Elton John - " Songs From The West Coast"

Draußen regnets, aber in dem verrauchten Club gibt Kerzenlicht wohlige Wärme: in dieser Umgebung stelle ich mir den Londoner Tausendsassa in Sachen Musik vor, wie er seine traurigen Balladen singt und dazu traurige Töne aus dem Klavier tropfen.

Nun hat es aber den kleinen Mann offenbar ins westliche Amerika verschlagen, in eine Freiheit, die sich vor allem als Gleichgültigkeit äußert, und in der große Gefühle nichts verloren haben. Elton John wollte weg vom tränentriefenden und irgendwie erdrückenden "Candle In The Wind"-Image und zumindest mit dem Cover und den ersten Tracks der Scheibe ist ihm das auch geglückt.

"The Emperor's New Clothes" ist mit seiner Strophe-Refrain-Konstruktion und vielen Dur-Moll-Wechseln zwar ein typischer Elton John-Song. Doch ist die Instrumentierung hier durchaus sparsam geraten, und wo früher warme Streicherklänge das Klangbild aufgefüllt haben, geben nun schneidige Bläsersätze eine gewisse Schärfe. "Dark Diamond" wirkt schon allein dank Stevie Wonders Mundharmonika amerikanisch und "Look Ma, No Hands" setzt eher auf die Kraft einer einfachen Melodie, als auf ausgeklügeltes Arrangement.

Später folgen noch "Birds" mit Banjo und Westerngitarre und das rockige "Wasteland". Zwischendurch aber erweist sich Elton immer wieder als Meister des Sentiments und der Plattentitel als irreführend. "American Triangle" und "Original Sin" sind sehr melancholische Songs, in denen sich Elton mit Schmelz in der Stimme als Schmuserocker profiliert, die "Ballad Of The Boy In The Red Shoes" porträtiert voll Mitgefühl einen Tänzer, der sich, schwer (an AIDS) erkrankt, seines vergangenen Ruhmes erinnert. Auch in "I Want Love" deuten die Lyrics an, dass Gleichgültigkeit und Glück vielleicht doch Gegensätze sind: "A Man Like Me's Dead in Places, Other Men Feel Liberated ..."

Hier wie anderswo zeigt sich, welch kongeniales Team der kleine Sänger und sein alter Mitstreiter, der Texter Bernie Taupin, immer noch bilden. So ist diese Platte allen Elton John-Fans allemal eher zu empfehlen als die Soundtracks und Live-Scheiben der letzten Jahre.