outete sich mal wieder als Verkehrs-Knotenpunkt. An die 400 Besucher mussten kurzerhand im Bahnhof übernachten, da sie den letzten Zug verpasst hatten. Spät abends werden in der Provinz nämlich nicht nur die Bürgersteige hoch geklappt, sondern auch die Züge in die Heia geschickt - ein Punkt, den die Organisatoren vielleicht nächstes Jahr in ihre Planungen mit ein beziehen können.